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der gewohnten Terminologie doch unentbehrlich; diese kann nicht durch
künstliche Neubildungen ersetzt werden, die, systematisch zusammengebraut,
niemals mit der Lebendigkeit der natürlich gewachsenen konventionellen
Stilbegriffe, dieser ungeratenen Kinder der Kunstgeschichte, wetteifern
könnten. Denn die Korrektion dieser Stilabstraktionen — die etwa den
Kulturzeitaltern Lamprechts oder den historischen Stufen Breysigs ent-
sprechen würden — ist nur eine scheinbare; tatsächlich müsste die Er-
kenntnis jedes bei der Definition übersehenen Formproblems — und jede
Weiterentwicklung kann eine solche bringen — die systematische Glie-
derung zerreissen und die künstlichen Stilbegriffe in denselben Wirrwar
versetzen, den wir bei den konventionellen doch wenigstens schon ge-
wöhnt sind. Schliesslich verschlägt er bei diesen ja gar nicht so viel;
denn wir verständigen uns ganz gut mit ihrer Hilfe und damit werden
sie ihrer terminologischen Aufgabe ja eigentlich völlig gerecht.
Mehr aber soll man von ihnen nicht verlangen; wer dies noch nicht
weiss, kann es in Philippis Buch lernen, das den Weg zum historischem
Verständnis des wichtigsten unter ihnen ebnet.
Hans Tietze.
Bücher der Erkenntnis II. Die Renaissance in lta-
lien. Die Grundzüge ihrer geistigen Entwicklung nach den
Quellen dargestellt und mit einführenden und erklärenden Essays
versehen von Dr. G. v. Allesch. Weimar 1912. Gustav Kie-
penheuer. 480 S. 8°.
Es wurde mir gesagt, der Autor des Buches sei ein Psychologe und
damit könnten wir uns vielleicht bescheiden, da es mit der Kunstge-
schichte wirklich nur wenig zu tun hat. Und nur um dies zu betonen,
möchte ich ihm einige Bemerkungen widmen. Der Autor stellte sich,
wie er im Vorwort sagt, eine zweifache Aufgabe. „Einmal sollen die
psychischen Kräfte, die in der Renaissance am Werke waren, in eine
geschlossene Ansicht gebracht werden. Dann soll durch Mitteilung alter
Dokumente über einzelne Persönlichkeiten und solche von ihrer eigenen
Hand ein konkretes Bild der Zeit entstehen und dermassen durch die
Zusammenordnung allgemeiner Gesichtspunkte und individueller Züge
eine Anweisung gegeben werden, dieses wichtige Stück der Menschheits-
geschichte in seinen wesentlichen Nerven nachzuerleben".
Wenden wir uns zunächst zu den „Dokumenten", die drei Viertel
des Buches füllen. Es sind dies einzelne Kapitel aus Alberti, Pacioli,
Leonardos Malerbuch, der anonyme Bericht über die Ausgrabungen in
Rom, einige Künstlerbriefe und sechzehn Künstlerbiographieen von Va-
sari in deutscher Übersetzung. Die letzteren sind sicher ganz ungeeignet,
ein konkretes Bild der Zeit in objektiver Beleuchtung dem Leser vor-
zuführen, da sie nicht nur, wovon der Autor unterrichtet ist, in ihren
der gewohnten Terminologie doch unentbehrlich; diese kann nicht durch
künstliche Neubildungen ersetzt werden, die, systematisch zusammengebraut,
niemals mit der Lebendigkeit der natürlich gewachsenen konventionellen
Stilbegriffe, dieser ungeratenen Kinder der Kunstgeschichte, wetteifern
könnten. Denn die Korrektion dieser Stilabstraktionen — die etwa den
Kulturzeitaltern Lamprechts oder den historischen Stufen Breysigs ent-
sprechen würden — ist nur eine scheinbare; tatsächlich müsste die Er-
kenntnis jedes bei der Definition übersehenen Formproblems — und jede
Weiterentwicklung kann eine solche bringen — die systematische Glie-
derung zerreissen und die künstlichen Stilbegriffe in denselben Wirrwar
versetzen, den wir bei den konventionellen doch wenigstens schon ge-
wöhnt sind. Schliesslich verschlägt er bei diesen ja gar nicht so viel;
denn wir verständigen uns ganz gut mit ihrer Hilfe und damit werden
sie ihrer terminologischen Aufgabe ja eigentlich völlig gerecht.
Mehr aber soll man von ihnen nicht verlangen; wer dies noch nicht
weiss, kann es in Philippis Buch lernen, das den Weg zum historischem
Verständnis des wichtigsten unter ihnen ebnet.
Hans Tietze.
Bücher der Erkenntnis II. Die Renaissance in lta-
lien. Die Grundzüge ihrer geistigen Entwicklung nach den
Quellen dargestellt und mit einführenden und erklärenden Essays
versehen von Dr. G. v. Allesch. Weimar 1912. Gustav Kie-
penheuer. 480 S. 8°.
Es wurde mir gesagt, der Autor des Buches sei ein Psychologe und
damit könnten wir uns vielleicht bescheiden, da es mit der Kunstge-
schichte wirklich nur wenig zu tun hat. Und nur um dies zu betonen,
möchte ich ihm einige Bemerkungen widmen. Der Autor stellte sich,
wie er im Vorwort sagt, eine zweifache Aufgabe. „Einmal sollen die
psychischen Kräfte, die in der Renaissance am Werke waren, in eine
geschlossene Ansicht gebracht werden. Dann soll durch Mitteilung alter
Dokumente über einzelne Persönlichkeiten und solche von ihrer eigenen
Hand ein konkretes Bild der Zeit entstehen und dermassen durch die
Zusammenordnung allgemeiner Gesichtspunkte und individueller Züge
eine Anweisung gegeben werden, dieses wichtige Stück der Menschheits-
geschichte in seinen wesentlichen Nerven nachzuerleben".
Wenden wir uns zunächst zu den „Dokumenten", die drei Viertel
des Buches füllen. Es sind dies einzelne Kapitel aus Alberti, Pacioli,
Leonardos Malerbuch, der anonyme Bericht über die Ausgrabungen in
Rom, einige Künstlerbriefe und sechzehn Künstlerbiographieen von Va-
sari in deutscher Übersetzung. Die letzteren sind sicher ganz ungeeignet,
ein konkretes Bild der Zeit in objektiver Beleuchtung dem Leser vor-
zuführen, da sie nicht nur, wovon der Autor unterrichtet ist, in ihren