Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik und Kunstliteratur — 65.1931/​1932

DOI Heft:
Heft 11/12 (Februar-März 1932)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61877#0099
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK UND KUNSTLITERATUR

95

Zahn bietet uns eine äußerst gewissenhafte Einsicht in die
Ausgrabungstatsachen, bildet die einzelnen Gruben in
Grundriß und Schnitten und photographischen Aufnahmen
so genau ab, daß man alles nachprüfen kann, beschreibt die
1' unde und Einzelheiten, gelangt zu einer in allen wesentlichen
Teilen sicheren Rekonstruktion und versucht das wiederer-
standene Objekt in die allgemeine Baugeschichte einzureihen.
Der Regensburger Dom, nach dem Augsburger (etwa
994-1006) und vor dem Bamberger (1004-1012), also etwa
um 1000 begonnen, war eine dreischiffige Pfeilerbasilika mit
Ostapsis, ohne Ostquerschifl“ und ohne Ostkrypta; dagegen
mit Westquerschiff, das nicht über die Seitenschiffe vor-
sprang, rechteckigem Westchor zwischen zwei Westtürmen
und Westkrypta, die in das Querschiff herüber im Sinne
einer Raumdivision vortrat. Eine ausgeschiedene Vierung
war nicht vorhanden. Die Innenperspektive Zahns, die als
Titelblatt dient, macht durch die stark eingezogene Ostapsis,
das Fehlen der Vierung und die ungemein breite Proportion
von 15 m lichte Weite im Mittelschiff zu 17 m Höhe einen
fast altchristlichen Eindruck. Im Äußeren ist die glatte
Flucht von Seitenschiffmauer und Querhausmauer alter-
tümlich, weil der entschlossenen Gliederung noch nicht
nachgegeben wird; dennoch wirkt das Äußere im Zusammen-
hang mit dem Vorhof und der Johanniskirche (Abb. 47)
reich und vielgliedrig. Dies Atrium mit der Taufkirche er-
innert stark an die Situation in Essen.
Die Bedeutung der Rekonstruktion für die Baugeschichte
von Regensburg ist einleuchtend. Obermünster, gegen 1010
errichtet, bezeichnet Zahn „bis auf die Turmstellung als
fast verkleinerte Wiedergabe des romanischen Domes“.
Schwäbls Rekonstruktion von St. Emmcran erfährt eine
ablehnende Kritik, die für die Geschichte der Vierung von
größter Wichtigkeit ist. Ein ergänzender Aufsatz über
diese Fragen ist soeben im Münchner Jahrbuch erschienen
(N. F. VIII, 1931, S. 69). Aber Zahn sieht sich auch im
weiteren Umkreis der damals bedeutendsten deutschen
Dome um, wobei allenthalben eigene neue Beobachtungen
mit eingestreut sind. Der Typus ist uns deutlich, aber jede
neue genaue Bauuntersuchung ergibt eine völlig individuelle
Abwandlung. Regensburg mag dabei dem Typus sehr nahe
stehen, d. h. relativ wenig Besonderheiten haben, bis etwa
auf die eingezogene Ostapsis, das Fehlen von Nebenapsiden.
Die Rekonstruktion von St. Aposteln in Köln (kürzlich im
Wallraf-Richartz-Jahrbuch erschienen), eines etwa gleich
zeitigen Baues, dessen Westpartic mit Westquerschiff,
rechteckigem Chor (der neuerdings durch Ernst Lang
sichergestellt ist) und Westkrypta prinzipiell gleich gebildet
ist, nur mit Rundtürmen und einem mittleren Westturm,
neben die von Regensburg gelegt, läßt die rheinische Kirche
individueller erscheinen, woraus sich vielleicht Schlüsse
ziehen lassen: Regensburg steht dem führenden Bau Augs-
burg näher. Es wäre so verlockend, wenn das Dunkel jener
Zeit um 1000 sich aufhellt, einen Architekten zu denken,
der die wichtigen, untereinander so ähnlichen Bauten in
verschiedenen Stadien seiner eigenen Entwicklung ent-
worfen hat. Aber vorläufig ist ein solcher Vorstoß in die
personale Frage gewiß noch verfrüht. Wir müssen bescheiden
bleiben und dankbar sein für Untersuchungen von so ge-
diegener Sachlichkeit und gesicherten Ergebnissen, wie sic uns
Zahn für den Regensburger Dom beschert hat. Frankl
Georg Dehio, Geschichte der deutschen Kunst.
2. Aufl. Berlin und Leipzig, Walter de Gruyter & Co. 1931.
Dehios Geschichte der deutschen Kunst liegt mit dem
dritten Doppelband in neuer Auflage wieder vollständig vor.
Durchgearbeitet im Text und in den Tafeln des Abbildungs-
bandes verbessert und vermehrt, hat das große Werk, das
bei seinem ersten Erscheinen von Bezold ausführlich be-
sprochen hat (in dieser Chronik 1927/28, S. 55ff.), eine end-
gültige Prägung erfahren. Dieses Geschichtswerk ist von
Grund auf so festgefügt, wurzelt in so klarer Einsicht in
die Wesensart deutscher Kunst, daß es über die Generation
hinaus, die es entstehen sah, bleibenden Wert beanspruchen

