Nr. Zi-
K n n st - B l --ß t t
Dsnuersing, den 2.7. Z n n t 1 8 s L«
Nachrichten aus Rom.
Mai i 8 r 2.
Bey der Bekanntmachung und Beurtheilung von Kunst-
werken, besonders lebender Künstler, rst es wohl eine der
ersten Eigenschaften, welche den wahrhaft kunstrerstan-
digen und die Sache liebenden Man» bezeichnen, wen» er
bey den Werten, welche einige Erwähnung verdienen mehr
-von dem Guten, welches er darin findet, als von dem Feh-
lerhaften redet; mehr sich des Gelingens in der Ausfüh-
rung d-ssen erfreut, was ans der Seele des Künstlers ge-
flossen ist und zu dem verständigen Beschauer spricht, als
sich bei) dem Mangelhaften des Einzelnen aufyäit. Denn
daß alle menschliche Werke unserer Natur nach mangelhaft
sepn müssen und ein Fehler leichier zu finden, als zu ver-
meiden sey, ist eine bekannte Sache; allein das wird zu
wenig bedacht, daß der wahre Kenner sich hauptsächtlich im
richtigen Lobe zeigt: denn da muß er in den Geist des
schaffenden Künstlers und in den geistigen Werth des Wer-
kes eindringen, muß zum wenigsten einigermaßen Kennt-
nisse des Technische» in der Kunst besitzen, um nicht in
ein salscheS oder schwärmerisches Lob zu verfallen. Etwas
anderes ist es, wenn ein Kunstkenner in der Werkstätte
des Künstlers sich befindet; dort kann er nicht aufrichlig
genug mir ihm, und in Liebe und Bescheidenheit, über das
Fehlerhafte in seinem Werke sprechen; und solfte es diesem
selbst anfänglich unangenehm sepn, atu Ende weiß er es
ihm doch Dank; auf jeden Fall aber hat der wahre, die
Kunst liebende Kenner eine schwere Pflicht erfüllt. In sol-
chen Fällen sreplich, wo des Gute» in einem Werke so we-
nig im Verhältniß zum Schlechien ist, daß nur der Tadel
vorherrschen kann, mag das Schweigeu als Gesetz gelten.
Wenn ich nun bisher in diesen Blättern mehr lobend
als tadelnd gesprochen, oder mehrcres ganz mit Stillschwei-
gen übergangen habe, so ist cs hauptsächlich aus oben an-
gegebenen Gründen gescheh.n. Es gibt indessen Fälle, wo
diese Regel eine Ausnahme erheischt und wohl um so mehr
zur Pflicht wird, wenn cs die Ehre der Sache gilt und die
Wahrheit gegen Unkenntniß und Anmaßung muß geschüzr
werden. Und ein solcher Fall scheint mir bey der Bericht-
Erstattung der unter ziemlich pomphaft gemachter An-
zeige ausgestellten Bilder einzutreten, welche von dem rus-
sischen Grasen von Gourieff für die Summe von ungefähr
3o,ooo Franken bey solchen Malern sind bestellt wor-
den , die man in den Zirkeln der vornehmen Welt zu Rom
häufig als die des ersten Rangs in ihrem Fache betrachtet.
Bon den hiesigen niederländischen Landschaft- und Vieh-
Malern wird selbst behauptet, daß sie noch im Besitz der
achten Art ihrer Landsleute des isten Jahrhunderts feycn;
da indessen der Vergleich damit etwas ganz anderes zeigt»
so wird hinzugefügt, daß sie eben durch die Erfahrungen
bis auf unsere Zeit diese Kunst noch vervollkommnet hät-
ten! — Doch ich will jezt von ihren ausgestellten Werken
berichten und dann in Kürze angeben, worin die gänz-
liche Verschiedenheit ihrer Malerei) und der Kunst ihrer
schätzbaren Vorgänger liegt.
Von Voogd, welcher von Natur mit wirklichem Ta-
lent für die Kunst ausgestattet ist, waren zwei) große Land-
schaften mit Vieh ausgestellt. Obgleich erstere bestimmte
Gegenden um Nom darstellcn und wenigstens eine Skizze
nach der Natur dabey muß angewendet worden sepn, so ist der
Gegenstand, besonders die an sich sonst so schonen Ruinen
der Wasserleitungen in der römischen Campagne, so unvor-
theilhafc und bizarr dargestellt, die Gründe und das Ge-
birge sind so ohne allen Charakter in den Linien, die Bäume
sind so leichtfertig und fabrikmäßig hingemacht, daß man
es selbst einem Historrenmaler als Nebensache im Hin-
tergründe seines Bildes nicht Nachsehen würde. Das Vieh
selbst ist zwar nicht ohne eine gewisse Geschicklichkeit, doch
möglichst schnell und ohne alles Studium gemalt. Bey
dem opaken, leimfarbenen Ton der Farbe und der Art
des Auftrags wird man an die englische Präscntirleller-
Malerey erinnert, ja man könnte sich sogar leicht vorstelleu,
daß ein geschickter Tapetendrucker mit diesen Gemälden
Voogd's in Wettkampf treten dürfte — mit dem Unterschied
jedoch, daß lezterer ftir sein größeres Stück i5o, oder wie
andere behaupten, wegen eines gegen den ersten Entwurf
ans Verlangen mehr hinzugefügten Ochsen, igo Louisd'or
erhält, und der Tapetendrucker nicht den Losten Theil daoou
in Anspruch nehmen dürfte.
