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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Schumann, Paul: Dreizehnter Tag für Denkmalpflege, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0022

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Dreizehnter Tag für Denkmalpflege

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wurde so gerettet. Kupferdächer wurden geschützt,
wenn sie eine ältere Patina aufweisen (etwa ein Jahr-
hundert alt), wenn die Form besonders charakteristisch
und in Gefahr ist, vernichtet zu werden, wenn sie
besonderen Schmuck aufweisen. Glocken bis 1700
erhielten zunächst unbedingt Schutz, solche des 18.
Jahrhunderts sollten nach Möglichkeit geschützt werden,
solche des 19. Jahrhunderts ausnahmsweise. Diese
Grenzen wurden bei weiterem Bedarf noch bedeutend
verengert. Auf den Klang wurde keine Rücksicht ge-
nommen. Inschriften und Gußmarken wurden durch
Abgüsse und Photographien festgehalten. Hierbei
wurden wertvolle Unterlagen für kunstgeschichtliche
Arbeiten gewonnen. Ähnliche Grundsätze nach zeit-
lichen und künstlerischen Gesichtspunkten wurden für
Metallgerät, z. B. Zinn, Türbeschläge aus Messing auf-
gestellt. Für Orgelpfeifen ist die Verordnung noch
nicht erschienen, doch soll der künstlerische und der
musikalische Wert berücksichtigt werden.

An die drei Berichte schloß sich eine ausgedehnte
Aussprache, an der sich ein Dutzend Redner beteiligten.
Gewünscht wurde u. a., daß Türklopfer und Beschläge,
weil sie das Haus- und Straßenbild wesentlich mit-
bestimmen, besonders geschützt wurden, daß Inschriften
von Glocken und anderen Denkmälern als ein Familien-
archiv in den Kirchen bewahrt würden, daß der musi-
kalische Wert mehr Berücksichtigung fände. Gewarnt
wurde davor, daß die zinnernen Pfeifen durch solche
aus Zink ersetzt würden, weil Zink einen ganz anderen
Schwingungskoeffizienten hat, die Pfeifen daher ganz
andere Maße erhalten müßten. Dombaumeister Hertel-
Köln teilte mit, daß in Münster zwei bemalte Glocken
(mit Ölgemälden) aufgefunden worden seien.

Gegen eine Stimme wurde sodann folgende Ent-
schließung Clemen angenommen:

Der Tag für Denkmalpflege ersucht seinen stän-
digen Ausschuß, an zuständiger Stelle in geeigneter
Weise dahin vorstellig zu werden,

daß auch bei der Beschlagnahme der durch die
letzte Verordnung vom 20. Juni betroffenen Me-
talle Türbeschläge, Türklopfer usw. ebenso bei
weiteren noch etwa zu erwartenden Metallbe-
schlagnahmen Gegenstände von künstlerischem
und geschichtlichem Wert ausgenommen werden,
wie dies in dankenswerter Weise ja gegenüber
dem Hauskupfer und den Glocken geschehen ist
und daß für das weitere Vorgehen in der
Richtung der Metallbeschlagnahme allgemeine
Richtlinien unter Berücksichtigung der Forde-
rungen der Denkmalpflege und des Heimat-
schutzes aufgestellt werden.

Über zweckdienliche Verwertung ge-
schichtlicher Bauwerke sprach sodann Dombau-
meister L. Arntz-Köln. Sie gehört zu den wich-
tigsten Aufgaben wirtschaftlicher Fürsorge im Dienste
der Baudenkmalpflege. Selbst einfache alte Bauwerke
verdienen Erhaltung als Teile der geschichtlichen Um-
gebung, als technisch-künstlerischer Niederschlag eines
fortschreitenden Kulturlebens, als Quelle und Anre-

gung baukünstlerischen Schaffens. Die umfängliche
schwarze Liste der alten Bauwerke, die noch neuer-
dings modernen Bebauungsplänen, Fluchtlinien usw.
ohne Not zum Opfer gefallen sind, beweist die dringliche
Notwendigkeit, für unsere geschichtlichen Bauwerke
vorbeugend wirtschaftlich zu sorgen, und zwar nicht
nur für Einzelbauten, sondern auch für ganze Bau-
einheiten in städtischer und ländlicher Umgebung.
Den Ausschlag dabei soll und darf allein das Lebens-
interesse eines Bauwerks geben, das bei geschmäler-
ten Lebensmitteln zunehmend entwertet wird. Vor
allem muß — und zwar in rechtzeitiger Fürsorge,
die sich auf genaue Kenntnis der Baustoffe, der Bau-
arbeit und der Lebensbedingungen des Bauwerks
stützt — der technische Wert des Baudenkmals' er-
halten werden, und zwar zuerst durch Wetterschutz,
durch wettersichere Bedachung, die erfahrungsgemäß
unumgänglich notwendig und zu allen Zeiten — na-
mentlich bei unfertigen Bauteilen — ohne Bedenken
angewendet worden ist. Auch Niederlegung gelocker-
ter Bauteile und Wiederaufrichtung — sogar ganzer
Bauwerke — kommen in Frage. Besonders wichtig
aber ist oft zur Erhaltung eines Bauwerks die Erhal-
tung und Fortführung eines angemessenen Zweckes,
sei es durch wertsteigernde An- und Aufbauten, durch
Einbau und Umbau oder gegebenenfalls durch eine an-
dere zweckdienliche Verwertung der Baueinheit oder
ihrer Teile. Die Inventarisationswerke sollten solche
wirtschaftliche Umwertungen mehr als bisher berück-
sichtigen. Fünf Arten wirtschaftliche Einheiten kom-
men vorwiegend in Betracht: Pfarrhöfe, Stiftshöfe,
Klosterhöfe, Herrenhöfe geistlicher und weltlicher
Macht (Burg- und Schloßhöfe), Gemeindebauten in
städtischen Bezirken (eingebaute Pfarrkirchen, das bür-
gerliche Reihenhaus, das Zunft-, Gilde- und Kaufhaus,
das Spital und Pflegehaus, das Rathaus, das Gerichts-
haus, das Wehrhaus innerhalb der Stadtbefestigung,
Frucht- und Kornhäuser, Wind- und Wassermühlen).
Nach einer vorliegenden Aufstellung wurden 570 wirt-
schaftliche Baueinheiten umgewertet, darunter 15 Pfarr-
höfe, 55 Stiftshöfe, 270 Klosterhöfe, 150 Herrenhöfe
und 80 Einzelbauten in städtischen Bezirken. Die
55 Stiftshöfe wurden vorzugsweise für den Gottes-
dienst und zum Wohnen verwendet; von den 270
Klosterhöfen läßt sich eine zweckdienliche Verwer-
tung nachweisen: für den Kirchendienst 211, für
Wohn- und Hauswirtschaft 127, für Landwirtschaft,
Gewerbe und Handel 88, für Heil- und Pflegedienst 30,
für Bildung und Erziehung 78, für Gericht und Ver-
waltung 32, für den Wehrdienst 2omal. Bauten im
Stadtbezirk sind am meisten für Bildung und Erzie-
hung, wissenschaftliche und künstlerische Sammlungen
verwertet worden. Solche Aufstellungen zeigen einen
sicheren Weg, um die baukünstlerischen Werte der
Vergangenheit als lebendigen Besitz der Gegenwart
zu bewahren und der Zukunft zu überliefern. Dabei
darf aber nur das sachliche Interesse eines geschicht-
lichen Bauwerks für seine Pflege entscheidend sein.
Zur Beurteilung einer wirksamen Pflege wird sich
außer laufenden Erfahrungsberichten auch eine bauwirt-
schaftliche Statistik von Amts wegen empfehlen, so-
 
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