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38

ten Künstler die Stimmen, die sich für und gegen ihn
erhoben, mit redlicher Offenheit bekannt zu machen.

Im vierten Bande der Zeitschrift Kunst und Alter-
thum 2tes Stück S. 49 wurde die Uebersetzung eines neu-
griechischen Gedichts Charon betitelt, mitactbeilt, auch
S. 165 gezeigt, daß es sich wohl für Darstellung der bil-
denden Kunst eignen möchte, worauf sodann im Stutt-
garter Kunstblatt von 1824. Nro. 6. vom 19. Januar,
jenes Gedicht sowohl als die Nachschrift abgedruckt zu le-
sen war, mit bepgefügter Erklärung des Hrn. v. Cotta,
der sich geneigt erwies, ihm zugefendetc Zeichnungen die-
ses Gegenstandes nach Weimar zu befördern, auch die,
welche für die beste erkannt würde, dem Künstler zu l>o-
noriren und durch Kupferstich vervielfältigen zu lassen.

Einige Zeit darauf erhielten die Weimarischen Kunst-
freunde, unmittelbar von einem langstgeprnften Genos-
sen, eine colorirte Oelskizze, jene fabelbafte Erscheinung
vorstellend, jedoch mit ausdrücklicher Aeuöerung, daß
keine Concnrren; beabsichtigt sey und man erklärte sich
desibalb gegen den wertben Mann vertraulich folgender-
maßen: „das beweglichste Lied führen Sie uns im be-
lebtesten Bilde vor die Augen; mau wird überrascht, so
oft man die Tafel aufs neue ansieht, eben wie das Erstemal.
Die bald entdeckte Ordnung in der Unruhe fordert so-
dann unsere Aufmerksamkeit, man entziffert sich gern den
Totaleindruck aus einer so wohl überdachten Mannichfal-
kigkeit und kehrt öfter mit Antheil zu der seltsamen Er-
scheinung zurück, die uns immer wieder aufregt und be-
friedigt." Eine solche allgemeine-Schilderung des Effeets
möge denn auch hier genügen.

Denn nun werden von Stuttgart sechs Zeichnungen
verschiedener Künstler eingescndet, welche wir verglei-
chend gegeneinander zu stellen aufgefordert sind. und, in-
dem wir in aufsteigender Reihe von ihren Verdiensten
Bericht geben, legen wir zugleich dem kunstliebeudeu Pu-
blikum die Gründe vor, die unser schließliches Urtheil be-
stimmen.

Nro. k.

Zeichnung auf gelb Papier, Federumriß mit Sepia
angctuscht und weiß aufgehöht, hoch 13 Zoll, breit 22z
Zoll.

Redliches Bestreben äußert sich in dieser Zeichnung
überall, der Ausdruck in den Köpfen ist gemütbvoll und
abwechselnd; einiges, z. B. die Gruppe, bestehend aus
drcy jugendlich männlichen Figuren und einem Kinde,
welche das Pferd eben niederzuwerfen und über sie weg-
zusehen scheint, ist glücklich geordnet; eben so die in den
Mäbnen des Pferdes hängende» Kinder u. a. m. Wir
bedauern, daß die ganze Darstellung nicht völlig im Geiste

des Gedichtes und mit der dem Künstler zustehenden,
ja nothwendigen poetischen Freyheit aufgefaßt ist. Es ist
nicht der neugriechische Charon, oder der Begriff vom
Schicksal, nicht der Gewaltige, Strenge, unerbittlich alles
Nicderwerfende — nach des Gedichtes Worten: Einher
sausende — der die Jugend vor sich hertreibt, hinter
sich nach die Alten schleppt; hier erscheint der Reitende
vielmehr selbst der Angegriffene, er droht mit geballter
Faust, vertheidigt sich gegen die, so ihn aufhalten wollen,
mit einem hoch über dem Haupte geschwungenen Ruder.

Zu dieser Geberde, zu diesem Attribut ist der Künst-
ler wahrscheinlich durch Erinnerung an den griechischen
Fährmann verleitet worden, den man aber nicht mit
dem gegenwärtigen wilden, späterer Einbildungskraft an-
gchörigrn Reiter vermischen muß, welcher ganz an und
für sich und ohne Bezug auf jenen zu denken und dar-
zustellen ist.

Von allen übrigen Zeichnungen jedoch unterscheidet
sich gegenwärtige durch den Umstand, daß nichts auf Er-
scheinung hindeutet, nichts Geisterhaftes oder Gespenster-
mäßiges darin vorkommt. Alles geschieht au der Erde,
so zu sagen auf freper Straße. Das Pferd regt sogar
Staub auf, und die Weiber, welche zur Seite am Brun-
nen Wasser schöpfen, nehmen an der Handlung unmittel-
baren Antheil. Dagegen haben die andern fünf cvncur-
rirenden Künstler, den Charon und die Figuren um ihn
auf Wolken, gleichsam als Erscheinung vorübcrziehend,
sich gedacht, und auch wir sind auö erheblichen Gründen
geneigt, solches für angemessener zu halten.

Nro. 11.

Große Zeichnung auf grauem Papier, mit der Feder
schraffirt. Breit 44 Zoll, hoch Zi Zoll-

In den Figuren, welche vor dem Reiter her, zum
Theil schwebend, entfliehen, und in denen, welche bittend
und klagend ihm folgen, vermißt man wissenschaftliche
Zeichnung der nackten Glieder. Störend sind ferner ei-
nige nicht reckt paffend bewegte, gleichsam- den Figuren
nicht angehörigeu Hände. Cbaron sizt schwach und ge-
bückt auf seinem Pferde, sieht sich mitleidig um, die
linke Hand ist müßig und die rechte hält, ebenfalls ohne
alle Bedeutung, den Zügel hoch empor; hingegen ist
der Kopf deö Pferdes gut gezeichnet und von lebendigem
Ausdruck. So finden sich auch einige weibliche Köpfe
mit angenehmen Zügen und zierlichem Haarputz; ebeu-
falls sind mehrere in gutem Geschmack angelegte Gewän-
der zu loben.

Lust und Licht, Wolken, deßgleichen der landschaft-
liche Grund, welchen man unter dem Wolkenzüge, wo-
rauf die Darstellung erscheint, waücuimmt, lassen vermu-
then, der Zeichner dieses Stücks besitze mehr Uebung im
landschaftlichem Fache als in dem der Figuren: denn die
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