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N°. 76

Kunst-Blatt.

Donnerstag, 23. September i83o.

Uebcr die Kunstwerke des königlichen Landhauses
Rosenstein bcy Sruttgart.

(Fortsetzung.)

Treten wir in die große Gallerte zu dem Mahrchen
von Amor und Psyche. In vierzehn Darstellungen ist das-
selbe enthalten. Die Kuppel faßt zwei in sich; viere sind
auf den die Kuppel tragenden Dreiecken gemalt; acht be-
finden sich an der übrigen Wölbung des Saales, je vier
zu der einen und anderen Seite des Kuppelgemäldes. Diese
letzteren acht sind von Gutekunst, Kuppel und Dreiecke
hingegen von Gegen bau er cvmponirt und gemalt. Der
geschichtlichen Reihefolge gemäß will ich sie hier anfführen.

No. i, von G ut ekun st, 2' 8" hoch, 6' 8" lang.
In einem Rosenhaine sitzt Psyche als Kind zwischen einem
Knaben und einem Mädchen, welche ihr als der schönsten
und lieblichsten unter ihres Gleichen huldigen. Der Knabe
drückt einen Kranz von Rosen auf das niedliche Haupt
der Königstochter, während ihr das Mädchen einen Spie-
gel zu seliger Selbstbeschaunng vorhält.

No. 2, von demselben, mit gleicher Höhe und Länge.
Venus, über die Schönheit der jungfräulich aufgeblühten
Psyche erbittert und auf die ihrer Schönheit von allen
Seiten her dargebrachte göttergleiche Verehrung eifersüch-
tig, gebietet ihrem Sohne, das sterbliche Mädchen zu züch-
tigen und ihr Liebe zu dem Niedrigsten unter den Men-
schen einzuflößen. Die Göttin sitzt auf einem Rasen, hin-
ter dessen Gebüsche ihr Wagen und nach der andern Seite
eine schöne Landschaft gesehen wird. Die beiden Tauben
ruhen in der Nähe. Der Groll der Eifersucht und des
gekränkten Stolzes, der gereizten Eitelkeit flammt aus
den Blicken der Mutter, während sie nach der Gegend
hindeutet, in welcher das Opfer ihres Haffes gefunden
werden möge. Amor, ihres Winkes in kindlicher Unbe-
fangenheit gewärtig, bewegt unwillkührlich auch seine Linke
nach dem Lande, wo c.-^der MutterStrafurtheil anPsyche
vollstöben soll.

No. 3, von demselben, eben so hoch und lang. Psyche
sitzt aus dem Felsen, nach welchem sie in Folge des Orakel-
spruches von ihren königlichen Aeltern und Geschwistern

gebracht worden ist, um dem unbekannten, jedoch als
Ungeheuer geschilderten, Bräutigam preisgegeben zu wer-
den. Nicht in banger Furcht — denn wovor soll die Un-
schuld sich fürchten? — nein! getrost erwartet die Harm-
lose die Ereignisse der Zukunft. Aber schon fliegt auf des
Liebesgottes Geheiß Zephyr herbei, der sie auf weichen Ar-
men forttragen und im einsamen Thale niedersetzcn soll,
wo sie Alles, was die Sinne begehren mögen, findet,
von geheimen Stimmen als Herrin des Palastes begrüßt
und von unsichtbaren Händen bedient wird. Unter dem
grünen Vorsprunge des Felsen, auf welchem die Verlassene
ruht, breitet sich das Meer auö und ferne Gebirge wer-
den sichtbar. Zephyr öffnet die Arme, um seinen Auftrag
zu vollbringen.

No. g, von demselben, eben so hoch und lang. Psyche
hat von ihrem unsichtbaren Gemahl die Erlaubniß erhalten,
ihre beiden Schwestern, die im nahen Gebirge um die
Vermißte klagten, bei sich anfznnehmen und mit ihnen
die Herrlichkeit zu theilen, die der Einsamen keinen vol-
len Genuß gewähren konnte. Hier nun sitzt Psyche zwi-
schen ihren Schwestern im Lorbeerhaine; rechtshin öffnet
sich eine Aussicht nach der prachtvollen Zauberwohnung,
die ihr gehört. Die neidischen Schwestern sind eben in voller
Thätigkeit der Zunge, der glücklichen Vorgezogenen ihr
Glück als Elend zu schildern, so lange ihr Gatte ein Ge-
helmniß für siebleibe oder wenn er gar ein wirkliches Unge-
heuer sey, undsie durch dringendes Zureden dahin zu bringen,
daß sie seine Gestalt entdecke und den Schlafenden tödte.
Psyche sieht ernst und traurig, von den Reden der beiden
schon halb gewonnen, vor sich hin, und diese bedeuten
durch ihre Bewegungen die Zudringlichkeit wie den In-
halt ihrer Worte.

No. 5, eines der Dreiecke von Gegenbauer, wovon
jeder Schenkel s>' beträgt. Die von ängstlicher Neugierde
gequälte Psyche schleicht auf leisen Zehen mit Lampe und
Dolch herbei, das Ungeheuer zu schauen und zu vertilgen,
und findet — den Liebling der Götter und Menschen.
Wenn sie ihn auch an der Schönheit der Gestalt und Ge-
sichtszüge nicht erkannt hätte, so dürfte ihr beim Anblick
des Bogens und Köchers am Boden und der Flügel, die
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