darf. Denn cs ist mehr als bloße Überlieferung wissen-
schaftlich gesicherter Tatsachen. Dehio sieht die großen
geschichtlichen Zusammenhänge und hebt die Eigenart
deutscher Kunst nachdrücklich hervor. Sein Werk spiegelt
bei aller kritischen Schärfe und objektiven Haltung die Ge-
sinnung eines idealistisch gerichteten Forschers, der die in
langer Lebensarbeit errungenen Erkenntnisse von dem
Werden und Wachsen deutscher Kunst überzeugend dar-
zulegen vermochte. Anschaulich würdigt er ihre großen
Leistungen, unerschrocken legt er den Finger auf ihre Mängel
und erinnert an die Nöte, die das Schicksal der nationalen
Entfaltung cntgegengestellL hat. Dehios Geschichte der
deutschen Kunst ist eine klassische Leistung, sie ist die beste
Darstellung, die die deutsche Kunstgeschichte bisher ge-
funden hat. R, Graul
H. A. Diepen, Die romanische Bauornamentik in
Klosterrath. Haag 1931, Martinas Nyhoff.
Auf Grund eines umfassenden Materials erweitert der
Verfasser seine Untersuchung der Klosterrather Abteikirche
zu einer Studie über „Die nordfranzösische Invasion an
Maas und Niederrhein im letzten Drittel des 12. Jahr-
hunderts“. Leider steht uns zu einer eingehenden Würdigung
dieser Untersuchung hier kein Raum mehr zur Verfügung.
Der Verfasser kommt zu dem Schlüsse, daß nordfranzösische
Steinmetzen den Chor von St. Truyden und den Ostteil
der Krypta von Klosterrath zu Anfang des letzten Drittels
im 12. Jahrhundert ausgeführt haben. Im Maasgebiet sind
Werkleute aus Frankreich tätig gewesen und es bildete sich,
ausgehend von Lüttich und Maastricht, eine „Maasschule“,
die nicht nur auf den Niederrhein, sondern darüber hinaus
bis nach Mitteldeutschland gewirkt hat. Zahlreiche Ab-
bildungen, zum Teil wenig bekannter Ornamentik, sind
dem Werke beigegeben und erleichtern die Nachprüfung
der von dem Bearbeiter aufgestellten Thesen auf einem Ge-
biete, das der Forschung noch viele offene Fragen stellt.
Diepen hat Wesentliches zu ihrer Beantwortung beigetragen
und neues, wichtiges Material zur Diskussion gestellt. R. G,
R u d o 1 f Pühringer, Denkmäler der früh- und
hochromanischen Baukunst in Österreich. Mit
37 Tafeln, 1 Karte, 7 Tabellen und 108 Textfiguren.
Wien und Leipzig, Holder-Pichler-Tempsky, 1931.
Zur Klarlegung der Entwicklungsgeschichte der wich-
tigsten romanischen Baudenkmäler Österreichs bedient
sich der Verfasser einer Methode, wie sie in dieser Konse-
quenz praktisch bisher noch nicht angewandt wurde: aus-
gehend von dem formelhaft gebundenen Wesen des mittel-
alterlichen Kunstwerks, unterscheidet er zwei typische
Formelgruppen, einmal die tektonischen Vorlagen des Ar-
chitekten (Grund- und Aufriß, Raumform, System, Pro-
portionen, Rhythmus) und dann die Handschrift des Stein-
metzen (Basen, Eckzier, Kapitelle, Bogenprofile, Art der
Gewölbe, Fenster- und Portalwangen usw.). An jedem Bau
wird zunächst die eine und dann die andere Formelgruppe
stilkritisch untersucht, auf ihre Provenienzen und ihre
Chronologie geprüft. Der Verfasser will also weniger den
einzelnen Bau in seiner künstlerischen Einheit und Besonder-
heit beschreiben, als ihn in seiner Zusammensetzung aus
den verschiedenen Formelementen der großen Baukulturen
des romanischen Deutschland analysieren. Danach kann
von einer Einheitlichkeit der romanischen Baukunst auf
österreichischem Boden nicht die Rede sein; sie erscheint
vielmehr als das Resultat höchst verwickelter, aber souverän
verwerteter Beziehungen zur bayrischen, sächsischen, rhei-
nischen und zur Hirsauer Schule. Subtil ausgearbeitete Ta-
bellen bringen systematische Übersichten über die Maße und
Proportionen der hauptsächlichsten romanischen Bauten
Deutschlands und Österreichs zu bequemem Vergleich und
veranschaulichen die Entwicklung des attischen Basenproffls,
der Eckzier der Basen und der Profile der Rundbogenfriese von
etwa 1100 bis ins dritte Viertel des 13. Jahrhunderts. Jahn

11
 
Annotationen