Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 287

verschönerte Natur, man ist versucht bei ihrem Anblicke
zu sagen: „Sprecht doch."

Christoph Cvlumbus kömmt aus dem von ihm ent-
deckten Welttheile zurück, und bietet Ferdinand und Isa-
bellen, den Herrschern von Spanien, einen Haufen Be-
wohner und die seltensten Produkte jener Gegenden an.
Der Monarch und seine Gattin sind aufrecht, der berühmte
Reisende steht reich gekleidet vor ihnen. Ein Bischof ist
an der Seite der Königin; Granden, Soldaten umgeben
sie, und bezeigen Neugierde, Staunen und Bewunderung
bei dem Anblicke des Goldes und des Silbers, das junge
Pagen darreichen; andre tragen Papageyen, eine große
Menge Menschen füllt den Hintergrund des Bildes. Man
hat den Maler deßhalb getadelt, daß er im Vordergründe
zwei sehr hübsche Pagen angebracht hat, die mit einem
großen Affen spielen, der, wie man sagt, die Aufmerksam-
keit auf sich ziehend, sie von dem Hauptgegenstande ab-
wendet. Es ist möglich, daß Kinder und Frauen sich ein-
zig mit dieser kleinen Gruppe beschäftigen; aber der Mann
von Geschmak wendet seine Blicke nur dann dahin, wenn
er das Ganze des Bildes aufgefaßt hat, und zur Prüfung
der einzelnen Lheile übergeht.

Diese reiche Ausgabe, von dem Professor Pelagio
Palagi ausgeführt, konnte eine gute Wirkung nicht ver-
fehlen. Ungeachtet der großen Anzahl von Figuren, wo-
raus dieses große, nach Genua bestimmte Bild besteht,
herrscht keine Verwirrung darin. Man bemerkt Mannich-
faltigkeit in den Stellungen, in den Phystonomien, und
man muß um so mehr den Meister loben, da nichts Dra-
matisches in dieser Scene ist, keine Leidenschaft die Bewe-
gung der Personen leitet, die Füße und Hände hier nichts
zu thun haben, denn der allgemein und vorherrschende Ein-
druck ist die Neugierde und ein ruhiges Erstaunen bei
dem Anblicke dieser Neuigkeiten. Es kann hier keine Hand-
lung statt finden, ausser einigen Zwisten unter der Menge
wegen zertretener Füße, oder durch den Ungestüm derer,
die nichts sehen können, oder der üblen Laune von Leuten,
die sich zurückdrängen. Mehr kann bei einer ähnlichen Ge-
legenheit nicht Vorfällen. Hr. Palagi zeigt sich in seiner
Zeichnung korreckter, als sein Genosse Hapez, obgleich sein
Bischof, der auch zu lang ist, ein an lezrerem begangenes
Plagiat zu seyn scheint. Sehr schön ist der Gegensatz der
Farbe der Amerikaner zu der der Europäer: obgleich man
unter diesen neuen Völkern uns schöne Frauen zeigt, gibt
die Kupferfarbe ihres Fleisches dem weißen und rosenfar-
benen Teint Jstibellens und der beiden spielenden Pagen
nur einen erhöhten Werth. Der Kopf des Kolumbus ist
voll Würde, und kann den des Königs in den Schatten
stellen. Die Draperien sind schön, und alle Nebensachen
verdienen eine besondere Betrachtung; nur hat die bösar-
tige Verführung des Brillanten Herrn Pelagio

dahingerissen, der Königin ein langes Kleid von rei-
nem Ultramarin und von einem Svnnenstrahle lebhaft
beleuchtet zu geben, was den Augen so wehe thut,
als wenn ein Sonnenstrahl durch ein farbiges Glas
fällt. Dies zerstört nvthwendig die Harmonie des Ge-
mäldes.

Es ist uns leid, noch sagen zu müssen, daß dieser
Maler bei so vielem Verdienste die perspektivischen Linien
zu studiren allzusehr vernachläßigt, oder vielmehr, daß
er sich dabei in Verlegenheit befindet; man wird sich des-
sen erinnern, was wir voriges Jahr von seinem Newton
sagten. Die absolute Stellung einer Person, die sich
vor einer andern bückt, indem sie mit ihr spricht, ist
auf der Linie, die von ihren Füßen aus die Mitte der
Person, der sie sich vorstcllt, trifft, wenn kein noth-
wendiger Gegenstand sie zwingt, von dieser Linie ab-
zuweichen. Christoph hingegen ist in diesem Bilde viel
zu weit über diese Liuie hinweg, nach vorwärts zu, was
wir unfern Lesern auf folgende Weise bemerkbar machen
wollen. Nehmen wir ein Z ; Ferdinand und Jsabella
nehmen die äußern Spitzen des ersten und zweiten

Schenkels ein, wo die zwei Seiten des V auslausen;
der absolute Platz des Kolumbus wird an der Spitze
des > seyn, um im Angesichte der beiden Souveraine
zu stehen zu kommen; und nach den Regeln der Kon-
venienz hatte er aus Ehrfurcht für die Königin die un-
tere Spitze des zweiten (obern) Schenkels einnehmen
sollen. Hr. Pelagio hat ihn aber, selbst für die Zeich-
nung ungeschickt, dem ersten (untern) Schenkel gegen-
übcrgestellt. Um nun mit dem Könige in dieser Stel-
lung zu sprechen (da der Haupt-Gesichtsstrah! zwischen
sie genommen ist) müssen wir Kolumbus nur vom Profile
sehen, anstatt volle drei Viertel wie hier, und wenn die-
ser Reisende den Monarchen die Amerikaner zeigen will,
muß er doch wohl hinterhalb seyn, um diese Gruppe frei
zu lassen. Denn, da sie auf den Stufen niederknieen,
worauf ver Thron ruht, werden sie den ganzen Raum
zwischen den beiden Schenkeln unseres S einnchmen. Es
ist nun augenscheinlich, daß Cvlumbus, auf den ersten
Schenkel gestellt, nicht mit der Hand auf sie weisen kann,
weil sie hinter ihm sind. Wie viele unsrer jetzigen Ma-
ler verletzen nicht in ihren Werken die ersten Grundsätze
einer Wissenschaft, ohne die, sagt Leonardo da Vinci, man
nicht Maler ist!

(Die Fortsetzung folgt.)

Vermischte N ci ch r i ch t c n.

Canova's Gruppe der Piet», das einzige Werk,
welches dieser Künstler in Gyps hinterlassen hat, ist
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen