Nr. 21
Kunst-Blatt.
Montag, d e u 14. M a r z 1 8 2 Z.
Anne Louis Girodet,
Historienmaler, Mitglied des Instituts, Offizier der
Ehrenlegion, Oiitter des St. Michaelsordens.
gcb. 5. Jan. 7767. gcst. §. Dcc. 18:4.
Nekrologische Notiz von P. A. Coup in.
(Beschluß.)
Nun vergeht wieder ein langer Zeitraum, bis wir
ein neues Werk von Girodet erscheinen sehen, ausgenommen
jenen schönen Kopf einer Madonna, den man Rafaels
würdig achtete. So sehr trugen die kleinsten Hervor-
bringungen dieses Künstlers den Charakter des Erhabe-
nen. *) Endlich gegen den Schluß der Ausstellung von
1819 erschien das Gemälde: Pvgmalion und Galatea.
Es war eine der Sculptur dargebrachte Huldigung, deren
Macht er hatte zeigen wollen; ich glaube sogar, der Ge-
danke ward ihm durch seine besondere Hochachtung für
Canova eingegeben. Nichts konnte seine Idee deutlicher
darstellen, «ls die Fabel, daß die Liebe die Täuschung
des Genius verwirklicht, und sein eigenes Werk unter
seinen Händen belebt. Er selbst schien Galateen zum
zweytenmale belebt zu haben. Bey dieser neuen Hervor-
bringung, wie bey den meisten übrigen unsres Künstlers
war es leicht, Kritiken und Lobeserhebungen voraus zu
bestimmen; die Gegner dieses großen Talents hielten
sich nur an das, was zu einigen Bemerkungen Anlaß
stebcn konnte; aber die Künstler, welche Liebe zur Kunst
von allem Vorurtheil. entfernte, fühlten sich hingerissen
durch die Schönheit dieses Werks. Das Publikum, in
Masse ein so guter Richter, weil es sich ohne Rückbalt
seinen Empfindungen überläßt, zollte jener schönen weib-
lichen Figur die größten Lobeserhebungen, in welcher die
feinsten Umrisse und die reinsten Formen mit unaus-
sprechlicher Zartheit des Pinsels ausgedrückt sind.
') Mad. Iaqu 0 t 0 t hat von dieser
auf Porzellan gemacht und sic dein
einen großen Werth darauf legte.
Madonna eine Copie
Meister geschenkt, der
Seit dieser Zeit schien Girodet der Malerey entsagt
zu haben. Die unerhörte Anstrengung, die ihm sein lez-
tes Bild verursacht, die schwere Krankheit, welche die
Folge davon gewesen, die Abnahme seiner Gesundheit,
eine Art Fieber, das ihn befiel, sobald er sich seiner Ein-
bildungskraft überließ, und das ihn mehrere Male an den
Rand des Grabes gebracht hatte, — rechtfertigten nur zu
sehr seinen Entschluß, und schienen ihm eine neue Unter-
nehmung zu verbieten. Doch plötzlich ermannt er sich
wieder; auf Verlangen des Ministeriums des königlichen
Hauses malt er für die Ausstellung zwei) Bildnisse Vcn-
do'e'scher Helden, die Kenner dadurch für den Anblick so
vieler Werke tröstend, in denen die Principien der Kunst
mit Füßen getreten sind. Er macht die Skizzen für zwei)
Gemälde, die, wie er sagt, seine Laufbahn beschließen sol-
len. Er sagts, und der Tod kommt und lahmt für im-
mer diese Hand, die so viele Meisterwerke hervorgebracht!
Seine Krankheit war kurz aber schmerzhaft. Auf
die erste Nachricht davon umringen ihn seine Zöglinge
und Freunde; ganz Paris fragt mit Besorgniß nach
der Gesundheit des großen Künstlers, welcher Frank-
reichs Stolz war. Der Anfall war heftig gewesen und
schnell zeigten sich die beunruhigendsten Symptome. Man
hielt eine schmerzhafte Operation für unerläßlich; doch
ehe Girodet sich ihr unterzog, stieg er noch einmal in
sein Atelier hinauf, erhob die Hände zum Himmel und
sagte mit herzzerreißendem Tone seinen lieben Bildern
auf ewig Lebewohl.
Wenig Tage nachher verschwand alle Hoffnung. Der
Abbö Feutrier, Pfarrer bey der Magdalenenkirche, ein
ivcgen seines wohlwollenden und sromuien Sinnes allge-'
mein geachteter Mann, leistete ihm in seinen lezten Au-
genblicken Beystand und Tröstung. Während dieser trau-
rigen und erschütternden Ceremonie lagen wir auf den
Knieen um sein Bett, wo schon der Tod mit seinen
Schrecken sich zeigte. Wenige Stunden darauf war Gi-
rodet nicht mehr.
Seine Bestattung war eines so großen Künstlers
würdig. Der Zulauf war unermeßlich; der große Schrift-
steller, welcher den Geist des Christianismus verherrlicht
Kunst-Blatt.
