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fühl, die Furcht einen Vater zu sehen, der sein Kind op-
fern kann, wenn seine unglückliche Hand dem Pfeil eine
falsche Richtung gibt. Hat aber der Künstler hinlängliche
Mittel, den Ausdruck der Furcht auf den Gesichtern so vie-
ler Zuschauer, zudem bei einer so ruhigen Handlung, ab-
zuwechseln? .... Lassen wir dieß, denn man erwartet
von uns nicht Lehren, sondern einen Bericht über die
Werke unserer Künstler. Als Landschaft hat dieses Bild
nichts Hervorstechendes, und überdieß findet man darin
nicht das Erhabene, das die Natur in manchen Kantonen
der Schweiz hat, und doch sollte gerade hier die Natur
porträtirt sepn.

Obgleich das Bild des Hrn. Palagi, genannt die Si-
bplle, uns nur halbe Figur zeigt, muß es nichts destowe-
niger zur historischen Klasse gezählt werden. Dieser Frauen-
kopf hat die Schönheit und de» Charakter, die einem he-
roischen Sujetzukommen; das Colvrit entspricht auch dem-
selben, es ist nervig und ernst.

Nun kommt ein Schüler Palagio's, welcher den vor-
gezeichneten Weg, die Zwangs-Laufbahn moderner Gegen-
stände verfolgt. Glänzende Waffen, Mäntel, mächtige auf-
gebauschte Aermel (ä la mode), Stickereien rc.

Barnabo Visconti wird auf Befehl seines Bruders
Galeazzo Visconti, Grasen von Virtu, dem er enkgegen-
gegangen war, zum Gefangenen gemacht, (er kam in sei-
nem Gefängniße um). Dieß ist der Gegenstand eines Bil-
des von fünf Fuß Breite, von Vitale Sala gemalt.
Barnabo, schon im Alter vorgerückt, reitet auf einem weis-
sen Maulthiere; er ist in einen langen gelben OTocE gekleidet,
den ein breiter goldgestickter rother Gürtel znsammenhälr,
an dem zugleich sein Degen hängt. Sein Haupt ist mit
einer Hermelin verbrämten Mütze bedeckt. Er hat einen
schwarzen Bart und hält mit der Linken eine Art Scepter.

In geringer Entfernung vor ihm ist Galeozzo, der
ein rothbraunes Pferd reitet. Einer seiner Diener zu Fuß
hat das Maulthier Varnabo's bei dem Zügel erfaßt, und
zeigt mit der linken Hand an, daß er den Befehlen seines
Herrn gehorche; er hat einen Pagen zu Boden geworfen,
der das Maulthier führte, und noch die Zügel hält. Ein
Anführer von der Partei) Galeazzv's, in golddamaszirter
Rüstung, dessen Helm ein goldener Busch ziert, ergreift
mit der Linken Barnabo, während er mit seinem Säbel
bewaffnet, sich gegen einen Krieger vertheidigt, welcher
gleichfalls zu Pferde, den Herzog befreien will, der sich
zwischen beiden befindet. Ein andrer Krieger zu Fuße hat
Barnabo's linken Arm ergriffen, und will ihm das Sccp-
ter entreißen. Das klebrige besteht ans dem Gefolge der
beiden Fürsten. Hinter Galeazzo, der auf Verrath geson-
nen hatte, befinden sich mehr Soldaten, als bei Barnabo,
der mit vollem Zutrauen ihm entgegen gekommen war.
Der Maler hat dieß gut aufgesaßt. Letzterer ist nur von

zwei Wachen und von Bürgern und Frauen als neugieri-
gen Zuschauern begleitet. Der Hintergrund bildet eine
Haus Mauer mit einem steinernen Balkone, der mit Zn-
schauern angefüllt ist. Hier findet jenes dramatische In-
teresse statt, welches der Einbildungskraft des Malers und
Beschauers den freien Spielraum gibt. Hr. Sala hat
dieß gut zu benutzen gewußt; es herrscht Bewegung und
eine angemessene Unordnung darin, alle Personen handeln,
nichts ist müßig. Die Costüme sind die jener Zeit, die
allgemeine Harmonie wird nicht durch glänzende Farben-
Particn gestört, obgleich alles brillant ist. Aber der junge
Maler hat die Erfahrung großer Meister mehr zu Rathe
gezogen, als die Meinung einer Menge, die nur zu starke
Eindrücke, selbst auf Kosten des guten Geschmackes ver-
langt. Die Köpfe sind von schönen Formen und schönem
Ausdrucke; Barnabo ist edel, und flößt zugleich Ehrfurcht
und Mitleid mit seinem Schicksale ein, (Galeazzo ließ ihn
im Gefängnisse umbringen; damals sühnte man Verbre-
chen mit Geschenken an die Kirche). Galeazzv's Kopf hat
ganz den Charakter eines Tyrannen.

(Die Fortsetzung folgt.)

Vermischte Nachrichten.

Hr. Odevaere,-dessen Tod wir bereits angezeigt
haben, wurde in Brügge am 2. Oktober 1778 von ausge-
zeichneten Aeltern bürgerlichen Standes geboren. Seine
ersten Studien machte er auf der Schule seiner Vaterstadt.
Er wollte eben die Universität Löwen beziehen, als die
Revolution ausbrach, welche dort die Lehrstühle zerstörte.
Er widmete sich deshalb der Handlung, verließ diesen Be-
ruf aber bald wieder, um ganz der Malerei zu leben. Zn
Brügge mit dem Preis gekrönt, gieng er. im Jahre 173s
nach Paris, erhielt daselbst im Jahre 1804 den großen
Preiß der französischen Schule zu einer Reise nach Rom.
> Bei seiner Rückkehr von dort, 1812, empfing er aus Na-
! pvleons eigner Hand die große goldene Medaille. Als er
bei wiederhergestellter Ordnung sein Vaterland in Unab-
hängigkeit wußte, ließ er sich dort nieder. Im I. 1817
wurde er mit dem belgischen Löwenorden geziert und zum
correspondirenden Mitgliede des National-Instituts er-
nannt. Später wurde er Mitglied der berühmten Akade-
mie des heiligen Lukas in Rom, und der königlichen Ge-
sellschaften der schönen Künste in Gent, Brüssel u. s. w.
Er empfing eine Ehrenmedaille aus der Hand Sr. Maj.
des Königs von Preußen. Gerade vor seinem Ende war
er im Begriff, ein Werk über die Fortschritte des Ver-
falls der Künste (sur 1 cs progres de la de'cadence des

aris) herauszugeben.
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