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N°. 73.

K u n st - B l a t t.

Dienstag, 14. S e p t e m b c r 1 8 3 0.

Ucber die Kunstwerke des königlichen Landhauses
Ro sc nstc i n bey Stuttgart.

Erster Bericht.

In dem reizenden Mittelpunkte seines Landes auf
einer mäßigen Anhöhe zwischen Stuttgart und Cannstadt
hat König Wilhelm von Württemberg das Landhaus Ro-
senste in erbaut. Von dessen architektonischen Verhält-
nissen hat ein früherer Jahrgang des Kunstblatts berich-
tet. Mag man sich von dem Lustschlvffe eines Fürsten
einen Begriff machen, welchen man immer wolle; so ließe
eS sich doch nur mit Umgehung sowohl der nächsten Ten-
denz des Erbauers als der localen Verhältnisse der Um-
gebungen behaupten, daß dieses Gebäude der Bestimmung
und Würde einer königlichen Wohnung nicht entspreche.
Die bey aller Pracht, namentlich der Innern Thelle behaup-
tete Einfachheit ist ein Erforderniß aller wahren Baukunst,
die von den Griechen das große Gesetz der Mäßigung ge-
lernt bat. Der Umstand insbesondere, daß nicht mehrere
Stockwerke übereinander sich erheben, geht aus der Absicht,
ein Landhaus zu besitzen, hervor und wird durch die Ab-
tragung aller schroffen und höheren Punkte des Hügels
gerechtfertigt, so daß nun die ganze Anhöhe, so wie das
naheliegende Neckarthal von dem Hanse beherrscht wird;
während allerdings der Berg in seiner früher» Gestalt
eine ganz andere Anordnung der architektonischen Verhält-
nisse gefordert haben dürfte. Auf mich wenigstens hat
das Landhaus Rosenstein diesen wohlgefälligen.Eindruck
gemacht, als ich, aus dem Vaterlande der modernen Ar-
chitektur in den Norden heimgekehrt, das kaum errichtete
Gebäude sah; und da ich mir der Gründe dieses natürli-
chen Wohlgefallens bewußt zu werden suchte, so wurde die
Uebcrzengung im Ganzen nur noch gewisser, lieber das
Einzelne zu urtheilen, stehet mir nicht zu, nachdem ein
früherer Berichterstatter den Plan des König!. Hofbau-
meisters Salucci mitgetheilt und erklärt hat. Dem
Wunsche der Redaction gemäß, will ich dagegen den Bei-
trag der übrigen bildenden Künste zur Verherrlichung die-
ses schönen Landsitzes darstcllen. Denn es ist wohl der

rühmenden Anerkennung werth, daß der Rosenstein ein
kleines Museum vaterländischer Kunstwerke ist, welche zum
Theil selbst dem Gebäude unmittelbar und ursprünglich
angehören, zum Theil durch des Königs Vorliebe in des-
sen Gemächern ausgestellt sind.

Die zwei größeren Frontons, welche auf der östli-
chen und westlichen Seite des Landhauses stehen, enthalten
Reliefs mit Darstellungen aus der griechischen Mythe von
Helios und Artemis Selene. Die Höhe beträgt 8' 4",
die Länge 42^2". Die Compvsitionwar dem Maler Diete-
rich, die Ausführung in Stein dem Hofbildhauer Distel-
bartl) und dem Bildhauer Ludwig Mack übertragen.

Auf dem östlichen Fronton ist der Sonnenaufgang ge-
schildert. Der Gott ist so eben auf seinem mit den vier
Sonnenrossen bespannten Wagen aus der Meeresfluth auf-
gestiegen. Sein wallender Mantel ist vor der linken Schul-
ter zusammengehalten. Er steht mit jugendlicher Kraft
und Fülle da und halt sorglos ruhig die Zügel des Vier-
gespanns. Unmittelbar vor ihm, über den schäumenden
Pferden, schwebt der Genius des Morgensterns mit bren-
nender Fackel als der Vorbote des allerleuchtenden, aller-
freuenden Tages. In ernster Haltung sitzt am Strande
der Gott des Neckars, mit kräftigem Körperbau, langem
Barte und schilfbekränztem Haupte. Er hält das Ruder
in der einen Hand, in der andern das Horn des Ueber-
flnsses, in welchem allerlei Früchte seines Thales gesammelt
sind. Weiter zurück sind zwei Knaben auf dem Wiesen-
grunde mit dem frühen Morgen wach und streiten sich um
einen Blumenkranz; — Bild der frühen Lust und Sorge
des Menschenlebens wie der Schönheit und des üppigen
Reichthums dieser Landschaft. Gegen das rechte Ende dcS
Frontons hingegen sieht man zwei Hirten, von welchen
der eine, jüngere, ruhig sitzend den emporsteigenden Mor-
gen begrüßt, der andere eine Ziege melkt, hinter welcher
drei Lämmer warten, um zu gleicher Gabe dem Hirten zu
dienen. Während so die Menschen den kommenden Tag
empfangen, wird auf der andern Seite der Wagen des
Sonnengotts von den Horen begleitet, welche Blumen
niederstreuen. In leichten Berührungen und Umarmun-
gen schweben sie um Apoll. Am jenseitigen Ufer sitzen
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