Montag, d e u 14. M a r z 1 8 2 Z.
Anne Louis Girodet,
Historienmaler, Mitglied des Instituts, Offizier der
Ehrenlegion, Oiitter des St. Michaelsordens.
gcb. 5. Jan. 7767. gcst. §. Dcc. 18:4.
Nekrologische Notiz von P. A. Coup in.
(Beschluß.)
Nun vergeht wieder ein langer Zeitraum, bis wir
ein neues Werk von Girodet erscheinen sehen, ausgenommen
jenen schönen Kopf einer Madonna, den man Rafaels
würdig achtete. So sehr trugen die kleinsten Hervor-
bringungen dieses Künstlers den Charakter des Erhabe-
nen. *) Endlich gegen den Schluß der Ausstellung von
1819 erschien das Gemälde: Pvgmalion und Galatea.
Es war eine der Sculptur dargebrachte Huldigung, deren
Macht er hatte zeigen wollen; ich glaube sogar, der Ge-
danke ward ihm durch seine besondere Hochachtung für
Canova eingegeben. Nichts konnte seine Idee deutlicher
darstellen, «ls die Fabel, daß die Liebe die Täuschung
des Genius verwirklicht, und sein eigenes Werk unter
seinen Händen belebt. Er selbst schien Galateen zum
zweytenmale belebt zu haben. Bey dieser neuen Hervor-
bringung, wie bey den meisten übrigen unsres Künstlers
war es leicht, Kritiken und Lobeserhebungen voraus zu
bestimmen; die Gegner dieses großen Talents hielten
sich nur an das, was zu einigen Bemerkungen Anlaß
stebcn konnte; aber die Künstler, welche Liebe zur Kunst
von allem Vorurtheil. entfernte, fühlten sich hingerissen
durch die Schönheit dieses Werks. Das Publikum, in
Masse ein so guter Richter, weil es sich ohne Rückbalt
seinen Empfindungen überläßt, zollte jener schönen weib-
lichen Figur die größten Lobeserhebungen, in welcher die
feinsten Umrisse und die reinsten Formen mit unaus-
sprechlicher Zartheit des Pinsels ausgedrückt sind.
') Mad. Iaqu 0 t 0 t hat von dieser
auf Porzellan gemacht und sic dein
einen großen Werth darauf legte.
Madonna eine Copie
Meister geschenkt, der
Seit dieser Zeit schien Girodet der Malerey entsagt
zu haben. Die unerhörte Anstrengung, die ihm sein lez-
tes Bild verursacht, die schwere Krankheit, welche die
Folge davon gewesen, die Abnahme seiner Gesundheit,
eine Art Fieber, das ihn befiel, sobald er sich seiner Ein-
bildungskraft überließ, und das ihn mehrere Male an den
Rand des Grabes gebracht hatte, — rechtfertigten nur zu
sehr seinen Entschluß, und schienen ihm eine neue Unter-
nehmung zu verbieten. Doch plötzlich ermannt er sich
wieder; auf Verlangen des Ministeriums des königlichen
Hauses malt er für die Ausstellung zwei) Bildnisse Vcn-
do'e'scher Helden, die Kenner dadurch für den Anblick so
vieler Werke tröstend, in denen die Principien der Kunst
mit Füßen getreten sind. Er macht die Skizzen für zwei)
Gemälde, die, wie er sagt, seine Laufbahn beschließen sol-
len. Er sagts, und der Tod kommt und lahmt für im-
mer diese Hand, die so viele Meisterwerke hervorgebracht!
Seine Krankheit war kurz aber schmerzhaft. Auf
die erste Nachricht davon umringen ihn seine Zöglinge
und Freunde; ganz Paris fragt mit Besorgniß nach
der Gesundheit des großen Künstlers, welcher Frank-
reichs Stolz war. Der Anfall war heftig gewesen und
schnell zeigten sich die beunruhigendsten Symptome. Man
hielt eine schmerzhafte Operation für unerläßlich; doch
ehe Girodet sich ihr unterzog, stieg er noch einmal in
sein Atelier hinauf, erhob die Hände zum Himmel und
sagte mit herzzerreißendem Tone seinen lieben Bildern
auf ewig Lebewohl.
Wenig Tage nachher verschwand alle Hoffnung. Der
Abbö Feutrier, Pfarrer bey der Magdalenenkirche, ein
ivcgen seines wohlwollenden und sromuien Sinnes allge-'
mein geachteter Mann, leistete ihm in seinen lezten Au-
genblicken Beystand und Tröstung. Während dieser trau-
rigen und erschütternden Ceremonie lagen wir auf den
Knieen um sein Bett, wo schon der Tod mit seinen
Schrecken sich zeigte. Wenige Stunden darauf war Gi-
rodet nicht mehr.
Seine Bestattung war eines so großen Künstlers
würdig. Der Zulauf war unermeßlich; der große Schrift-
steller, welcher den Geist des Christianismus verherrlicht