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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Brenneis, J.: Rechtsfragen in der Praxis der Kunst und des Handwerks, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0273

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Namens, der bürgerlichen Ehre, der gewerblichen Betätigung
und der Urheberxersönlichkeit. Die Person wird hiernach
geschützt in ihrer physischen und sozialen Existenz und ihrer
Betätigung.

Unter einem Bildnis ist zu verstehen ein Werk, dessen Gegen-
stand die Darstellung einer bestimmten Person ist, und dessen
Zweck dahin geht, diese Person zu identifizieren.

Hieraus ergibt sich:

Ein Bildnis ist immer eine Darstellung, die nach der Natur
geschaffen ist. Unter Bildnis fallen auch alle Vervielfälti-
gungen des Bildnisses; allein auch diese setzen letzten Grundes
eine Aufnahme nach der Natur voraus.

Ein Bild, das zufällig eine täuschende Ähnlichkeit mit einer
anderen Person aufweist, ist nicht ein Bildnis. Diesen Charakter
würde es höchstens dadurch erwerben, daß der Name der anderen
Person darunter gesetzt würde.

Ob der Abgebildete dem Künstler gesessen hat oder ob letzterer
das Bild aus dem Gedächtnis geschaffen hat, ist dabei uner-
heblich; denn auch in diesem Kall hat der Künstler nach der
Natur gearbeitet.

An sich ist ferner gleichgültig, ob die Person in ganzer Kigur
oder als Halbfigur oder nur als Kopfporträt ausgenommen
ist; ob sie in Lebensgröße oder in Verkleinerung oder in Ver-
größerung dargestellt ist, ob sie in ihrer gewöhnlichen Tracht oder
als Akt oder in Phantasiekleidung dargestellt ist.

Das Wesentliche sind immer die Züge des Kopfes. Die
Abbildung eines anderen Körperteils, wie z. B. der Hand,
fällt nicht unter den § 22, auch wenn der Besitzer der Hand ge-
nannt ist.

Gegenstand des Bildnisses kann auch eine Leiche sein (Toten-
maske). Die Darstellung muß dem Zweck dienen, die Person
zu identifizieren. Es muß also das künstlerische
Schaffen durch ein äußerliches Zweckmoment bestimmt und
diesem untergeordnet sein. Naturgemäß schließt dieses äußer-
liche Zweckmoment nicht aus, daß das Porträt eine jedem
anderen Werk gleichwertige, individuelle Schöpfung dar-
stellt. Allein ebenso wie beim Werk der angewandten Kunst
wird das Schaffen in den Dienst eines gegebenen Zwecks
gestellt.

Gb das Porträt „getroffen" oder künstlerisch wertvoll ist, ist
unerheblich.

Aus dem Erfordernis der Zweckbestimmung des Werkes, eine
Person zu identifizieren, ergibt sich:

LinWerk, das eine selbständige künstlerische Ausgabe verfolgt und
auf dem sich die Abbildung einer Person als zufälliges Bei-
werk befindet, ist nicht das Porträt dieser Person. Ein solcher
Kall liegt vor, wenn der Gegenstand der Gesamtdarstellung
ein allgemeiner ist und das Porträt nur als Bestandteil um-
faßt. Man könnte allenfalls sagen, daß das Porträt sich in
dem Werk befindet, obwohl dies nur in solchen Källen zu-
trifft, in denen die Person durch die Kleidung (Uniform)
oder Teilnahme an einem bestimmten Vorgang kenntlich ge-
macht wird. Da aber das Werk an sich unteilbar ist, kann es
nur als Ganzes beurteilt werden. Wenn die angegebenen
Verhältnisse vorliegen, kann das ganze werk nicht als das
oder ein Bildnis der dargestellten Person bezeichnet werden.
Zweifelhaft kann der Kall sein, wenn ein Werk eine Gruppe
mehrerer bestimmter Personen darstellt. Ls wird unter Um-
ständen nicht leicht sein, hier zu unterscheiden, ob das Bildnis
als Porträtdarstellung der abgebildeten Personen anzusehen
ist, oder ob die Ausnahme der abgebildeten Personen im Ver-

hältnis zur selbständigen künstlerischen Aufgabe des Bildes
zufälliger Art ist.

