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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft VIII (August 1909)
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Schwarz, E.: Das Zeichnen in der Volksschule und seine Verwertung im Unterricht, [1]: Vortrag des Herrn Zeichenlehrers E. Schwarz Karlsruhe, gehalten am 23. Mai d.J. bei der Generalversammlung des badischen Zeichenlehrervereins in Gengenbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0128

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kreisförmigen Anordnung der Kerne um die Mitte als ornamentales Motiv gut ver-
wendbar ist.
So gehen wir von Stufe zu Stufe weiter bis zum Dar st eil en der körper-
lichen Greg en stände.
Hier liegt, das können wir ruhig sagen, der Stein des Anstosses für die
meisten Lehrer! Das Darstellen körperlicher Gegenstände setzt die Kenntnis
perspektivischer Erscheinungen voraus. Die meisten Menschen haben, wenn wir so
sagen dürfen, gar kein perspektivisches Bewusstsein!
Was heisst perspektivisch sehen? Perspektivisch sehen heisst: sich von der
Wirklichkeit losmachen und den Schein wahrzunehmen verstehen.
Wir haben von allen Dingen, von allen Erscheinungen ein wirkliches Bild
in der Vorstellung; wir sehen aber mit unsern Augen nicht dieses wirkliche Bild,
sondern wir sehen in allen Er—schein—ungen nur den Schein der Wirklichkeit.
Alle Erscheinungen der Natur sind vergänglich, sind also nur ,,Schein“ ; aber
das, was in diesem Schein wirklich, unveränderlich und ewig ist, das Gesetz-
mässige, das
wirkliche Sein
im Schein, das
müssen wir zu er-
kennen suchen; wir
müssen bestrebt sein,
in allem Schein, in
allem V ergän glichen
das Unvergängliche,
das Gesetz heraus-
zufinden.
Und die Schüler
können nur dann
perspektivisch sehen
und richtig zeichnen, wenn sie die perspektivischen Gesetze verstehen!
In manchen Lehrplänen heisst es: die perspektivischen Verkürzungen und Verschie-
bungen seien gefühlsmässig zu zeichnen ! Das ist ein Unding! Sie werden auch nicht ge-
fühlsmässig rechnen und sagen lassen: 6x7 ist ungefähr 40 oder: 4 x 7 ist 25!
Wie vermögen wir es aber, die Schüler diese perspektivischen Gesetze erkennen
und verstehen zu lernen?
Ich will Ihnen einen Weg zeichnen, der sicher ans Ziel führt. Wir beginnen
den Unterricht in Perspektive in einem geschlossenen Baume. Die Schüler stellen
sich am Anfang des langen Ganges (oder Schulzimmers) auf und schauen gegen
das andere Ende.
Zunächst sind die 3 Begriffe: Augenhöhe, Augenstrahl und Augen-
punkt zu erläutern.
1. Was ist die Augenhöhe? Die Augenhöhe ist eine in der Höhe
der Augen liegende Ebene. Diese gedachte Ebene kann sich ringsum ins Un-
endliche ausbreiten. Da, wo sie im Baum an einer Wand aufstösst, bildet sie eine
wagrechte Linie. Es merkt sich jeder Schüler seine Augenhöhe, d. h. die Linien
an den Wänden, auf welche die Ebene gleichsam a^ufstösst, sich projiziert.
Wir können die Augenhöhe, also die in der Höhe der Augen liegende Ebene
auch so veranschaulichen: es bricht jemand auf dem Eise ein und zwar so tief,
dass seine Augen in gleicher Höhe mit der Eisfläche liegen. In diesem Falle bildet
die Eisfläche die Augenhöhe des Schülers.
Die Augenhöhe verändert sich, sobald ich die Höhenlage meiner Augen ver-
ändere. Sie steigt oder fällt, je nachdem ich mich auf- oder abwärts bewege.
Wir vergleichen jetzt die Augenhöhe, d. h. die Entfernung derselben vom
Boden mit der Ganghöhe; sie beträgt der Ganghöhe. Die Festsetzung der
Augenhöhe ist sehr wichtig! Die Türhöhe beträgt doppelte Augenhöhe; die Ganghöhe
dreifache Augenhöhe; die Gangbreite doppelte Augenhöhe. Die Augenhöhe ist
also zugleich Vergleichsmass!
 
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