K n n st - B l --ß t t
Dsnuersing, den 2.7. Z n n t 1 8 s L«
Nachrichten aus Rom.
Mai i 8 r 2.
Bey der Bekanntmachung und Beurtheilung von Kunst-
werken, besonders lebender Künstler, rst es wohl eine der
ersten Eigenschaften, welche den wahrhaft kunstrerstan-
digen und die Sache liebenden Man» bezeichnen, wen» er
bey den Werten, welche einige Erwähnung verdienen mehr
-von dem Guten, welches er darin findet, als von dem Feh-
lerhaften redet; mehr sich des Gelingens in der Ausfüh-
rung d-ssen erfreut, was ans der Seele des Künstlers ge-
flossen ist und zu dem verständigen Beschauer spricht, als
sich bei) dem Mangelhaften des Einzelnen aufyäit. Denn
daß alle menschliche Werke unserer Natur nach mangelhaft
sepn müssen und ein Fehler leichier zu finden, als zu ver-
meiden sey, ist eine bekannte Sache; allein das wird zu
wenig bedacht, daß der wahre Kenner sich hauptsächtlich im
richtigen Lobe zeigt: denn da muß er in den Geist des
schaffenden Künstlers und in den geistigen Werth des Wer-
kes eindringen, muß zum wenigsten einigermaßen Kennt-
nisse des Technische» in der Kunst besitzen, um nicht in
ein salscheS oder schwärmerisches Lob zu verfallen. Etwas
anderes ist es, wenn ein Kunstkenner in der Werkstätte
des Künstlers sich befindet; dort kann er nicht aufrichlig
genug mir ihm, und in Liebe und Bescheidenheit, über das
Fehlerhafte in seinem Werke sprechen; und solfte es diesem
selbst anfänglich unangenehm sepn, atu Ende weiß er es
ihm doch Dank; auf jeden Fall aber hat der wahre, die
Kunst liebende Kenner eine schwere Pflicht erfüllt. In sol-
chen Fällen sreplich, wo des Gute» in einem Werke so we-
nig im Verhältniß zum Schlechien ist, daß nur der Tadel
vorherrschen kann, mag das Schweigeu als Gesetz gelten.
Wenn ich nun bisher in diesen Blättern mehr lobend
als tadelnd gesprochen, oder mehrcres ganz mit Stillschwei-
gen übergangen habe, so ist cs hauptsächlich aus oben an-
gegebenen Gründen gescheh.n. Es gibt indessen Fälle, wo
diese Regel eine Ausnahme erheischt und wohl um so mehr
zur Pflicht wird, wenn cs die Ehre der Sache gilt und die
Wahrheit gegen Unkenntniß und Anmaßung muß geschüzr
werden. Und ein solcher Fall scheint mir bey der Bericht-
Erstattung der unter ziemlich pomphaft gemachter An-
zeige ausgestellten Bilder einzutreten, welche von dem rus-
sischen Grasen von Gourieff für die Summe von ungefähr
3o,ooo Franken bey solchen Malern sind bestellt wor-
den , die man in den Zirkeln der vornehmen Welt zu Rom
häufig als die des ersten Rangs in ihrem Fache betrachtet.
Bon den hiesigen niederländischen Landschaft- und Vieh-
Malern wird selbst behauptet, daß sie noch im Besitz der
achten Art ihrer Landsleute des isten Jahrhunderts feycn;
da indessen der Vergleich damit etwas ganz anderes zeigt»
so wird hinzugefügt, daß sie eben durch die Erfahrungen
bis auf unsere Zeit diese Kunst noch vervollkommnet hät-
ten! — Doch ich will jezt von ihren ausgestellten Werken
berichten und dann in Kürze angeben, worin die gänz-
liche Verschiedenheit ihrer Malerei) und der Kunst ihrer
schätzbaren Vorgänger liegt.
Von Voogd, welcher von Natur mit wirklichem Ta-
lent für die Kunst ausgestattet ist, waren zwei) große Land-
schaften mit Vieh ausgestellt. Obgleich erstere bestimmte
Gegenden um Nom darstellcn und wenigstens eine Skizze
nach der Natur dabey muß angewendet worden sepn, so ist der
Gegenstand, besonders die an sich sonst so schonen Ruinen
der Wasserleitungen in der römischen Campagne, so unvor-
theilhafc und bizarr dargestellt, die Gründe und das Ge-
birge sind so ohne allen Charakter in den Linien, die Bäume
sind so leichtfertig und fabrikmäßig hingemacht, daß man
es selbst einem Historrenmaler als Nebensache im Hin-
tergründe seines Bildes nicht Nachsehen würde. Das Vieh
selbst ist zwar nicht ohne eine gewisse Geschicklichkeit, doch
möglichst schnell und ohne alles Studium gemalt. Bey
dem opaken, leimfarbenen Ton der Farbe und der Art
des Auftrags wird man an die englische Präscntirleller-
Malerey erinnert, ja man könnte sich sogar leicht vorstelleu,
daß ein geschickter Tapetendrucker mit diesen Gemälden
Voogd's in Wettkampf treten dürfte — mit dem Unterschied
jedoch, daß lezterer ftir sein größeres Stück i5o, oder wie
andere behaupten, wegen eines gegen den ersten Entwurf
ans Verlangen mehr hinzugefügten Ochsen, igo Louisd'or
erhält, und der Tapetendrucker nicht den Losten Theil daoou
in Anspruch nehmen dürfte.