N°. 59
u n ft - B l a t t.
Dienstag,
18. M a i i 8 3 o.
33 r u d; ft u cf e aus einer n o ch ungedruckten>
das ganze Gebiet der Malerei in ge-
drängter Kürze umfassenden, Schrift
von Arch i b a l d.
(Beschluß.)
Sep das Gemälde ein Land- oder ein See stück,
eine Aussicht in wirklich vorhandene oder idea-
lische Gegend, so muß dieselbe Charakter enthalten,
d. i. diejenige Eigenthümlichkeit, wodurch sie sich als ein
besonderer Theil des allgemeinen Erdlebens ausspricht und
demgemäß die ihr gehörige Bedeutung erhält- und sie
muß ferner in einer gewissen, das Gemüth ansprechenden
Lage (Situation) erscheinen. Jener liegt in jeder Ge-
gend in dem, was in ihr bleibend ist, wie in der be-
stiminten Form der verschiedenen unorganischen Gegen-
stände und der Pflanzenwelt, also den Gebirgen, Gewäs-
sern, Gewächsen, dem Himmel und gewissermaßen auch
der eigenthümlichcn Bauart der sie bewohnenden Völker.
Wir erkennen dadurch die Verschiedenheit zwischen dem
Hochlande der Schweiz, wo sich kühne, wild drohende
Größe verkündet, und den flachen Gefilden Hollands, wo
eine beschränkte, aber heitere Ruhe zu uns spricht, zwi-
schen den lachenden Küsten mit ihren glänzenden Hafen-
städten am reinen Spiegel des Mittelmeeres, aus dem
sich liebliche Inselgruppen erheben, und der ernsten, dü-
ster» Nordsee, deren dunkelgrüne Fluten unaufhörlich die
sandigen Dünen peitschen, oder gewaltig gegen die steilen
Felsen branden und schäumen. — Diese liegt im Ver-
änderlichen, in dem, was dem Wechsel langsamer oder
schneller unterworfen ist, und hängt oftmals mit dem Cha-
rakter der Landschaft innig zusammen. Die Schweiz, ivie
Holland, das Mittelmeer, wie die Nordsee, haben ihre
Jahres- und Tageszeiten, ihren Regen, Wind, Sturm
und das so stets wechselnde Spiel der Beleuchtung; allein
sie sind in diesen verschiedenen Erdstrichen auch sehr ver-
schieden gestaltet, und noch größer und auffallender wird
der Unterschied hierin bei anderen Welttheilen sehn. Da,
wo die Sonne, wie an Italiens Küsten, selten umschleiert
ist, wo eine wärmere Luft sich über die Erdrinde verbrei-
tet und .längs dem Meere hinweht, da ist der Ton der
Farben auch, warm und glänzend, alles malt sich mehr
im freundlichen Lichte, wo hingegen, wie an den Küsten
der Nordsee und über ihr selbst, dicke Wolken und auf-
steigende Dünste die Strahlen des Tagesgestirns, welche
hier so schon flacher fallen, als in mehr Aeguatornähe,
brechen und . bergen, da kann die Beleuchtung auch nur
gedämpft und grau fr»». Wenn dort die Sonne gleich-
mäßig erwärmt und erleuchtet, so ist hier es mehr, wo
sich der Sturm, Schnee und Regen geltend zu machen
weiß. Dies ist jedoch nur ganz im Allgemeinen gespro-
chen, wir wissen Alle, daß es auch sehr schöne Tage an
den Küsten der Nordsee und ebenfalls recht unangenehme
an denen des Mittelmeers geben kann, u. s. w.
Da die landschaftliche Natur selbst von Wesen der
verschiedensten Gattungen erfüllt ist, die ihr ein vermehr-
tes Leben mittheilen; so kann auch die Darstellung der-
selben der Landschaft nur zum Vortheil gereichen, es sc»
denn, daß es gerade ihrem Zwecke widerstrebe;, wie wenn
das Gefühl der Oede und Einsamkeit, z. B. am wesen-
leeren Strande oder in der Wildniß, erregt werden soll.
Mehrere Absichten können zur Staffirung (Staffage),
d. i. zur Belebung, der Gegend mit Figuren, veranlassen.
Die natürlichste ist, belebte Wesen in Einklang mit der
dargestellteu Natur zu setzen und dieser dadurch den vol-
len Reiz der Wahrheit zu geben. So die Thiere der
Jagd im Walde, ein einsamer Wanderer, ein holzhacken-
der Arbeiter, ein Jäger darin, oder am See der Fischer
auf seinem Kahne, in der Freie des Feldes der Landmann
in ländlichen'Beschäftigungen, die Viehheerde auf den
Wiesen, der Schäfer am Hange des Berges, Dann, beim
Prospekt besonders, wenn die Staffirung die Copie eines
Ereignisses war, wie der Aufzug, die Jagd, Revüe eines
großen Herrn; eine Schlittenfahrt, Scbrittschuhlaufen und
dergleichen. Endlich, wenn ihre Wahl und Anordnung
dahin geht, der Landschaft einen sogenannten poetischen
Werth anzubilden, welcher jedoch mit der eigentlichen
Poesie der Landschaft nicht verwechselt werden darf. Diese
leztere geht aus ihr selbst hervor, sie erzeugt den tieferen
Eindruck auf das Gemüth und die ihr gemäße Staffirung
u n ft - B l a t t.
Dienstag,
18. M a i i 8 3 o.
33 r u d; ft u cf e aus einer n o ch ungedruckten>
das ganze Gebiet der Malerei in ge-
drängter Kürze umfassenden, Schrift
von Arch i b a l d.
(Beschluß.)
Sep das Gemälde ein Land- oder ein See stück,
eine Aussicht in wirklich vorhandene oder idea-
lische Gegend, so muß dieselbe Charakter enthalten,
d. i. diejenige Eigenthümlichkeit, wodurch sie sich als ein
besonderer Theil des allgemeinen Erdlebens ausspricht und
demgemäß die ihr gehörige Bedeutung erhält- und sie
muß ferner in einer gewissen, das Gemüth ansprechenden
Lage (Situation) erscheinen. Jener liegt in jeder Ge-
gend in dem, was in ihr bleibend ist, wie in der be-
stiminten Form der verschiedenen unorganischen Gegen-
stände und der Pflanzenwelt, also den Gebirgen, Gewäs-
sern, Gewächsen, dem Himmel und gewissermaßen auch
der eigenthümlichcn Bauart der sie bewohnenden Völker.
Wir erkennen dadurch die Verschiedenheit zwischen dem
Hochlande der Schweiz, wo sich kühne, wild drohende
Größe verkündet, und den flachen Gefilden Hollands, wo
eine beschränkte, aber heitere Ruhe zu uns spricht, zwi-
schen den lachenden Küsten mit ihren glänzenden Hafen-
städten am reinen Spiegel des Mittelmeeres, aus dem
sich liebliche Inselgruppen erheben, und der ernsten, dü-
ster» Nordsee, deren dunkelgrüne Fluten unaufhörlich die
sandigen Dünen peitschen, oder gewaltig gegen die steilen
Felsen branden und schäumen. — Diese liegt im Ver-
änderlichen, in dem, was dem Wechsel langsamer oder
schneller unterworfen ist, und hängt oftmals mit dem Cha-
rakter der Landschaft innig zusammen. Die Schweiz, ivie
Holland, das Mittelmeer, wie die Nordsee, haben ihre
Jahres- und Tageszeiten, ihren Regen, Wind, Sturm
und das so stets wechselnde Spiel der Beleuchtung; allein
sie sind in diesen verschiedenen Erdstrichen auch sehr ver-
schieden gestaltet, und noch größer und auffallender wird
der Unterschied hierin bei anderen Welttheilen sehn. Da,
wo die Sonne, wie an Italiens Küsten, selten umschleiert
ist, wo eine wärmere Luft sich über die Erdrinde verbrei-
tet und .längs dem Meere hinweht, da ist der Ton der
Farben auch, warm und glänzend, alles malt sich mehr
im freundlichen Lichte, wo hingegen, wie an den Küsten
der Nordsee und über ihr selbst, dicke Wolken und auf-
steigende Dünste die Strahlen des Tagesgestirns, welche
hier so schon flacher fallen, als in mehr Aeguatornähe,
brechen und . bergen, da kann die Beleuchtung auch nur
gedämpft und grau fr»». Wenn dort die Sonne gleich-
mäßig erwärmt und erleuchtet, so ist hier es mehr, wo
sich der Sturm, Schnee und Regen geltend zu machen
weiß. Dies ist jedoch nur ganz im Allgemeinen gespro-
chen, wir wissen Alle, daß es auch sehr schöne Tage an
den Küsten der Nordsee und ebenfalls recht unangenehme
an denen des Mittelmeers geben kann, u. s. w.
Da die landschaftliche Natur selbst von Wesen der
verschiedensten Gattungen erfüllt ist, die ihr ein vermehr-
tes Leben mittheilen; so kann auch die Darstellung der-
selben der Landschaft nur zum Vortheil gereichen, es sc»
denn, daß es gerade ihrem Zwecke widerstrebe;, wie wenn
das Gefühl der Oede und Einsamkeit, z. B. am wesen-
leeren Strande oder in der Wildniß, erregt werden soll.
Mehrere Absichten können zur Staffirung (Staffage),
d. i. zur Belebung, der Gegend mit Figuren, veranlassen.
Die natürlichste ist, belebte Wesen in Einklang mit der
dargestellteu Natur zu setzen und dieser dadurch den vol-
len Reiz der Wahrheit zu geben. So die Thiere der
Jagd im Walde, ein einsamer Wanderer, ein holzhacken-
der Arbeiter, ein Jäger darin, oder am See der Fischer
auf seinem Kahne, in der Freie des Feldes der Landmann
in ländlichen'Beschäftigungen, die Viehheerde auf den
Wiesen, der Schäfer am Hange des Berges, Dann, beim
Prospekt besonders, wenn die Staffirung die Copie eines
Ereignisses war, wie der Aufzug, die Jagd, Revüe eines
großen Herrn; eine Schlittenfahrt, Scbrittschuhlaufen und
dergleichen. Endlich, wenn ihre Wahl und Anordnung
dahin geht, der Landschaft einen sogenannten poetischen
Werth anzubilden, welcher jedoch mit der eigentlichen
Poesie der Landschaft nicht verwechselt werden darf. Diese
leztere geht aus ihr selbst hervor, sie erzeugt den tieferen
Eindruck auf das Gemüth und die ihr gemäße Staffirung