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u n st

l a t t.

Donnerstag, den A» Z a n u a r i g z 2»

in- ■■iiiTimnaba

Vorwort zum dritten Zahrg

Wenn wir diesem neuen Jahrgang unsres Blaits ei-
nige Gedanken über das Verhalt» iß her allge-
meinen Bildung zur Kunst »orauzustellen versuchen,
so möchte dem, weicher mit dem Wesen der Kunst vertraut
ist, vielleicht überflüssig scheinen, über einen an sich klaren
und unbestreitbaren Gegenstand zu sprechen. Niemand
wird leugnen, daß die Kunst nothwendig zur Menschen-
bildunq gehöre, ja daß sie vom Stande derselben das sicher-
ste Zengniß ablege. Die Kunst ist ja die höchste Blüthe
des menschlichen Geistes, di: Wirkung einer Fähigkeit,
welche, von dep.Ahnung des ftrbiidlichen und Ewig-Schv-
uen durchdrungen, dem Geistig-Anschaubaren Form gibt
und hie Elemente des Wahren und Guten in ihren Schö-
pfungen vereinigt. In so fern wird auch die Wissenschaft
in ihrer Vollendung zur Kunst, da ihr Organismus, ihre
lebendige Fortbildung ein Werk des Formenfinns und der
Cvnstruction ist, welche aller Kunstthäligkeir zu Grunde
liegt. Die eigentliche, die schöne Kunst aber erhalt ihr Da-
scpn vermittelst des Formensinns durch jene tiefe Selbst-
bewegung des lpöhern menschlichen Lebens, .welche Plato als
das Wesen der Seele bezeichnet, dnrch jene eingepflanzke Sehn-
sucht, welche sich selbst unbewußt zum Göttlichen empor-
zuheben strebt. Daher geht der Zweck der Kunst nicht auf
die bloße Form an sich, sondern darauf, im Gemüthe des-
sen, welcher sich ihren Gebilden nähert, dieselbe Bewegung
zu verursachen, und ihn dadurch zu gleicher Ahnung des
Hetzern gelangen zu lassen.

Alles Ahnen des Höher» aber ist seiner Natur nach re-
ligiös, weßhalb alle Poesie, Musik und bildende Kunst ur-
sprünglich von der Religion ausging, und in ihrem höchsten
Schwung immer wieder zu ihr, ihrem Urquell zurückkehren
muß. Wenn nun die wahre Bildung des Menschen keine
andere sepn kann, als die, welche das in ihm liegende Gött-
liche und Ewige zu entwickeln und über das irdische Ele-
Menc herrschen zu mache» strebt, so kann sie eben von nichts
«nderm, als auch von der Religion ihren Anfang nehmen,
Und schließt somit die Kunst in ihr Gebiet nothwendig ein.

Indem wir aber von Bildung sprechen, ist die allmäh-

ang des Kunstblatts 1822»

lige Entwicklung derselben mit allen ihren Motiven wohl
zu unterscheiden vom Resultace, der vorhandenen Bildung,
welche man als ein zwar ebenfalls nicht Stillstehcndes, aber
doch bereits Geformtes, Erworbenes, unglücklicherweise
auch wieder zu Verlierendes, zu betrachten hat. Jene Ent-
wicklung der Bildung eines Volks geschieht allmählich,
dnrch seine Anlagen , seine Einrichtungen, seine äußeren
günstigen Verhältnisse; sie breitet sich aus über einem festen
Grunde, dem Gefühl des Göttlichen. Diese errungene
Bildung ist ein Getriebe vieler in einander greifender Rä-
der, ein verwickeltes Werk, an welchem oft Grund und
Anfang nicht mehr erkennbar sind, und welches daher in
seiner fortgehenden Bewegung leicht eine andere Richtung
nimmt, andere Wirkungen hervorbringt, als es ursprüng-
lich anzuzeigen schien.

Vertauschen wird das Bild eines tobten Getriebes mit
dem eines lebenden organischen Wesens, an welchem das
Wohlbefinden, der Wachsthum, .die gedeihliche Entwick-
lung des Ganzen förderlich für jeden Theil, und eben so
der kranke Zustand, die Mangelhaftigkeit eines Theils schäd-
lich für das Ganze wird, so ist damit im Allgemeinen das
Verhältnis' der Bildung zur Kunst und der Kunst zur Bil-
dung angedeutet.

Poesie und Musik finden sich fast bey jedem Volke ;
sie sind wie das Roth auf den Wangen und der Glanz
im Auge des Kindes; ihr Mangel ist ein Zeichen der Krank-
heit, der fehlerhaften Organisation, und ein Beweggrund,
an glücklicher Entwicklung zu zweifeln. Die bildende oder
zeichnende Kunst, und von dieser sprechen wir hier allein,
wird wenigeren Völkern zu Theil, auch ohne sie haben
manche einen gewissen Grad nicht ungünstiger Entwick-
lung erreicht. S«e ist gleich der Wohlgestalt, gleich
Ebenmaaß und Schönheit, welche dem gesunden blühen-
den Körper erst wahren Reiz verleiben, und den Men-
schen als Ebenbild Gottes äußerlich bezeichnen.

Wo nun die geniale Kraft eines Volks in seiner Ent-
wicklung auch die bildende Kunst ins Leben ruft, da
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