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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 56.1920/​1921 (April-September)

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Nr. 50/51
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Wulff, Oskar: Das Dante-Bildnis: sein Ursprung und seine Entfaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.36987#0407

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Das Dante=Bildnis

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tung, Dante's Haarfarbe fei fchwarz ge»
wefen, durch das Selbßzeugnis des Dich-
ters in der erden Ekloge widerlegt wird.
Da er diefe erwähnt und fogar abgefchrie»
ben hat, iß der Irrtum bezeichnend für feine
leichtfertige Arbeitsweife. Daß feine wei»
teren Angaben, Dante habe einen dichten
kraufen Bart getragen und wie Andrea Poggi
eine gebeugte Körperhaltung gehabt, willkür-
lieh aus zwei Stellen des Purgatorio (XXXI,
61—75 u. XIX, 40 —42) herausgelefen find,
in denen nur der augenblickliche Zufiand
feines Äußeren gTchildert wird und im
erfieren Falle die Bärtigkeit vielleicht nicht


Abb. 2. Der fog. Dante aus Giotto's Paradiefesfreske
im Bargello
einmal im wörtlichen Sinne zu verfiehen
iß, hat die Kritik auch fchon durchfchaut1).
Allein nach Abzug diefer Einzelheiten blei»
ben doch in Boccaccio's Befchreibung noch
fo anlchauliche Züge übrig, daß er fchwerlich
nur aus mündlicher oder fchrißlicher Über»
lieferung gefchöpft haben kann. Auf ein
ihm vorliegendes Bildnis — etwa eine
Miniatur — hinzuweifen, hätte er anderer»
feits gewiß nicht verfehlt. So fpricht alles
vielmehr dafür, daß Boccaccio's Schilde»
rung von allgemein bekannten DarfieP
weifen fich vergeblich bemüht, um Boccaccio's
Glaubwürdigkeit zu wahren.
1> Vgl. dazu Holbrook, a.a. O. S. 18 ff, und
J. Krauss, a. a. O. S.9ff.

lungen des Dichters abhängt, die er fchon
vor Augen hatte und die auch uns noch
teilweife erhalten find. Dürfen wir fie als
wahrheitsgetreue Zeugniffe anerkennen,
und wie weit ßimmen fie mit Boccaccio's
Angaben überein?
Als das älteße Dantebildnis gilt noch
heute allgemein eine in der Giotto zuge»
Ichriebenen Paradiefesfreske der Kapelle
des Bargello nahe der Mitte rechts unten
augenfcheinlich in jugendlichem Lebensalter
wiedergegebene Geßalt <Abb, 2). Sie galt



Abb. 3. Kirkup's Paufe nach dem Dantekopf im Bargeilo
dafür fchon in der zweiten Hälfte des
Trecento, wie ein unzweideutiger Hin»
weis im Centiloquio des Antonio Pucci
<f 1373) und ihre Erwähnung in der
Chronik des Fil. Villani <1343 — 1405)
beweifen, deren Zeugnis 1840 den Anfioß
zu ihrer Aufdeckung unter der fpäteren
Tünche gab2). Leider wurde dabei nicht
nur das Antlitz durch Herausreißen eines
2) Villani's Angabe, daß es ein Tafelbild
gewefen fe;, ift als Irrtum anzufehen und fchon
in der italienifchen Ausgabe berichtigt,- vgl.
J. Krauss: a. a. O. S. 25 ff. Die Gefchichte
der Entdeckung und Verunftaltung des ver»
meintlichen Danteporträts ift von Holbrook,
a. a. O. S. 73 ff. aus den zeitgenöffifchen
Quellen aufgehellt worden,
 
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