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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Naumann, Friedrich: Werkbund und Handel, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0194

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kanten dienen. Ls entsteht nämlich durch solche
beständig sich erneuernden versuche ein b e s s e r e s
Gefühl für das, was zusammen-
x a ß t. Dieses Gefühl ist aber das Grundelement
für neue Lebens- und Arbeitskultur im deutschen
Geiste. An dieser Stelle unterscheidet sich das
Deutsche vom Französischen. Man kann nicht leicht
mit Worten sagen, was bei uns anders gefühlt
wird als drüben, aber jeder, der gute französische
Geschäftsauslagen mit guten deutschen vergleicht,
wird finden, daß drüben viel mehr harmonische
Leichtigkeit, bei uns aber mehr systematische Durch-
arbeitung ist. Je weiter wir nun in der künstlerischen
Pflege des Schaufensters kommen, desto freier
werden wir auch gerade durch sie von französischer
Mode werden. Sie paßt nämlich schlecht zu unseren
sonstigen Idealen von Innendekoration. Sie besteht
aus schönen, kecken, überraschenden Linfällen, ist
darum graziös und in ihrer weise bewundernswert,
aber eine klare Durchdenkung vom Taschentuch bis
zum Armband, vom Schuh bis zur Putspitze ist meist
nicht vorhanden. Das werden erst die pedantischen
und fleißigen Deutschen leisten und vielleicht, viel-
leicht damit einmal großen Erfolg haben. Aber für
so etwas muß lange Vorarbeit getan werden, der
Sinn für das Zusammenpassen in Stoffen, Farben
und Formen muß tausendfach gepflegt sein, ehe
sich dann wie von selbst das letzte reine Gefühl für
das Richtige erhebt.

In gewissem Sinne ist in allen Schönheits- und
Ausstattungsfragen der wohlhabende Großkauf-
mann besser gestellt als der kleinere Spe-
zialhändler. Das gehört mit zum Über-
gewicht des stärkeren Kapitals über das schwächere.
Dadurch darf sich aber der werkbund niemals be-
stimmen lassen, etwa nur für die Ausstellnngs- und
Darstellungssorgen der größeren Geschäfte Sinn
und Teilnahme zu haben. Das wäre völlig ver-
fehlt ! viele Artikel bedürfen des besonderen kleinen
Geschäftes, wenn sie in (Qualität auf die erreichbare
pöhe gehoben werden sollen, und unter Umständen
gewinnt ein kleinerer Laden sein Lebensrecht eben
dadurch, daß er Geschmack hat. So wenig der Werk-
bund in der Perstellung die eigentlichen pandwerks-
künstler zurücksetzen darf, ebensowenig darf er etwa
ein Verband für schöne Warenhäuser werden. Der
Werkbund ist keine Wirtschaftspartei, mischt sich nicht
in das, was Handelskammern und Parlamente zu
beschließen haben, will keine kämpfende Lrwerbs-
gemeinschaft sein, sondern will nur überall in
Pandelskammer, Parlament und Interessenten-
verband den Sinn dafür verbreiten, daß es
nützlich für Kleine und Große ist, nicht form-

los auf den Tisch zu legen, was wohlgeordnet
stärker wirkt, und nicht ohne Seele zu verkaufen,
was mit Seele ausgedacht und hergestellt wurde.
Lr gehört nicht zu denen, die das Große schon
deshalb für schön halten, weil es groß ist, oder
das Kleine deshalb schief ansehen, weil es klein
ist. Alle Achtung für gut gepflegte, feine kleine
Geschäftsräume!

Und nun zum Schlüsse noch ein Wort über den
Auslandshandel! Da muß zwischen kritik-
loser Pingabe an ausländische Vorbilder und ebenso
kritikloser Ablehnung alles Fremden die richtige
Mitte eingehalten werden. Das mag dem einzelnen
Kaufmann einigermaßen schwer sein, weil er sich
entweder als Importeur oder als peimatvertreter
fühlt und gar nicht alles, was es gibt, gleichzeitig
auf Lager halten kann. Ls ist die Arbeitsteilung
auch hier eingetreten und erzeugt geteilte Stim-
mungen. Immerhin aber ist es nicht gut, wenn
unsere Käufer je nach Auf- und Abstieg einzelner
Geschäfte erst einmal japanisch gemacht werden,
dann persisch, dann englisch. Dieses Pin- und per-
schieben der Reklame läßt keine eigene Sicherheit
anfkommen. Der Werkbund wird daher ohne eng-
herzige Ablehnung fremder waren doch auf pflege
der einheimischen guten Erzeugnisse bedacht sein
müssen. Lr wird den Käufern sagen, daß es
nicht nötig ist, fremde Altertümer in die Stube
zu stellen, wenn man ebenso tüchtige neuere
deutsche Erzeugnisse haben kann. Um es am Bei-
spiel zu zeigen: auch ein deutscher Teppich kann
„echt" sein, ist es sogar oft in höherem Grade als
der fremde.

Line grundsätzliche Ablehnung fremder Einfuhr
würde natürlich anderseits undurchführbar und
falsch sein; denn wir wollen ja viel an das
Ausland verkaufen, wie aber soll das möglich
sein, wennwir bei jedem Pariser Bild und jedem
Londoner Sonnenschirm ein saures Gesicht ziehen?
Die deutsche Industrie will Qualitätswaren aus-
führen, und der Werkbund will sie dabei be-
gleiten. Der Werkbund plant seine deutsche Aus-
stellung in Paris. Dort will er inmitten fran-
zösischer Schönheiten eine ausgewählte Vorfüh-
rung deutschen Könnens veranstalten. Möge es
gut gelingen!

Der Kaufmann scheint nur ein persönliches Lr-
werbsgeschäft zu betreiben, aber er hat dabei eine
Kulturaufgabe, mag er ihr dienen wollen oder
nicht. Lr verbreitet bessere oder schlechtere Lebens-
güter. Lr ist ein Erzieher der Käufer. Ohne ihn
kann keine geistige Strömung sich durchsetzen, auch
nicht der Deutsche Werkbund.

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