Nr. 64.
K u n st -
Donnerstag, den
Nachrichten auS Rom.
Overbeck hat endlich die Decke des Zimmers m
der Villa Massimi bey S. Giovanni in Lateran», das
er mit Vorstellungen «ns 'dem Befreiten Jerusalem des
Torquato Tasso aus malen soll, vollendet. Obgleich
dieses erst die Hälfte der ganzen Arbeit ist, da auch
noch die Wände auszuschmücken sind., so ist es doch schon
der Mühe werth einiges darüber zu sagen; denn diese
Hälfte gibt nicht nur schon -einen Begriff vom Plan des
Ganzen, sondern bildet auch an und für sich etwas Geschlos-
senes. Wie anziehend durch die originelle Auffassung und
Darstellung eines Theils des Gedichts, wie gelungen in der
Ausführung, -wie reizend und wohlthuend dem Auge die'
schöne Anordnung-, wie erfreulich die richtige schöne Zeich-
nung des Nackten und die geschmackvolle -Drapiruug —
dieß läßt sich sreylich nicht, zum-wenigsten nur sehr unvoll-
kommen mit Schrtstzcichen auödrücken; -davon sey -daher
hier nicht die Diebe, sondern ich will mich nur begnügen
im Allgemeinen den Plan des Ganzen anzugeben und die
einzelnen Vorstellungen, welche nun vollendet sind, beson-
ders zu erwähnen, ohne zu sehr durch Beschreibungen und
Mittheilung gehabter Eindrücke, ins Breite zu verfallen,
welches nur ermüdet, ohne zur Sache als historische Nach-
richt im geringste» etwas beyzutragen.
Im Allgemeinen sey hier bemerkt, daß es bey der
Frescomalercy wesentlich ist, sie so dem-gegebenen Lora!
anzupaffkn, daß ein innerer nothwrndiger Zusammenhang
zwischen bcvden statt findet, aus dem der Organismus des
Ganzen hervorgeht, so zerfällt bep dieser Arbeit in der
Villa Massimi der Raum zunächst in zwey-Hauxttheile:
die Decke und die untern Wände. Für die Decke nun hat
es der Künstler weislich als passend gehalten, das Leichtere,
Unwesentliche in dem Gedichte herausziiheben; theils da-
mit das Wichtigere für die Wände bliebe, theils damit
jene selbst nicht zu sehr das Auge auf sich ziehe. In der
Decke also sind die Episoden des Gedichts dargestellt, und
da diese vier cingestochtene weibliche Gestalten darbieten,
so sind diese auf die vier Hauptfelder der Decke vertheilt.
Nämlich so: auf dem ersten erscheint Sofronia wie sie mit
Blatt.
9. August 182 1.
Olind soll verbrannt werden; auf dem zwepten die Er-
minia, die ans ihren verliebten Irrfahrten zu der Hirten-
familie kommt; aus dem dritten die Armida, welche den
Rinaldo auf ihrer Zauberinsel gefesselt hat; auf dem vierten
die Civr.nda, wie sie von Tancred die Taufe erhält.
Daß bey dieser Verkyeiiung nicht die Zeitfolge des Ge-
dichts beobachtet ist, 'wird 'Niemand anstößig finden, wel-
cher bemerkt-, daß der Künstler, eindringend i» das geistige
Wesen und die Gegencinanderstellung der Cvaractere die-
ser Episoden, sich bey der Localität veranlaßt gefunden bat,
durch die Stelle, welche er einer jeden Vorstellung ange-
wiesen har, diese Absicht des Dichters dem Sinne recht
fühlbar zu machen. So ist hierin den einander gegenüberste-
henden Feldern die-profane Liebe der Armida in Gegensatz
mit der reinen himmlischen Liebe der Märtyrin Svsro-
nia 'gebracht. Und die zeitliche Ruhe der Erminia, welche
die Stillung ihrer Leidenschaft in der abgeschiedenen Natur
findet, in Gegensatz zu der endlichen Ruhe in Gott dev
der begeisterten Heldin -Clorinda. Ein fünftes Feld, das
oben in der Mitte den Schlußstein bildet, enthält in der
allegorischen Darstellung des befrepten Jerusalems gleichsam
die Synopse des Ganzen. Es stellt eine weibliche Figur
auf einem bischöflichen Stuhle sitzend vor, welche die Rolle
der im Gedicht beschriebenen Geschichte entwickelt und dank-
bar ihr Haupt gen Himmel wendet; zwey Engel lösen
ihr die Fesseln ab, wodurch sie in fremder Gewalt gehalten
ward. Diese vortreffliche allegorische Figur hatte in der
Ausstellung l8iy durch den Zarton schon allgemeinen Bep-
fall erhalten. Nicht minder gelungen ist die Darstellung
der Aufnahme der Erminia bey den Hirten und des ruhi-
gen gemüthvollen Zustandes eines schuldlosen einsamen
Landlebens; oder der zauberisch üppigen Umgebung, wo
Armida den Rinaldo durch ihre Reize gefangen hält, wo
allerliebste Amorinen ihr Spiel mit dessen Rüstung und
Waffen treiben, muthwillige Nymphen sich baden und
schäckern und nur die zwey Helden das Ungeheuer bestrei-
ten, um ihren Waffenbruder ans den zauberischen Ban-
den zu lösen;-und nun das Gemälde, wo Softonia mit
Olind auf dem Scheiterhaufen stehet, den Märtyrtod er-
wartend ! — aber Clorinda als eine wundersame Heldin
K u n st -
Donnerstag, den
Nachrichten auS Rom.
