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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Naumann, Friedrich: Werkbund und Handel, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0141

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herein deutlich zu machen, wenn man von werk-
bund und Handel reden will.

Der Kaufmann ist der eigentliche Träger der
Lehre vorn freien Spiel der Kräfte.
Er hat die alten Polizeivorschriften abgeschüttelt
und will völlig unabhängig sein in allem, was er
kauft und verkauft, wenn er fein Geschäft mit
faulen Fischen macht oder mit brüchigen Geweben,
so mag er selber darüber Nachdenken, ob das seinem
guten geschäftlichen Rufe nicht mehr schadet, als es
vorübergehend vielleicht seiner Kasse nützt, aber
es geht nach seiner Meinung niemanden etwas an.
Ls ist, so sagt der Kaufmann, schon von selber dafür
gesorgt, daß der Schwindel nicht alles überwuchert,
da die Käufer sich von dem abwenden, der ihnen
Sand statt Mehl gibt. Lin kluger Großkaufmann
sagte mir einmal: „Linen einzelnen Menschen kann
ich immer betrügen, hundert Menschen vielleicht
ans zwei Monate, aber tausend Menschen nicht
eine Woche! wer starken und regelmäßigen Absatz
haben will, muß aus gewisse mittlere Dualitäten
halten. Da nun unser gegenwärtiger Handel fast
gar nicht mehr auf zufällige Iahrmarktsgäste
rechnet, sondern mit fester Kundschaft arbeitet,
kann er aus rein geschäftlichen Gründen gar nichts
anderes tun, als im gewöhnlichen Sinne des Wortes
reell sein. Ls wird darum trotz aller Handelsfreiheit
heute weniger betrogen als früher.

Diese Kaufmannsauffassung vom freien Spiel der
Kräfte hat einen großen Wahrheitsgehalt, und ohne
sie würden wir alle noch tief in veralteter Klein-
krämerei stecken und schlechter versorgt werden als
jetzt. Aber es gibt kaum je ein großes Prinzip,
das nicht auch gewisser Linschränkungen bedarf,

um heilsam zu bleiben. Der springende Punkt in
unserem Falle ist dieser: der Kaufmann soll von
selber kontrolliert werden vom verstände der
Käufer; was aber wird, wenn dieser verstand fehlt?
was wird, wenn er nach der Art der Ware fehlen
muß?

wir haben ein sehr interessantes Beispiel für diese
Sachlage im Farbengeschäft. Für alle Maler höheren
und niedern Grades ist die chemische Dauerhaftig-
keit der Farbe von hohem wert, ebenso für alle
färbenden Gewerbe, besonders für die Textilbranche.
Nur aber kann die Dauerhaftigkeit nicht mit Augen
gesehen, sondern muß langjährig erprobt werden,
viele Kunstwerke und Gewerbeschöpfungen sind
nach zehn oder zwanzig Jahren an ihren Farben
zugrunde gegangen. Der einzelne Käufer ist hilflos,
vielleicht ebenso der einzelne Kaufmann. Das freie
Spiel der Kräfte genügt nicht, weil die Prüfung zu
schwer ist. Sind hier die prüsungsanstalten nicht
nötig? Hatte hier der Werkbund nicht recht, wenn
er Ordnung forderte?

Man soll sicherlich nicht immer zur Gesetzgebung
laufen, denn auch Gesetze sind nur versuche, aber
wir haben doch auf dem Gebiet der Nahrungsmittel
Vorschriften Herstellen müssen, um überhaupt die
Grundbegriffe Milch, Butter und wein dem Volke
zu erhalten. Der Handel ist nicht daran gestorben,
und die Dualität hat gewonnen, was man ohne
Gesetze erreichen kann, soll ohne sie durchgesetzt
werden, aber der Gedanke selber muß anerkannt
werden, daß das freie Spiel der Kräfte nicht so weit
gehen darf, daß alle natürlichen Materialgefühle
verdorben werden. Auf der Seite der natürlichen
Materialgefühle steht der Werkbund. (Forts, folgt.

Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Verfassers veröffentlichen wir auch an dieser Stelle den für das Jahrbuch des Werkbundes verfaßten und dort im Band \9\3
abgedruckten Artikel, weil er gerade jetzt zu dem vielbesprochenen Thema: Kunst, Kunstgewerbe nnd Kaufmann sehr viele beachtenswerte Gedanken entbält.

Die Redaktion.

Line Jubiläumsgabe

Zum 25. Jahrestage der Thronbesteigung Kaiser
Wilhelms II. hatte der Jubilar zwar gebeten, von
etwa beabsichtigten Festgaben abzusehen und die
dafür bereitgestellten Mittel im Interesse der All-
gemeinheit zu verwenden; aber unter der großen
Zahl von Körperschaften, die bei solchem Anlaß
gerne dem Kaiser ihre Huldigung darbringen, sind
nicht wenige, die froh die Gelegenheit ergreifen,
um kleine sinnvolle Kunstwerke erstehen zu lassen,
die durch ihren wert dauernde Beachtung finden
und so auch den Iubiläumsgedanken dauernd
lebendig erhalten.

In diese Klasse von Kleinkunstwerken gehörtauch die
Iubiläumsgabe des „Vereins Deutscher Ingenieure",
die wir in diesen Blättern zur Darstellung bringen.

Dem reizvollen, gedankenreichen Werk liegt als
leitende Idee die Tatsache zugrunde, daß Technik
und Industrie von jeher durch die Hohenzollern
mächtige Förderung erfahren haben; das wollten
die Spender der Ehrengabe in einer Art monumen-
taler Urkunde dankend zum Ausdruck bringen. Fünf
silbervergoldete, durch Scharniere miteinander ver-
bundene, beidseitig benützte Tafeln tragen die Bild-
nisse von vier um die Entwicklung der Technik be-
sonders verdienten Hohenzollern: der Große Kur-
fürst, Friedrich der Große, Wilhelm I. und Wil-
helmen. — begleitet von dem erklärenden Text und
bedeutsamen Emblemen; so zusammengefaltet er-
scheint das Ganze beinahe wie ein Buch aus
metallenen Blättern.

Kunst und Handwerk. 64. Iahrg. Heft 5.

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