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Diese notbwendlge Vorbildung wird nur von kurzer Dauer
seyn, da sie nicht die Einsicht in die Geheimnisse des Zir-
kels' Dreyecks :c., sondern eine richtige Grundlage bev der
Ansicht körperlicher Dinge herbeyführen soll. Man ver-
säume aber nicht, durch Grnppirungen jener Modelle schon
hier einige Schritte über das bloße Anschauen des Einzelnen
hinanszugehen, und selbst bey jenen Zusammenstellungen
den Lehrling stillschweigend etwas ausübcn zu lassen, woran
man künftig beym Anfänge der Perspective wieder erin-
nern kann. [jn Ansehung der Schattirung, die hier nicht
ausdrücklich erwähnt worden, verweise ich auf die triffrige
Stelle inHrn.Müller'SAufsatz, S- ilo,k>.-Für dieVerhalt-
niffe des Maaßcs, die bev allem Körperlichen anwendbar
sind, könnte schon auf dieser Stufe das Auge des Lehrlings
gebildet werden, indem er versucht, z. B. ein vor ihn gestell-
tes Sechs- oder Achteck ans freyer Hand halb :c. sogroß
nachzuzeichnen. Da hier überall die Vergleichung und
Schätzung der Winkelweiteu von großer Wichtigkeit ist:
so bemerke ich, daß für die doch endlich einmal fcstzustcl-
lende Benennung d-r verschiedenen Winkel, von einer
gleichmäßig wenig aufsteigenden Ebene bis zur senkrechten
Höhe, die Synonyme, die unsre Sprache darbietet, mei-
nes Wissens noch gar nicht gehörig benuzt sind.s

kl. Hicmit wäre nun der Uebergang zu wirklichen Ge-
genständen, wie der Lehrling sie täglich vor sich sieht, ge-
bahnt. Man stelle oder lege leicht zu übersehende Dinge
vor den Schüler hin, die er nun, so gut er kann, uach-
zeichnen mag, Leuchter, Vasen, Waffen, Uhrgestelle u. dgl.
(Von dem Lehrer auf das Fehlerhafte hingewiesen, verbes-
sere der Schüler seine Zeichnung; zuweilen auch mag jener
die lezle Hand anlcgen.) Jene Werke der Kunst tinb des
Bedürfnisses seyen nur in einem einfachen Geschmack ge-
arbeitet; man lasse einige darunter nach verschiedenen An-
sichten zeichnen; auf diese Art wird der Anfänger allmäh-
lich durch Umrisse, Linien, manchmal auch Schattirung,
das Ebenmaaß und die Aehnlichkeit jener Objecte nachzubil-
den fähig seyn, wozu das anfängliche Coplren geometrischer
Figuren ihm schon eine wirksame Vorübung war. Wie
ungenügend auch die ersten Anfänge seyn mögen, so wird
doch der Schüler in den bisherigen Fortschritten Aug'und
Hand bilden, und sichtbar mehr Fähigkeit gewinnen, die
Nähe, Entfernung, Zusammenfügung rc. der Theile rich-
tig aufzusaffen. Alles Zeichnen beruht auf einer künst-
lerischen Reflerion; wer es nie grübt, dem erscheinen
die körperlichen Dinge nur in ihrer Ganzheit, ja oft
ungetrcnnt von den Nebendingen. Wer hier zu lernen
anfängt, muß das Einzelne, Gethellte, doch mit stetem
Festhalten des Ganzen, wodurch schon die richtige
V o r s i ch h i n st e l l u u g der zu zeichnenden Gegen-
stände bedingt wird, zu dem bestimmten Zweck des Nach-
bildens auffaffen; zu dieser successiven Firlrung des Gegen-
standes gewöhnt man sich anfänglich etwas schwer, daher,

; zum Theil, das Ungeschickte in den Zeichenbüchern der Lehr-
! lingc, was doch bey dem stufenweise» Unterricht, wie er
! hier angegeben wird, bep weitem nicht so auffallend seyn
j dürfte. Nur ist zu wünschen, beym Zeichnen der ange-
! führten Objecte Lineal und Zirkel entfernt zu sehen; der
Lehrer wird am besten beym Corrigiren durch die Anwen-
dung dieser Instrumente den Schülern bemerkbar machen,
wie sie, um völlig und richtig den Vorbildern zu entspre-
chen, hatten verfahren müssen.

(Der Beschluß folgt.)

Canoba's neueste Arbeit,

Aus dem Italienischen des Grafen Eicognara. *)
Rom, den 6. März I8rr.

In den lezten Tagen ist in Canova's Studium die für
de» König von England gearbeitete Gruppe des Mars und
der Venus ausgestellt worden, woran der Künstler eben
di- lezte Hand gelegt hatte. Dies Werk war schon zum
Theil durch das Modell bekannt, auch war die Zeichnung
davon.in Kupfer gestochen; aber jezt kann man den uner-
meßlichen Abstand zwischen dem ersten Entwurf und dem
aufs feinste und genaueste ausgcführten Marmor beurthei-
len. Es ist als ob der Künstler diese Gruppe gewählt
halte, um sich zugleich im strengen und im anmuthige»
Style zu zeigen. Indem er bcyde Filzen durch eine affekt-
volle und sittige Verschlingung der Arme einander verband,
bewies er wie viel er in bcyden Stylen vermöge, ob-
gleich seine kolossalen Gruppen und großen Denkmäler eben so
laut dafür gezeugt hatten, wie seine Venus- und Nym-
phen-Statucn, welche leztere von Einigen für den ausschließ-
lichen Vorwurf seines Meisscls gehalten worden waren.

Di- Figur des Mars vereinigt so viel Adei und Rein-
heit der Formen, daß sie als Muster des Styls auf die-
ser Linie, welche gerade die Mitte zwischen den apollini-
schen und herkulischen Formen hält, gelten kann; die leich-
ten schönen Glieder sind in schönem Verhältnis, und dcm-
ungeachtet die Kraft der Muskeln so gut angedeutet, daß
man die ganze Bewegung und Stärke des Kriegsgottes
darin erkennt. Bemerkenswerth ist die richtige Senkung
aus den linken Schenkel und die glückliche Bewegung der
Hüften, welche mit ihren wellenförmigen Linien der per-
sönlichen Majestät so viel Anmuth verleiht. Die Erlremi-
läten tragen den edelsten und erhabensten Charakter in al-
len Theilcn, und das sanft gegen die Göttin geneigte Haupt
läßt in den ruhigen Zügen des Gesichts erkennen, wie
viel auch über Götter die Gewalt der Schönheit vermöge.
Gemein und kleinlich wäre es gewesen, aus. der Sttyn deS


>) AulologU. Mario iLra. p 567.
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