Overbeck hat endlich die Decke des Zimmers m
der Villa Massimi bey S. Giovanni in Lateran», das
er mit Vorstellungen «ns 'dem Befreiten Jerusalem des
Torquato Tasso aus malen soll, vollendet. Obgleich
dieses erst die Hälfte der ganzen Arbeit ist, da auch
noch die Wände auszuschmücken sind., so ist es doch schon
der Mühe werth einiges darüber zu sagen; denn diese
Hälfte gibt nicht nur schon -einen Begriff vom Plan des
Ganzen, sondern bildet auch an und für sich etwas Geschlos-
senes. Wie anziehend durch die originelle Auffassung und
Darstellung eines Theils des Gedichts, wie gelungen in der
Ausführung, -wie reizend und wohlthuend dem Auge die'
schöne Anordnung-, wie erfreulich die richtige schöne Zeich-
nung des Nackten und die geschmackvolle -Drapiruug —
dieß läßt sich sreylich nicht, zum-wenigsten nur sehr unvoll-
kommen mit Schrtstzcichen auödrücken; -davon sey -daher
hier nicht die Diebe, sondern ich will mich nur begnügen
im Allgemeinen den Plan des Ganzen anzugeben und die
einzelnen Vorstellungen, welche nun vollendet sind, beson-
ders zu erwähnen, ohne zu sehr durch Beschreibungen und
Mittheilung gehabter Eindrücke, ins Breite zu verfallen,
welches nur ermüdet, ohne zur Sache als historische Nach-
richt im geringste» etwas beyzutragen.
Im Allgemeinen sey hier bemerkt, daß es bey der
Frescomalercy wesentlich ist, sie so dem-gegebenen Lora!
anzupaffkn, daß ein innerer nothwrndiger Zusammenhang
zwischen bcvden statt findet, aus dem der Organismus des
Ganzen hervorgeht, so zerfällt bep dieser Arbeit in der
Villa Massimi der Raum zunächst in zwey-Hauxttheile:
die Decke und die untern Wände. Für die Decke nun hat
es der Künstler weislich als passend gehalten, das Leichtere,
Unwesentliche in dem Gedichte herausziiheben; theils da-
mit das Wichtigere für die Wände bliebe, theils damit
jene selbst nicht zu sehr das Auge auf sich ziehe. In der
Decke also sind die Episoden des Gedichts dargestellt, und
da diese vier cingestochtene weibliche Gestalten darbieten,
so sind diese auf die vier Hauptfelder der Decke vertheilt.
Nämlich so: auf dem ersten erscheint Sofronia wie sie mit
Blatt.
9. August 182 1.
Olind soll verbrannt werden; auf dem zwepten die Er-
minia, die ans ihren verliebten Irrfahrten zu der Hirten-
familie kommt; aus dem dritten die Armida, welche den
Rinaldo auf ihrer Zauberinsel gefesselt hat; auf dem vierten
die Civr.nda, wie sie von Tancred die Taufe erhält.
Daß bey dieser Verkyeiiung nicht die Zeitfolge des Ge-
dichts beobachtet ist, 'wird 'Niemand anstößig finden, wel-
cher bemerkt-, daß der Künstler, eindringend i» das geistige
Wesen und die Gegencinanderstellung der Cvaractere die-
ser Episoden, sich bey der Localität veranlaßt gefunden bat,
durch die Stelle, welche er einer jeden Vorstellung ange-
wiesen har, diese Absicht des Dichters dem Sinne recht
fühlbar zu machen. So ist hierin den einander gegenüberste-
henden Feldern die-profane Liebe der Armida in Gegensatz
mit der reinen himmlischen Liebe der Märtyrin Svsro-
nia 'gebracht. Und die zeitliche Ruhe der Erminia, welche
die Stillung ihrer Leidenschaft in der abgeschiedenen Natur
findet, in Gegensatz zu der endlichen Ruhe in Gott dev
der begeisterten Heldin -Clorinda. Ein fünftes Feld, das
oben in der Mitte den Schlußstein bildet, enthält in der
allegorischen Darstellung des befrepten Jerusalems gleichsam
die Synopse des Ganzen. Es stellt eine weibliche Figur
auf einem bischöflichen Stuhle sitzend vor, welche die Rolle
der im Gedicht beschriebenen Geschichte entwickelt und dank-
bar ihr Haupt gen Himmel wendet; zwey Engel lösen
ihr die Fesseln ab, wodurch sie in fremder Gewalt gehalten
ward. Diese vortreffliche allegorische Figur hatte in der
Ausstellung l8iy durch den Zarton schon allgemeinen Bep-
fall erhalten. Nicht minder gelungen ist die Darstellung
der Aufnahme der Erminia bey den Hirten und des ruhi-
gen gemüthvollen Zustandes eines schuldlosen einsamen
Landlebens; oder der zauberisch üppigen Umgebung, wo
Armida den Rinaldo durch ihre Reize gefangen hält, wo
allerliebste Amorinen ihr Spiel mit dessen Rüstung und
Waffen treiben, muthwillige Nymphen sich baden und
schäckern und nur die zwey Helden das Ungeheuer bestrei-
ten, um ihren Waffenbruder ans den zauberischen Ban-
den zu lösen;-und nun das Gemälde, wo Softonia mit
Olind auf dem Scheiterhaufen stehet, den Märtyrtod er-
wartend ! — aber Clorinda als eine wundersame Heldin