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Die Inschrist der erwähnten Tafel gibt, nachdem wir-
der Bildnißköpfe von Alcestis und ihrer Gefährtin Er-
wähnung gethan, einen neuen Beweis für die fabrik-
mäßige Bestimmung ähnlicher Werke ab; sie gilt nicht
etwa einer Frau und ihrer Freundin, oder der Gattin
eines durch Admetus angedenteten Ehegatten, sondern
einem §. Iunius Paleoodus und seiner Tochter. Die
allgemeine Andeutung einer Trennung genügte, um auch
für ein solches Paar die Mythe anzuwenden, deren bild-
liche Vorstellung wir besprachen.

Nom, den 19. Juni i8rö.

G.

Fragmente einer Reise in Oberitalien im Jahr 1822.

Aus den Tagebüchern eines Strebenden.

Von dem Dome ging cs in die Am'orosiana. Unsere
Brust war gespannt wie ein Bogen — so ungeduldig
waren wir nach den hier geborgenen Schätzen. . Wir
fragten sogleich nach dem Carton zur Schule Athens,
von Raphael, der als Stern erster Größe in dieser
Sammlung glänzt. Aber so gut sollte es uns nicht
gleich werden; wir mußten vorab die Manuskripte be-
schauen, so wollte es unser, etwas kaltblütigerer Füh-
rer. Wir standen wie auf Koblen; als man uns aber
den Virgil des Petrarks mit seiner bekannten Note, den
Flaviuö Josephns auf Papyrus, Len schonen Plinius,
einen Homer aus dem Lten Seculum, und anders auf
den Tisch legte, ließen wir's uns doch gefallen, und
nahmen das in dieser Gattung so höchst Merkwürdige,
freudig, gelehrig und dankbar mit auf den Weg. Nun
hielt uns aber nichts mehr zurück; wir eilten durch den
Saal der Abgüsse in jenen der Gemälde, und standen
nun wirklich dem erstaunlichen Werke gegenüber. Es ist
auf grau Papier mit schwarzer Kreide und weiß aufge-
hcfteten Lichtern, in der Größe des Gemäldes selbst ausge-
führt, und nimmt hier die ganze obere Hälfte einer
Wand des Saales ein. Man kann es nicht gut erhal-
ten nennen, und doch, welch einen unaussprechlichen Ge-
nuß gewährt es nicht, selbst in diesem verfallenen Zu-
stande! Eg ^ ein herrliches Epos mehrerer Gruppen,
deren jede einzelne schon hinreichen würde, den Ruhm
des Urhebers zu begründen. Alles ist im Angesichte der
Natur niedergeschrieben, mit lauter Meisterzügen cba-
rakterissct- Alle die schönen Gedanken des Künstlers ssnd
Perlouen - Individuen geworden, obne ssch der AUgemein-
gültigkeit ihrer Bedeutung z» entäußern. Alles ist Na-
tur, Leben, Wirklichkeit, und doch strahlet überall wieder
Raphaels eigenes unaussprechliches Wesen durch , gleich-
sam als hatte sein Geist, seine Hand, der Natur selbst
erst diese milde Größe, dieses edle, klare und ruhige

Daseyw verliehen, um es ihr sodann wieder nachzu-
bilden. : v:„

Wir brachten für dießmak wohl ein Paar Stunden
vor dem Bilde zu, und doch schien uns beym Weggehen,
als seyen wir erst mit seinen allgemeinsten Vorzügen
oberflächlich bekannt geworden; wie nach einer ersten kur-
zen Unterredung mit einem Manne war uns zu Muthe,
der durch Tiefe, Umfang und Vollendung der Bildung
über Millionen hervorragend, uns durch den Glanz und
Kraft seiner Beredsamkeit zwar schüchtern, aber doch
zugleich unendlich sehnsüchtig gemacht hat, ihm noch recht
oft zuzuhören.

Nach jenem Genüsse nahmen wir für heute nur ganz
im Allgemeinen Kenntniß von den übrigen Kunstschätzen,
die in diesen Sälen bewahrt werden. Dabin gehören:
Ein kleiner, ebenfalls dem Rafael zugeschriebener Cartou
einer Schlacht, der aber so verdorben ist, daß er uns
zmeiftlhaft ließ, ob er wirklich von Urbino herrühre.
Ferner eme Zeichnung von Julio, ein Gastmahl vorstel-
. lenb, von außerordentlicher Schönheit; ein Stück einer
Zeichnung Polidors zu dem Friese der Niobe; und ein
anderes von Montegna zu seinen Triumphen. Von Leo.
nardo finden sich hier schöne Zeichnungen und ein Paar
gute Gemälde; unter diesen die Porträts des Ludovico
Sforza und seiner Gemahlin. Auch Heraußen, in dem
Saale der Abgüsse fanden wir noch schöne Cartons von
Pellegrini, voll Größe, Herrlichkeit und Wahrheit in der
Bewegung. Von den Abgüssen selbst aber waren uns jene
nach den Werken Vuonarotti's die merkwürdigsten; beson-
ders eine herrliche weibliche Figur zu dem Grabe der Me-
diceer; die Geburt eines colossalen Geistes, wie auf der
Natur abgeformt, und doch durch den Gedanken des
Künstlers und den Hauch seiner Belebung zur erhabensten
allegorischen Bedeutung emporgehobeo.

9ten September^

Der heutige Vormittag war für die Brera bestimmt,
so heißt das hiesige Kunstmuseum, welches die Gemälde-
gallerie, die Sammlung der Abgüsse, und die Kunst-
schulen in sich schließt. Vor allem verdient schon das
prächtige, wahrhaft imposante Lokale alles Lob und alle
Auszeichnung. Es ist ein herrlicher Pallast, mit einem
großen Vorbofe, stattlichen Treppen, und einer Menge
von Sälen und Gemächern. Es thut einem recht wohl,
die Achtung des Staats für die Kunst, in so würdigen
großartigen Anstalten ausgesprochen zu finden.

Die Gallerie selbst ist bedeutend reich an Gemälden
ausgezeichneten Wertstes. Vep uns daheim ist fast im-
mer nur von den Stiftern der Schulen und den be-
rühmtesten Namen die Rede, aber dahier treten nun
auch die Sterne zwepter und dritter Größe an dem
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