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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Heilmeyer, Alexander: Jakob Bradl
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0192

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in die Praxis urngesetzt und seine Kartons farbig
ausgeführt wurden, ein Umstand, der ihn manch-
mal seine Urheberschaft oder Beteiligung daran
verleugnen oder ihn öfter an einer Kirche mit
einem geschändeten Bild Vorbeigehen ließ, wie
oft er über die geschäftliche Gunst geseufzt haben
mag, wenn er dadurch immer wieder zur Kunst
nach dem laufenden Meter verdammt wurde;
bis ihn endlich ein Streit mit einem Kunden über
die Lieferung von tooo m Lierftäben auch von dieser
Meter- und Kilometerxlastik erlöste. Mit dem
für ihn erfolgreichen Wettbewerb um zwei Figuren
für die Kirche in Weismain gewann er für sein
Schaffen als Plastiker einen breiteren und frucht-
bareren Boden. Einen trefflichen Grund dazu hatte
er schon in des Vaters Werkstätte gelegt. Die Aka-
demie konnte ihm wohl mit der damals auf Natura-
lismus eingestellten Richtung wenig geben. Seine
Neigung ließ ihn vielmehr die alten Meister stu-
dieren, hauptsächlich die, welche neben der Antike
der Natur am nächsten standen, die Gotiker. Mit
einer an der Natur und an den alten Stilen gleich
gut geschulten Darstellungsgabe begann er seine
Laufbahn als freier Künstler mit gotisierenden polz-
figuren, wie dem St. Isidor, der für Bamberg
modellierten und von Kiene in Kupfer getriebenen
Madonna, dem Relief Bauerntanz, dem Relief
„Erschießung des Pestdrachens" am Münchener
Rathaus. Line den Gotikern wesensverwandte Emp-
findung spricht auch aus der schönen Gruppe
des winthirbrunnens. Seine Fähigkeit, sich in jeden
Stil einzufühlen und sich darin so gut auszudrücken,
als ob er schon immer in den Fußstapfen der alten
Meister gegangen wäre, ließ ihn für jeden Stil den
passenden Ausdruck finden. Man betrachte darauf-
hin nur die von Bradl restaurierten und zum Teil
neugeschaffenen Sandsteinfiguren auf der Würz-
burger Brücke, seine gotischen Möbel im eigenen
Pause und die polzreliefs für den Universitätsklub
in Chicago. In seinem Passauer Brunnen paßt
er sich der Umgebung so trefflich an, daß man
meint, dieser Brunnen wäre wirklich in der Zeit
seines Stils entstanden. Und bodenständig wirkt auch
das Ulrichdenkmal in Dillingen. Die Figur St. Ulrich,
eine prachtvolle und machtvolle Bischofsgestalt von
echt monumentaler Größe, ist vielleicht Bradls her-
vorragendstes plastisches Werk. Denn hier fand er
eine seinem Stilgefühl gemäße Aufgabe, die er
durchaus eigenartig und kraftvoll gestaltet hat. Ls
vereinigen sich in dieser Bischofsfigur all sein
Können und seine reichen Erfahrungen auf den
verschiedenen Gebieten der Bildhauerei zu einem
großzügigen bedeutenden Ausdruck.

wie er alle Stile beherrscht, so meistert er auch das
p and werk. Er reitet es in allen Sätteln, modelliert,
schnitzt, ziseliert, bossiert, arbeitet in Ton, Bolz,
Stein, Stukko und Metall. Ein ausgezeichneter
Techniker, besitzt er neben dem vermögen, große,
selbst monumentale Aufgaben zu lösen, auch die
Liebe und Fähigkeit für jede Art kleinplastischer und
kunstgewerblicher Arbeit. Auch hier ist sein Arbeits-
gebiet wieder ein unbegrenztes. Bradl hat Orna-
mente in allen Stilen geschnitzt, Faßböden, Me-
daillons für Trinkbecher gemacht und mit beson-
derer Liebe Marionetten, Gliederpuppen und
Köpfe. Die Köpfe insbesondere sind mimische
Plastiken voll köstlicher Draftik des Ausdruckes,
was er selber mimt, empfindet er auch am besten
plastisch; davon zeugt auch die kleine Statuette
Koko, die Konrad Dreher darstellt. Sein großes
mimisches Talent ist also schließlich doch auch in
seiner Plastik zur Geltung gekommen. Steckt doch
in jedem Bildhauer ein latenter Schauspieler.
Seine außerordentliche Begabung in der Beherr-
schung aller Stile ist nichts anderes als eine Art
mimischer Einfühlung und Wiedergabe des Ge-
sehenen. Bradl mimt ja auch großartig Stil-
figuren; wenn er singt: „Romanisch, Gotisch,
Renaissance, Barock und Rokoko", verlebendigt er
in geradezu dämonischer weise den „Stilgeist"
selber.

Seine Lust zum Malen hat sich gleichfalls an
den alten Malereien entzündet. Darum renoviert
er so gerne alte Landkirchen, weil sie ihm Gelegen-
heit geben, sich in den Geist des ganzen Bauwerkes
einzuleben. Und so gut weiß er sich diesem anzu-
passen, daß man ihm jederzeit ruhig gotische,
barocke und zopfige Kirchen überlassen kann, wie
sehr er sich bei diesen Kirchenmalereien in seinem
Element fühlt, beweisen die von ihm ausgeführten
Malereien im gotischen Stil in der Kirche zu pugl-
fing und Gachenbach, die Renovierungen in der
Kirche zu Mindelheim und Gttobeuren. Gttobeuren
gab ihm noch die erwünschte Gelegenheit, Malereien
des berühmten Amigoni an Grt und Stelle zu
studieren und so seine Kenntnis von der Technik
des Freskos durch wertvolle Studien zu bereichern.
Den überaus liebenswürdigen pumor, der ihn
als Mensch und Darsteller auszeichnet und der ihm
schon so viel warme menschliche Sympathien er-
worben hat, möchten wir auch in seiner Kunst
nicht missen. Und wenn er in der Plastik und in den
Malereien, wo es sich meist um Werke und Schöp-
fungen der angewandten Kunst handelt, natur-
gemäß hinter der objektiven Erscheinung des deko-
rativen und monumentalen Werkes zurücktreten
 
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