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die warme Luft des Südens empfinden wir mit, so wie
die Kälte des nordischen Elses.

Die Historien- und auch die Thiermalerei bedürfen
eines bestimmten Inhalts ihrer Schilderung, von dem
man sich Rechenschaft geben kann; die Landschaftsmalerei
verlangt einen solchen zwar nicht, allein sie erheischt dage-
gen: daß die Mannichfaltigkeit der abgebildelen Gegen-
stände sich zu einem Ganzen vereinigen, dessen Anschauung
auf irgend ein Gefühl des Betrachtenden rückwirke. Die-
ser, ans dem harmonischen Innern des Gemäldes her-
vorgehende Eindruck hat seinen Grund in der Wahlver-
wandtschaft, welche sich zwischen der Natur und dem Men-
schen, insonderheit in gewissen stetigen Zuständen der er-
stem mit ähnlichen der leztern, findet. Was in den
Tageszeiten der Morgen, Mittag, Abend und die Nacht
find, das findet in den Jahreszeiten als Frühling, Som-
mer, Herbst und Winter, die dem unempfänglichsten Ge-
müthe schon verständliche Wiederholung, und wie Morgen
und Frühling die Jugend des Menschenlebens, Mittag
und Sommer die greife der männlichen Jahre, Abend und
Herbst dem Greisenalter bedeutungsvoll entsprechen; so
der Winter und die Nacht der endlichen Erstarrung des
Lebendigen und dem Tode. Und wie in den drei ersten
die Entwicklung und die Hoffnung, die Ruhe und Klar-
heit, das Hinwelken und die Schwermut!) sich ansdrücken,
so in dem lezten die Zerstörung und das Dunkel des
Grabes.

In dem großen, regelmäßigen Gange der Natur se-
hen wir dieselbe keine scharfen Gränzen ziehen, noch we-
niger plötzliche Uebergänge machen; nichts geschieht sprung-
weise, vielmehr zeigt sich überall ein allmähliges Verfließen
aus einem Zustand in den andern. Es knüpfen sich die
Jahreszeiten leise an einander; der Nacht und dem Mor-
gen geht erst die Dämmerung voran; eben so reihen sich
die Stufenjahre der Menschen unvermerkt an einander,
und sanft geht ein Alter mit seinen Eigenthümlichkeiten
in das andere über. Allein die ausgebreitetste Landschaft,
in die wir Hinausblicken, ist immer nur ein unendlich
kleiner Tbeil des Naturlebens, und in diesem Einzel-
nen werden wir, weil unser Blick das Ganze weder zu
überschauen noch cs zu durchdringen vermag, oft schnelle
Wechsel bemerken. Sturm und Stille, Siegen und Son-
uenschein, Wolkengrau und blauer Aether andern unter
sich und damit zugleich die Physiognomie derselben Ge-
gend; so wie, allgemeiner betrachtet, diese in ähnlicher
Weise ein anderes Ansehen im zarten Grün des Frühjahrs
und im gelbrothen Kleide des Herbstes gewinnt. Wenn
wir nun in allen diesen wechselnden Zuständen dennoch
die feststehende Ordnung des großen Ganzen nicht verken-
nen ; so ist es doch nicht selten, daß sich einzelne andere
Erscheinungen zeigen, in denen ein anscheinender Umtausch

der alten Gesetzmäßigkeit vorgegangen, und die dadurch
bald beengend, bald erfreuend ans das Gemüth einwir-
ken: Plötzlich verdorrt die noch gestern frische kräftige
Pflanze und ein alter längst eingegangener Stamm beginnt
neue grünende Zweige zu treiben. Dem ähnlich verwandt
sehen wir wohl oft des Mannes Kraft gebrochen oder
tiefe Schwermut!) an der Lebensblüthe der Jungfrau nagen,
während im Greise wieder alle Heiterkeit der längst ent-
flohenen Jugend zurückkehrt. Und endlich, wie unter des
Winters weißer Decke schon zarte Blumen zu sproßen
beginnen, wie bei der schwärzesten Nacht doch Mond oder
Gestirne über den Pfad des einsamen Wanderers ein mil-
des Licht ansgießen; so erleuchten Vernunft und Glaube
auch des Grabes düstere Schatten.

Dieser innere Bezug zwischen dem Natur - und Men-
schenleben, wovon hier einige der bezeichnendsten Züge
hervvrgehoben wurden, muß sich aber in der Landschafts-
malerei ungezwungen kund lhun. Dieß wird am sichersten
geschehen, wenn es dem Maler vor Allem um Natur-
wabrheit seines Bildes zu thnn ist, woraus von selbst
jene freundliche, heitere, ernste, bedrohliche, trübe oder
beruhigende Stimmung zum Beschauer sprechend wird, in
die sich der Künstler bei der Schöpfung seines Werkes
versezt haben muß. Der größte aller Landschaftsmaler
C l a u d e - G e l«e, genannt l e L o r r a i n, hat nur nach ihr
gestrebt, und indem er sie, wie noch keiner sonst, in sei-
nen Gemälden erreichte, fand sich das andere wie von
selbst. Wenn wir einen von ihm gemalten Morgen be-
trachten, so sieht man, wie die erst kurz dem Horizont
entstiegene Sonne die lieblichen Dünste niederdrückt und
der über den Gewässern schwebende Thau sich in die Luft
verliert, während er noch auf Laub und Gras hastet. In
den Bächen rieselt zwischen grünen Matten sichtbar das
klare und fiüßige Element dahin, in welchem nur schwach
noch des Lichts Widerschein sich spiegelt, indeß sein gelb-
lich leuchtendes Spiel auf den vom sanften Winde leise
bewegten, feuchten Blättern zittert. Schatten und Lich-
ter brechen sich in den wundervollsten Reflereu und stellen
die Gegenstände und ihre Entfernungen unter sich in den
vollsten Anschein der wirklichen Verhältnisse. Eine sanfte
Ruhe ist über der ganzen Landschaft ausgebreitct und gießt
ein Bild des freundlichsten, friedlichsten Erwachens der
schlummernden Natur in unsere Seele.

Wenden wir uns jezt mehr zum Befondern der
landschaftlichen Darstellung, so finden wir sie in zwei,
auf das Oertliche bezügliche Zweige gelkeilt: die Erd-
und die Marin eMalerei. Für jene find die Bäume
mit ihrem mannichfachen Laube, der unendlichen Abstufung
der Farben, Lichter und Schatten; für diese ist das Was-
ser in seiner Durchsichtigkeit und flüßigen Beweglichkeit
hauptsächlichstes und schwierigstes Studium. Das leztcbx
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