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N°. 74

K u n st - B l a l l.

Donnerstag, 16. September i 8 3 o.

Ucbcr die Kunstwerke des königlichen Landhauses
Rosenstein bey Stuttgart.

(Fortsetzung.)

Eine weitere plastische Arbeit findet man im Innern
des Landhauses Rosenstein. Die prachtvolle Gallerie,
von sechzehn gelbmarmvrirten Säulen getragen und durch
die schönen Frescomalereien von Gegenbauer und
Gutekunst verherrlicht, enthält einen Fries von 5' 4"
Höhe und 228' im Umfang, dessen Gegenstand, ländliche
Beschäftigungen in den vier Jahrszeiten, von dem könig-
lichen Inspektor der Eisengießerei zu Wasser-Alfingen,
Weitbrecht, noch vor seinem Aufenthalte in Rom, mit
der höchsten Naturwahrheit und mit ächt antikem Geiste
erfunden und in Gyps ausgeführt worden ist. Umrisse
nach diesem Werke werden in der I. G. Cotta'schen
Buchhandlung*) erscheinen und vorerst den Frühling und
Sommer in sich begreifen, ersteren auf zwölf, letzteren
auf achtzehn Blättern in Querfolio; doch find hier meh-
rere Zeichnungen mitgegeben, die, obgleich sie von dem-
selben Werthe der Compofition und Darstellung wie die
übrigen sind, doch, ohne Zweifel wegen der nvthwendigen
Beschränkung des übrigens weiten Raumes, auf dem
Rosen st ein nicht zur Ausführung gelangen konnten.

Der Frühling beginnt mit dem Tränken und Aus-
führen der Schaafe, die, langsam und säumend, des lvk-
kenden Hirten und eines hilfreichen Treibers zur Fortbe-
wegung bedürfen, während aus dem nahen Bauernhause
eine Mutter ihr früherwachtes Kind zum Fenster heraus-
hält, um an den Lämmern sich zu erfreuen und nach ih-
nen zu greifen. Das Vieh wird im Stalle gefüttert und
drauf inS Joch gespannt. In der Stube wascht eine
Mutter ihr Wiegenkind, und neben ihr bindet der Knabe
seinen Schuh. Das Mädchen hat dem Geflügel sein Fut-

") Die vier Jabrszeiten, eine Folge laendlicher Dar-
stellungen, cotnponirt und grössten Theils in basre
lief ausgeführt als Fries in dem Königlich Württem-
bergischcn Landhaus Kosenstein von Conrad Weit-
brecht. Stuttgart und Tübingen, in der J. G.
Cotta’schen Buchhandlung.

ter vorgestreut und sammelt rings die frischgelegten Eier.
Mit Pflug und Egge sind die Landleute im Felde geschäf-
tig. Die Frauen besorgen den Garten. Mädchen tanzen
unter blühenden Bäumen, und dem kleinen Liebling drückt
die ältere Schwester den ersten Kranz des Jahres auf
die Stirne; Knaben schneiden sich Pfeifen ans Weiden-
zweigen. So das muntere, rührige, launige Frühlings-
leben.

Strengeres fordert der Sommer; darum treibt
frühe der Landmann seine Rosse und sein Vieh zur
Schwemme, dem vergnüglichen Schauspiele der Dorfju-
gend. Die Kühe geben ihre Milch im Stalle, und sorg-
sam wehrt die Mutter dem Knaben, daß er näher her-
zutrete und sich, um sein Becherchen mit Milch füllen
zu lassen, an die Hinterfüße der Kuh stelle. Im Freien
werden die Kirschen gebrochen; Knaben sind im Fischfang
am Bache begriffen. Das Oehmd und die Fruchterndte
beschäftigt Aller Hände. In feierlichem Zuge mit Bän-
dern und beym Klange der Schalmei) wird der volle Gar-
benwagen beimgebracht, und wenn die Schnitter während
der heißen Tages-Arbeit nur kurze Rast genommen hat-
ten , um sich zu stärken zu neuer Mühe; so feiern die
Jünglinge und Mädchen nunmehr Abends den Sicheltanz
in heimischen Weisen, die Alten sitzen beym Glase und
freuen sich der schön vollbrachten Erndte und des reichen
Segens. Leichter und anmuthiger sind die Besorgungen
des Gartens. Diese begießen den Kohl, jene brechen fri-
sche Bohnen; das Kind aber liegt sorglos unter der Jo-
hannisbeerstaude und meint Alles zu haben, weil ihm die
Beeren so rasch und leicht vom Zweige zum Munde gehen.

Im Herbste werden zuerst die Baumfrüchte einge-
than und der beizende Obstwein bereitet. Zwischen dich-
tem Weinlanb schneiden sie die Trauben, die ein munte-
rer Knabe in durchlöcherter Kufe tritt. Ein jubelnder
Zug schäckernder Winzer und Winzerinnen bewegt sich
unter Musik und beim Fackeltanze spät nach Hause. Die
getretenen Trauben sind zur Kelter gebracht; der Most
wird gepreßt und versucht. Aber noch ist nicht alle Ar-
beit des Feldes vollbracht. Die Kartoffeln werden müh-
sam im rauhen Winde herausgehackt; der Pflug geht über
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