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Professor Friedrich Tieck's Standbild von Friedrich
Wilhelm dem Zweiten, für die Stadt Ruppin.

Von Amalie von Helvig, g e b o r n e n F r e i i n von
2 m h o f.

Es gehört zu den erfreulichen Zeichen unserer Zeit,
daß ein Gefühl für höhere Leistungen der Kunst erwacht,
und von den Hauptstädten unsers deutschen Vaterlandes
ausgehend, bereits dahin gedrungen ist, wo sich früher
schwerlich irgend eine Spur davon Nachweisen ließ. Sah
man in jenen wohl die Standbilder ruhmwürdiger Könige
und Helden sich erheben, so genügte es dem Ehrgeitz der
Provinzialstadt, irgend einen Gypsabguß des gegenwärti-
gen Regenten zu besitzen, ja, meistens fand sich allgemeiner
Kunstsinn, wie des Einzelnen Patriotismus, mir den, wohl
oder übel gelungenen Bildnissen großer Regenten im Ku-
pferstiche ab; da denn noch jezt den Reisenden hie und da
deren'wohlbekannte, hochverehrte Zuge in gespenstiger Aehn-
lichkeit oder karrikirter Entstellung in Gast - und Posthäu-
sern wohl begegnen; ein Uebelstand, der in dem Maaße
abnehmen dürfte, als sich andere, nach guten Meistern
lithographirte Bildnisse immer mehr verbreiten.

So viel uns bekannt, gewann seit dem lezten Decen-
nium Wittenberg zuerst eine höhere Knnstzierde in dem
,Standbilde Luthers, welches nach des Direktors Schadow
geist- und kraftvoll gearbeitetem Modell in Erz gegossen,
sammt dem aus Eisen, in gothischem Geschmack darüber
angebrachten Baldachin, jener Stadt ein so würdiges, als
bedeutsames Geschenk königlicher Großmuth für ferne Jahre
ward. Bald darauf ging Blüchers Statue, ebenfalls in
Erz, ans desselben Künstlers Atelier nach Rostock, dem
Geburtsort des Helden, welcher dieses Ruhmes würdig,
sich ihn hierdurch bei der Nachwelt in edelster Weise ge-
sichert. Breslau sah demnächst den kühnen Marschall hoch
in Mitte eines seiner schönsten Plätze sich nach Prof.
Rauchs Modell in stolzem Erz erheben, wo der Held,
wie Schreiberin dieses mit Ergötzen sah, von stattlichen
Gezeiten rings umgeben, noch über ein Feldlager sein
„Vorwärts!" auszurufen scheint, nur mit dem Unter-
schiede, daß dieses Lager dort den friedlichen Reichthum
schlesischer Wollbesitzer enthielt, von denen Mancher der
in den kriegerischen Reihen dem tapfer» Führer einst
gefolgt, jezt nicht ohne Rührung nach dessen Standbild
aufblickt.

In gleichem Sinne gab letzlich von treuer, langbe-
wahrter Dankbarkeit die Stadt Ruppin ein rührendes
Zeugniß. Im Jahre 1788 war sie ganz abgebrannt. Von
diesem, damals unerhörten Unglück gerührt, verwandte
König Friedrich Wilhelm der Zweite, Vater des jezt re-
gierenden Monarchen, beträchtliche Summen zum Wieder-
aufbau derselben und zur Unterstützung ihrer Einwohner.

Nach vierzig Jahren sah sich Ruppin endlich im Stande,
der königlichen Milde ein Denkmal-Fr, errichten und beauf-
tragte dem zu Folge den Professor Tieck, eine Statue
Friedrich Wilhelm des Zweiten in Bronze auszuführen.
Sie ward im Monat August d. I., am Jahrestage des
Brandes, dort ausgestellt. Auch an dieser Arbeit bewährte
sich des Künstlers Gabe, den gegebenen Gegenstand zu-
gleich charakteristisch und edel aufzufassen, indem es Prof.
Tieck gelang, die ganze Eigenthümlichkeit des Königs in
einer Statue darzustellen, welche den Ausdruck ruhiger
Milde bedingte. Das Standbild hat etwas über 6 Fuß
Höhe, und zeigt die, im Leben dem König eigne würde-
volle Haltung, zwanglos und mit etwas aufgehobenem
Haupte, wie der Künstler glücklicher Weise den Monarchen
selbst zu sehen Gelegenheit gehabt. Das große Auge, die
freie SÜrn, verrathen Geist und lebendigen Antheil; ja,
wie der Künstler es nicht verschmähte, als etwas Bezeich-
nendes, drei große, flach auf Wange und Oberlippe sicht-
bare Warzen beizubehalten, gefiel er sich nicht minder, die
ausgezeichnet schönen, edel geformten Hände mit wahr-
hafter Liebe nachzubilden, indem die Rechte, mit sanfter
' Bewegung, gleichsam den Klagenden Thcilnahme zu sichern,
sich gegen den Beschauer öffnet. Weich faßt die Linke,
seitwärts über dem Degengefäß, den auf der rechten Schul-
ter geknüpften Hermelinmantel, welcher den Oberleib be-
deckend, im Rücken herabfällt. Glücklich löste der Künst-
ler hier seine schwere Aufgabe, die kriegerische Bekleidung
einer früheren Periode mit dem Königsschmuck in Ein-
klang zu bringen, und den Wenigen, die der Schrecken
des Brandes eingedenk, noch leben, werden des königlichen
Wvhltbäters bekannte Züge jenen Augenblick lebhaft zu-
rückrufen, wo er Rnppins Bewohnern als ein Schutzengel
erschien. Die Statue wiegt 18 Zentner, wurde vom Ci-
seleur Fischer ciselirt, und erhielt ein Postament von in-
ländischem, schön geschliffenem Granit, worin die Bronze-
tafel mit einfacher Inschrift eingelassen ward. Die freu-
dige Begeisterung, welche die Aufstellung am Orte ihrer
Bestimmung erregt, ward in öffentlichen Blättern mitge-
theilt, und es bleibt hiebei uns nur der Wunsch übrig,
daß es dem Künstler nie an Veranlassung fehlen möge,
den Verein tiefen Studiums und geistvoller Erfindung
in öffentlichen Kunstwerken zu bewähren, wie er fast noch
Jüngling dies bereits vor dreißig Jahren bei der groß-
artigen Ausschmückung der Haupttreppe und Vorhalle des
großherzoglichen Schlosses in Weimar dargethan, in welche
Zeit unter mehreren höchst gelungenen Büsten auch die
von Goethe im kräftigen Mamzesalter gehört, welche,
nächst großer Naturwahrheit, das ideale Gepräge eines
Dichtergeistes trägt, den seine Verehrer, wie die Nach-
welt, unstreitig am'liebsten in der vom Alter noch un-
angetasteten Form höchster menschlicher Ausbildung ver-
ewigt sehen müssen.
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