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seiner Hand bekannt ist. Denn von keinem einzigen jener
angeblichen Werke des Scopas läßt sich mit Gründen Nach-
weisen, daß solche achte Werke seiner Hand, oder auch nur
Nachbildungen nach denselben ssepen. —

Jene., erhobene Arbeit, ehemals in der Villa Borg-
hese nun in Paris, von etwa 2z Palm in der

Höhe, welche eine Mänade vorstellt und worauf die Her-
ausgeber Winckelmanns sich vorzüglich stützen, ist ein bloßes
-Bruchstück eines sonst größcrn Werks, welches, wie es
scheint, ein Chor von Bachanten oder Mänaden darstellt,
wie man mehrere dergleichen.Werke in , der Villa Aibani
und im Museo Vaticano aufbewahrt findet, welche sich in
Stellungen und Formen fast immer wiederholen. Dieses.
Bruchstück nun, welches der moderne Ergäuzer, wie es
scheint, erst zu einem -selbstständigen Werke, zugearbeitet
hat, gibt man für.eine Nachahmung nach jener Vachanlin
von Scopas aus, welche Kallistratns beschrieben *").
Allein, auch-. abgerechnet, daß es noch nicht, eiumal erwie-
sen ist, ob jene Beschreibungen .des Kallistratus, so wie
die. des' Philostratus..auch wirklich als treue Schilderungen
einst vorhandener, Kunstwerke anzuerkennen, oder nicht
vielmehr als bloße rednerische Aufgaben zu. betrachten
sind li5)., durch welche solche ihr Talent als. Sophisten

t‘4) Sculture delPalazzo dellst Villa Borghese. Tom.I.
Tab. 14.

lü) Siche des Kallistratns Beschreibung.. der Statuen.
Pl. 2. '

> 4 4) Bei jedem unbefangenen, aufmerksamen Leser der er-
wähnten Beschreibung der Gemäidc-Gallerie, welche von
den beiden Philostraten vorhanden, so wie jener der Bild-
säulen des Kallistratus. werden, so wie bei mir unwill-
kührlich dieselben Zweifel anfsteigen. Denn es sind der
Stellen so viele darin, bei welchen man durchaus nicht
begreifen kann, wie alles daS, was daselbst gesagt wird,
in einem Kunstwerk enthalten - sehn, könne. Mi vielen
Stellen ist es geradezu unmöglich- indem Widersprüche -
darin Vorkommen, die, auch angenommen, daß bei diesen
Gemälden mehrere Momente der Handluug zugleich in
einem Stücke seycn enthalten gewesen, dennoch der ge-
snnden Vernunft -und dem Vermögen der Kunst durch-

- aus zuwider sind. — Vor andern vom Philostratus an-
geführten Gemälden mögen nur zum Beispiel dienen:
der Bosphorus, die Tyrrhenier, die Schweinsjagd ». a.
— Es läßt sich daher, meiner Meinnng nach, nichts an-
ders annehmen, als daß diese Beschreibungen der Philo-
straten und des Kallistratus entweder blos erdichtet, oder,
wenn auch solche nicht -ganz aus der Lust gegriffen, den-
noch durch den übertriebenen, allznblumigcn Vortrag und
eingemischten Unsinn so entstellt worden styen. daß solche
keineswegs mehr als treue Schilderungen wirklich vor-
handener Kunstwerke zn nehmen sind, und folglich in
diesem Betracht auch nicht sehr darauf zn bauen ist. —
Die gleiche Bewandtniß hat es auch mit der Beschreibung
der Bildsäulen vo:n Kallistratus. Nur mit dem Unter-
schied, dag, da hier von Bildsäulen, nicht aber von Ge-
mälden die Rede.ist, also deri Stoff seiner Natur nach
zn solchen rednerischen Phrasen-und. phantastische» Ueber-

zu zeigen suchten, so trifft elbst diese erhobene Arbeit
nicht einmal mit jener Beschreibung des Kallistratus über-
ein. Denn hier heißt es ausdrücklich, sie habe nicht den
Thprsus geschwungen, sondern ein geschlachtetes Thier,
welches die Gestalt der Ziege gehabt, getragen. Da doch
in dem Dorghesischen Bassorilievo jene Bachantin mit ei-
nem Thyrsus in. der Rechten und statt der Ziege mit dem
Vordertheil eines Hirsches oder Rehbockö in der Linken
vorgestellt ist. Ferner spricht Kallistratns von einer run-
den Bildsäule, nicht aber von einem Bassorilievo, wie
jene Borghesische Bachantin. ist, welches im Wesen dieser
Sache einen sehr bedeutenden Unterschied macht. Denn
eine. Stellung, welche für eine runde, freistehende Bild-'
faule berechnet ist, kann zu einem Bassorilievo schwerlich
taugen, und so umgekehrt. Man versuche .es z. B. einen
Laokoon, einen dorghesischen Fechter, eine mediceische Ve-
nus, einen Apollo von Belvedere rc. in Bassorilievo zu
übertragen, und cs wird gewiß etwas sehr Schlechtes und
.Ungereimtes herauskommcn. Die Sache ist aber leicht zu
begreifen, wenn man nur bedenkt, daß in - diesen - beiden
Zweigen -der Plastik ein ganz verschiedenes Prinzip herrscht"
.und herrschen Muß, wenn was Gutes herauskommen soll.
.Eine runde freistehende Bildsäule muß, wenn sie ihren
Zweck erfüllen soll, von allen-Seiten dem Auge-eine-schöne,
gefällige Ansicht gewähren; folglich muß die Bildsäule so
angeordnet, und müssen alle Glieder so gegen einander ab-
gewogen sepn, daß dem Beschauer nicht alles auf einmal,
sondern von jeder Seite eine neue Schönheit zur An-
schauung geboten werde, ohne daß er diesen Kunstgriff
-selbst bemerke. — Bei den Figuren in Bassorilievo dage-
gen ist alles' blos für eine einzige Ansicht zn berechnen
und zu bearbeiten; dabei sind die Stellungen also an-
zuordnen, daß alle Glieder sich gefällig dem Hintergrund
anschmiegen, ohne Veranlassung zu Verkürzungen zu geben;
daher sind für erhobene Arbeiten Figuren von der Seiten-'
.ansicht immer die besten und zweckmäßigsten. — Wollte
inan also annehmen, ebenbenannte Bachantin der Villa
Borghese, welche in Bassorilievo gearbeitet ist, sey eine
Nachbildung jener Bachantin des Scopas, welche Kalli-
stratus als eine runde Bildsäule beschrieben, so muß man
nothwendigerweise eine Uebertragting vom völlig Runden
in Bassorilievo voraussetzen, ein Unternehmen, welches
unmöglich ohne beträchtliche Veränderungen geschehen
konnte. Was läßt sich also von einer solchen freien Ueber-
tragung in einer Größe pon 2 h Palm für ein Schluß

treibungcn weit weniger geeignet war, auch die Beschrei-
bung derselben nicht so blühend und üppig ausfallcn
.konnte, als der Philostraten Beschreibung. der Gemälde.
Unterdessen' hat auch Kallistratus, trotz des weniger gün-
stigen Stoffs, sein Möglichstes gethan, und ist auch hierin
hem Philostratus nichts schuldig geblieben.
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