Aus der Umgebung, der Charakterisierung der Personen, der
Veranlassung zur Schaffung des Werkes, dem Verhältnis des
malerischen Interesses zum Gegenständlichen, wird sich aber
in der Regel die Entscheidung finden lassen,
wenn der Gegenstand des Werkes sich auf die dargestellte
Person beschränkt, so wird unterschieden werden müssen,
ob der gegenständliche Zweck überwiegt, oder ein selbständiger,
das künstlerische Schassen bestimmender Zweck.

Letzterer Kall liegt namentlich vor bei der Karikatur, Hier tritt
vor dem Zweck der Identifizierung der Zweck der komischen
Wirkung, die durch eine Steigerung der charakteristischen Ele-
mente über das Maß der Naturwahrheit erzielt wird. Die
Wirkung der Karikatur geht nicht auf Verdeutlichung der Züge
des Abgebildeten, sondern darüber hinaus auf Erzeugung
assoziativer Vorstellungen.

Verwandt mit der Karikatur ist die stilisierte Abbildung,
z. B. zum Zwecke der Anpassung an eine architektonische
Gliederung (so z. B. bei Brunnenfiguren usw.

Schließlich kann die Darstellung einer Person derart Gegen-
stand einer selbständigen malerischen Aufgabe werden, daß
das Interesse an der dargestellten Person vor dem künstlerischen
in den Hintergrund tritt, z. B. bei dem Problem der Licht-,
Luft- und der Karbenwirkung (Beispiel: die Rembrandtsche
Nachtwache).

Nach diesem Grundsätze sind auch Studienskizzen zu be-
urteilen.

Das verbot des § 22 bezieht sich nur auf die Verbreitung und
öffentliche Schaustellung.

Die Herstellung der Aufnahme und ihre Vervielfälti-
gung ist hiernach an sich zulässig, sofern letztere nicht aus
den Umständen als eine Vorbereitung zur Verbreitung und
Schaustellung anzusehen ist.

Das verbot beschränkt sich nicht auf die gewerbsmäßige Ver-
breitung, es fällt also auch das verschenken an Bekannte dar-
unter. Der häufigste Kall der Verbreitung ist der der Ver-
öffentlichung in Zeitungen oder Zeitschriften.

Das öffentliche Zurschaustellen umfaßt jede Verfügung
über die Aufnahme oder deren Vervielfältigung, durch
welche sie dem Anblick des Publikums preisgegeben wird.
Hierunter ist also namentlich das Vorführen und Zurfchau-
stellen auf Ausstellungen oder in Schaufenstern zu verstehen;
auch ein solches in Schaukästen, die an dem Publikum zugäng-
lichen Brten stehen, in Torwegen, Hotels, Bahnhofshallen usw.
Was sich innerhalb des umfriedeten Privateigentums beftndet
und nicht von außen gesehen werden kann, ist nicht öffent-
lich, so das Atelier des Künstlers und das Innere von
Ladengeschäften. Regelmäßig handelt es sich hierbei nur
um die Ateliers und Läden der Hersteller der Aufnahme,
da sonst eine Verbreitung vorläge.

Die Verbreitung oder öffentliche Schaustellung eines Bild-
nisses ist nur dann unzulässig, wenn sie ohne Einwilli-
gung des Abgebildeten erfolgt.

Ist der Abgebildete nicht geschäftsfähig, werden seine Ver-
treter oder seine Angehörigen die Erlaubnis erteilen können.
Ist aber der Abgebildete geschäftsfähig, so hat nur er die Ein-
willigung zu erteilen; also nicht der Ehemann einer abgebildeten
Krau, sondern nur diese selbst.

Die Einwilligung kann ausdrücklich oder stillschweigend
erteilt werden.

Kunst und Handwerk. 64. gahrg. hefl JO.

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