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Kunstchronik und Kunstliteratur — 65.1931/​1932

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Heft 11/12 (Februar-März 1932)
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KUNSTCHRONIK UND KUNSTLITERATUR
BEILAGE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
HERAUSGEBER: PROFESSOR DR. GRAUL / SCHRIFTLEITER: DR. NACHOD
Heft 11/ 12 F ebruar-März r9 3 2

KUN STUTE IlATUR

Hans Möbius, Die Ornamente der griechischen
Gräbst eien. Berlin, Heinrich Keller.
Auf vielen Gebieten der klassischen Archäologie läßt
sich heute ein bemerkenswerter Fortschritt erzielen, wenn
eine einheitliche Denkmälergruppe in möglichst allen er-
reichbaren Stücken erfaßt, sorgfältig gesichtet und in einer
entsagungsvollen Einzelarbeit, deren Erfolg nicht immer
sogleich deutlich wird, durch Heranziehen von vergleich-
baren Werten aus anderen Denkmälergruppen in einen
größeren kunstgeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet
wird. Die ausgezeichnete Arbeit von Möbius, die aus Jacobs-
thals Marburger Schule hervorgegangen ist, behandelt den
Stilwandel der Formen des Ornaments an den Palmetten,
die den bekrönenden Schmuck griechischer Grabstelen
bilden. Sie bringt zunächst eine chronologische Ordnung in
die Folge der attischen Typen vom ausgehenden 5. bis ans
Ende des 4. Jahrhunderts, wobei die Ornamentformen,
vor allem die Traufleistenornamente fest datierter Bauten,
daneben auch das Bankenwerk und Palmetten, die auf
Vasen vorkommen, die genauere Fixierung innerhalb des
Ablaufs der Kunstgeschichte ermöglichen. Daran lassen
sich die außerattischen Werke anschließen; sie beweisen in
ihrer Abhängigkeit die Vormachtstellung der attischen Kunst
seit dem 5. Jahrhundert. Nachdem die Grundlage ge-
schaffen ist, kann dann Möbius in einer gerade in ihrer
Kürze vorbildlichen Zusammenfassung die kunstgeschicht-
lichen Ergebnisse darlegen, die eine glückliche Bestätigung
des Bildes bietet, das man von dem gesamten Ablauf der
Stilgeschichtc der behandelten Zeitspanne hat. H. Nachod
Joseph Wilpert, Erlebnisse und Ergebnisse im
Dienste der christlichen Archäologie. Rückblick
auf eine 45jährige wissenschaftliche Tätigkeit in Piom.
Freiburg 1930, Flerder.
Das vorliegende Bändchen des bekannten römischen
Archäologen bildet den Inhalt von 6 Vorträgen, die in der
Harvard-Universität in Amerika gehalten werden sollten,
aber wegen Erkrankung unterbleiben mußten. Sie geben in
ungemein anziehender, geschickter Verwebung mit einer
diskreten selbstbiographischen Schilderung eine Übersicht
über das Lebenswerk des Verfassers und darin auch eine
bis auf Einzelheiten sich einlassende Geschichte der christ-
lich-archäologischen Forschung des letzten halben Jahr-
hunderts. Der Werdegang der Monumentalwerke Wilperts
wie auch einzelner grundlegender Untersuchungen wird,
z. T. mit neuen Aufschlüssen, skizziert, so daß das Buch
als wertvolle Ergänzung der übrigen Arbeiten wie als auf-
schlußreiche Analyse ihrer Kerngedanken auch von den
Fachgelehrten zur Hand genommen werden muß. Für
weitere Kreise ist es eine höchst interessante, knappe Orien-
tierung über die altchristliche Kunst, die noch erleichtert
wird durch eine umfangreiche, gute Auswahl von aufschluß-
reichen Abbildungen. J. Sauer
Paul Styger, Die altchristliche Gräberkunst.
München 1927, Kösel.
Eine Kampfschrift, die der Warschauer Archäologe hier
vorlegt. Sic will die ganze bisherige Interpretationsmethode
des altchristlichen Bilderschmuckes auf katholischer wie
Z. f. b. K. Beilage

akatholischer Seite über den Haufen werfen und damit
auch der Vorstellung vom Ursprung der altchristlichen
Kunst neue Wege weisen. Für den Beobachter, der sich in
der Literatur über altchristliche Kunst auskennt, ist es
längst kein Geheimnis, daß eine auf alles sich erstreckende
symbolische Auffassung der Fresken der Katakomben und
der Sarkophagplastik ebensowenig angängig ist, wie eine
dogmatische Ausdeutung im Sinne von mit der sepulkralen
Gedankenwelt nicht unmittelbar zusammenhängenden oder
gar der Entstehungszeit der Bilder noch ganz ungeläufigen
Lehren. Wenn man das auch vorbehaltslos zugibt, so ist
doch der Vorschlag des Verfassers, den biblischen oder
apokryphen Bilderschmuck nur rein geschichtlich ansehen
zu wollen („einfach nur heilige Geschichten, episch darge-
stellt, die dieChristen gelesen und gehört hatten“)unmöglich,
weil er der von Anfang an klar vorhandenen und immer
wiederholten Auswahl der Typen nicht gerecht wird, auch
nicht dem lange Zeit wahrnehmbaren Vorwiegen alttesta-
mentlicher Stoffe. Der Verfasser berücksichtigt auch viel
zu wenig, daß in dem Bilderschmuck der Katakomben und
vor allem der Sarkophage eine starke Entwicklung und
Verschiebung der Gesichtspunkte sich geltend macht. Ich
will auf einzelnes an dieser Stelle nicht weiter eingehen,
sondern gerne anerkennen, daß die Schrift trotz ihres ne-
gativen Charakters zur Selbstbesinnung und Vorsicht an-
regen kann. J. Sauer
Forschungen zur Kirchengeschichte und zur
christlichen Kunst. Dieterichsche Verlagsbuchhand-
lung, Leipzig 1931.
Diese, Johannes Ficker zum siebzigsten Geburtstag über-
reichte, schön gedruckte Festschrif t enthält in ihrem zweiten
Teil kunstgeschichtliche Beiträge. E. von Dobschütz:
Vom Verstehen in der Kunst; zur Darstellung des Unsicht-
baren; 0. Thulin: Probleme altchristlicher Bildniskunst;
W. Köhler: Das Apsismosaik von Sta Pudenziana in Rom
als Stildokument; K. Michel: Die altchristliche Kirchen-
anlage von Gülbaghdsche bei Smyrna; J. Reil: Symbole im
Kreuzigungsbilde niederrheinischer Elfenbeine des 11. Jahr-
hunderts; H. Kehrer: Zur Deutung einer Grünewald-
zeichnung in Berlin; Th. Knolle: Der Prototyp des Luthcr-
bildes mit dem Schwan. R. Koch hebt die großen Ver-
dienste hervor, die sich der Jubilar um die Ausstattung des
evangelischen Gesangbuches erworben hat. Die Bilder wer-
den in einer losen Beilage gegeben.
Dr. P. Beda Kleinschmidt, Die heilige Anna, ihre
Verehrung in Geschichte, Kunst und Volks-
tum. Düsseldorf 1930, L. Schwann.
Die vorliegende Monographie verfolgt auf breitester
Grundlage, an der Hand von jahrelang emsig und allseitig
gesammeltem Material die Entwicklung der kultischen und
volkstümlichen Verehrung einer bevorzugten Fleiligen. Sie
eröffnet eine bedeutsame Serie von Studien zur Volkskunde,
der Prälat Schreiber in einer programmatischen Einführung
das sehr instruktive Geleitwort mit auf den Weg gibt.
Inzwischen ist in dieser Folge ein weiterer, ähnlich umfang-
reicher Band von Meisen überden hl. Nikolaus erschienen.
Der Kult einst viel verehrter Heiliger wird so in seiner viel-
fachen Verzweigung und Ausstrahlung nach der Seite der
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