Paul Gütz-Räcknitz, München: Illustration
mehr gemein haben. Dieser krasse Dilettantismus
ist ein Krebsschaden, der uns nicht vorwärts kommen
läßt. Ich möchte sagen, daß durch das selbstgeschnei-
derte „Eigenkleid" in vielen Fällen (nicht allen!)
das der Reformidee unzweifelhaft innewohnende
Gute beseitigt wird. Auf unserem Gebiet,
der angewandten Kunst, hat derDi -
lettantismus keine Heimstätte. Wäh-
rend er in der Musik, in den bildenden Künsten
harmlos, vom Standpunkt des Kunstgenusses aus
sogar förderlich zu wirken vermag, erscheint er
in der Öffentlichkeit als ein verbrechen. — über
die Kleidung der Männer wäre ein eigenes Kapitel
zu schreiben; aber auch die Frau vergißt nur zu
leicht, daß sie zum Straßenbild gehört, daß es ihre
Aufgabe ist, durch die Kleidung zur Hebung des
Allgemeingeschmackes beizutragen. Traurig wäre
es, wenn ein an sich gutes Prinzip zur Verödung
des Frauenkleides oder gar zur Hebung des Unge-
schmacks beitragen würde. Dagegen wehren wir
uns mit aller Kraft.
Kein Gebiet hat eigentlich den kunsthandwerklichen
Charakter länger zu wahren gewußt als die Frauen-
kleidung, vor allem in der Hinsicht, daß der Aus-
führende direkt mit dem Besteller in Berührung ge-
langt. Selbst die edle Goldschmiedekunst schafft
nur mehr das Schmuckstück an sich und überläßt es
dem Zwischenhändler, mit dem Kundenkreis in Be-
rührung zu treten. Diesen innigen Kontakt zwischen
dem Produzenten und dem Erwerbenden, diesen
Paul Gütz-Räcknitz: Exlibris
kunstgewerblichen Charakter müssen wir der Frauen-
kleidung zu wahren suchen und ihn wieder aufzu-
finden wissen, falls er verloren ging. Man glaubte
ihn vielleicht am besten durch die Hausschneiderei
zu erhalten. Das war ein Irrtum; man lieferte
sich großen Teiles dem Dilettantismus aus. Es ist
unmöglich, daß jede Frau, die nähen kann, auch
auf dem Gebiet der Bekleidungskunst mit Erfolg
schöpferisch tätig ist. Dazu gehört zunächst
Talent und Geschmack, dann aber auch die nötige
kunstgewerblich-ästhetische Ausbildung. Die pariser
Modekünstler dichten ihre unerreichten Farben-
symphonien nur für den Uneingeweihten von un-
gefähr. Hierzu kommt allerdings, daß die Pariserin
eine ererbte Geschmackstradition besitzt, die sich in
unseren Weltstädten Wien und Berlin zwar schon
bemerkbar macht, aber noch ziemlich selten ist. Der
angeborene Takt in den Bekleidungskünsten, der
auch anderwärts — z. B. in Brüssel — augenfällig
zutage tritt, aber bei uns vorläufig nur im Keim
zu konstatieren ist, er soll durch Erziehung, durch das
gute Beispiel gefördert werden. In gleichem Sinne,
wie die Künstlerschaft sich des Handwerks bevor-
mundend mit glänzendem Erfolg für beide Teile an-
genommen hat, so müßte auch die Gewandungs-
kunst gefördert werden. Man wird entgegenhallen,
daß sich die Künstler auf diesem Gebiete versucht
hätten, und zwar ohne allgemein durch-
dringendes Resultat, wenn nun, wie zugegeben
werden muß, nur einzelne begrüßenswerte Schöp-
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mehr gemein haben. Dieser krasse Dilettantismus
ist ein Krebsschaden, der uns nicht vorwärts kommen
läßt. Ich möchte sagen, daß durch das selbstgeschnei-
derte „Eigenkleid" in vielen Fällen (nicht allen!)
das der Reformidee unzweifelhaft innewohnende
Gute beseitigt wird. Auf unserem Gebiet,
der angewandten Kunst, hat derDi -
lettantismus keine Heimstätte. Wäh-
rend er in der Musik, in den bildenden Künsten
harmlos, vom Standpunkt des Kunstgenusses aus
sogar förderlich zu wirken vermag, erscheint er
in der Öffentlichkeit als ein verbrechen. — über
die Kleidung der Männer wäre ein eigenes Kapitel
zu schreiben; aber auch die Frau vergißt nur zu
leicht, daß sie zum Straßenbild gehört, daß es ihre
Aufgabe ist, durch die Kleidung zur Hebung des
Allgemeingeschmackes beizutragen. Traurig wäre
es, wenn ein an sich gutes Prinzip zur Verödung
des Frauenkleides oder gar zur Hebung des Unge-
schmacks beitragen würde. Dagegen wehren wir
uns mit aller Kraft.
Kein Gebiet hat eigentlich den kunsthandwerklichen
Charakter länger zu wahren gewußt als die Frauen-
kleidung, vor allem in der Hinsicht, daß der Aus-
führende direkt mit dem Besteller in Berührung ge-
langt. Selbst die edle Goldschmiedekunst schafft
nur mehr das Schmuckstück an sich und überläßt es
dem Zwischenhändler, mit dem Kundenkreis in Be-
rührung zu treten. Diesen innigen Kontakt zwischen
dem Produzenten und dem Erwerbenden, diesen
Paul Gütz-Räcknitz: Exlibris
kunstgewerblichen Charakter müssen wir der Frauen-
kleidung zu wahren suchen und ihn wieder aufzu-
finden wissen, falls er verloren ging. Man glaubte
ihn vielleicht am besten durch die Hausschneiderei
zu erhalten. Das war ein Irrtum; man lieferte
sich großen Teiles dem Dilettantismus aus. Es ist
unmöglich, daß jede Frau, die nähen kann, auch
auf dem Gebiet der Bekleidungskunst mit Erfolg
schöpferisch tätig ist. Dazu gehört zunächst
Talent und Geschmack, dann aber auch die nötige
kunstgewerblich-ästhetische Ausbildung. Die pariser
Modekünstler dichten ihre unerreichten Farben-
symphonien nur für den Uneingeweihten von un-
gefähr. Hierzu kommt allerdings, daß die Pariserin
eine ererbte Geschmackstradition besitzt, die sich in
unseren Weltstädten Wien und Berlin zwar schon
bemerkbar macht, aber noch ziemlich selten ist. Der
angeborene Takt in den Bekleidungskünsten, der
auch anderwärts — z. B. in Brüssel — augenfällig
zutage tritt, aber bei uns vorläufig nur im Keim
zu konstatieren ist, er soll durch Erziehung, durch das
gute Beispiel gefördert werden. In gleichem Sinne,
wie die Künstlerschaft sich des Handwerks bevor-
mundend mit glänzendem Erfolg für beide Teile an-
genommen hat, so müßte auch die Gewandungs-
kunst gefördert werden. Man wird entgegenhallen,
daß sich die Künstler auf diesem Gebiete versucht
hätten, und zwar ohne allgemein durch-
dringendes Resultat, wenn nun, wie zugegeben
werden muß, nur einzelne begrüßenswerte Schöp-
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