KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZB
NR. 35 27. MAI 1921
DIE MITTELALTERLICHE KUNST SCHWEDENS
UND IHRE ERFORSCHUNG
VON OTTO BENESCH
DER vor kurzem verdorbene fchwedifche Maler Anders Zorn hat im Laufe
des Sommers 1920 der Stockholmer Univerfität eine große Spende zur
Errichtung einer Lehrkanzel für die Erforfchung der nordifchen Kunlt: über-
mittelt. Prof. Johnny Roosval erhielt die Berufung. Damit erweitert fidi
der Wirkungskreis des verdienltvollen Forfchers und man ilt zu der Hoffnung
berechtigt, daß es ihm jetzt in noch höherem Maße als früher möglich fein
wird, fchulbildend zu wirken und eine Generation von jungen Kunlthiltorikern
heranzuziehen, die in organifierter zielbewußter Forfcherarbeit Schwedens
Schätze an alter Kunlt wiflenfchaftlich erfchließen dürfte.
Eine kurze Betrachtung des Wefens des Materials, der allgemeinen Lage
■der Kunltwiflenfchaft in Schweden und der auf diefem Gebiet bisher gelei-
fteten wertvollen Arbeit fei an diefer Stelle geftattet.
Von der fchwedifchen Kunlt ilt nicht die Logik der Entwicklung zu er-
warten, die die mittelalterliche Kunlt der romanifchen Völker beherrfcht: keine
fchön und klar verlaufenden Entwicklungsketten, fondern Wechfel von fremden
Einflüßen ]> mit Indigenem, von Ausländifchem, das in membris disiectis des
übrigen europäifchen Kunfffchaffens da und dort im Lande verffreut ilt, mit
Einheimifchem, das die fremden Anregungen auf feltfame, fchwer zu interpre^
tierende Weife umgeftaltet hat. Die Kunltforfchung ilt da vor keine leichten
Probleme gelteilt. Vor allem kann fie in einem folchen Gebiete erft dann
zu arbeiten beginnen, wenn die Hauptzüge der Entwiddung in den großen
Kulturzentren bereits zu einer relativen Klarheit gebracht find, fo daß wenig-
Itens die Herkunft der fremden Elemente und der Zeitpunkt ihres Eindringens
annähernd feffgeftellt werden können. Deshalb ilt die mit dem Mittelalter fleh
befallende Kunltforfchung, die mit dem Maßltab moderner hiltorifcher Wiflen-
fchaft gemeflen werden kann, in Schweden fehr jungen Datums. Antiquarifche
Intereflen find zwar im Lande fehr alt. Bereits das 17. Jahrhundert zeitigte
die erlte Denkmalsverordnung. Der geiltigen Entwiddung des Landes fehlte
1) Vgl. zu diefem Thema die vorzügliche Abhandlung von Prof. Axel Romdahl über
den »Dom von Linköping«, die demnächlt als Band I der »Nordifchen Kunftbücher«, Wien,
Verlag der Ölterreichifchen Lichtbildltelle, erfcheinen wird.
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZB
NR. 35 27. MAI 1921
DIE MITTELALTERLICHE KUNST SCHWEDENS
UND IHRE ERFORSCHUNG
VON OTTO BENESCH
DER vor kurzem verdorbene fchwedifche Maler Anders Zorn hat im Laufe
des Sommers 1920 der Stockholmer Univerfität eine große Spende zur
Errichtung einer Lehrkanzel für die Erforfchung der nordifchen Kunlt: über-
mittelt. Prof. Johnny Roosval erhielt die Berufung. Damit erweitert fidi
der Wirkungskreis des verdienltvollen Forfchers und man ilt zu der Hoffnung
berechtigt, daß es ihm jetzt in noch höherem Maße als früher möglich fein
wird, fchulbildend zu wirken und eine Generation von jungen Kunlthiltorikern
heranzuziehen, die in organifierter zielbewußter Forfcherarbeit Schwedens
Schätze an alter Kunlt wiflenfchaftlich erfchließen dürfte.
Eine kurze Betrachtung des Wefens des Materials, der allgemeinen Lage
■der Kunltwiflenfchaft in Schweden und der auf diefem Gebiet bisher gelei-
fteten wertvollen Arbeit fei an diefer Stelle geftattet.
Von der fchwedifchen Kunlt ilt nicht die Logik der Entwicklung zu er-
warten, die die mittelalterliche Kunlt der romanifchen Völker beherrfcht: keine
fchön und klar verlaufenden Entwicklungsketten, fondern Wechfel von fremden
Einflüßen ]> mit Indigenem, von Ausländifchem, das in membris disiectis des
übrigen europäifchen Kunfffchaffens da und dort im Lande verffreut ilt, mit
Einheimifchem, das die fremden Anregungen auf feltfame, fchwer zu interpre^
tierende Weife umgeftaltet hat. Die Kunltforfchung ilt da vor keine leichten
Probleme gelteilt. Vor allem kann fie in einem folchen Gebiete erft dann
zu arbeiten beginnen, wenn die Hauptzüge der Entwiddung in den großen
Kulturzentren bereits zu einer relativen Klarheit gebracht find, fo daß wenig-
Itens die Herkunft der fremden Elemente und der Zeitpunkt ihres Eindringens
annähernd feffgeftellt werden können. Deshalb ilt die mit dem Mittelalter fleh
befallende Kunltforfchung, die mit dem Maßltab moderner hiltorifcher Wiflen-
fchaft gemeflen werden kann, in Schweden fehr jungen Datums. Antiquarifche
Intereflen find zwar im Lande fehr alt. Bereits das 17. Jahrhundert zeitigte
die erlte Denkmalsverordnung. Der geiltigen Entwiddung des Landes fehlte
1) Vgl. zu diefem Thema die vorzügliche Abhandlung von Prof. Axel Romdahl über
den »Dom von Linköping«, die demnächlt als Band I der »Nordifchen Kunftbücher«, Wien,
Verlag der Ölterreichifchen Lichtbildltelle, erfcheinen wird.