III —
Darum mag es zum Schlüsse gestattet sein, an die „rührige" Ver-
lagsfirma die Mahnung zu richten, in der Auswahl der Autoren, deren
Werke sie herausgibt, etwas vorsichtiger zu sein. Und noch eines:
Nicht weniger als 16 Abbildungen dieses Buches sind aus früheren, zum
Teil erst vor kurzem erschienenen Verlagswerken derselben Firma ein-
fach herübergenommen und das Bildnis Johanna der Wahnsinnigen
(Abb. 6) ist keineswegs, wie die Verf. entweder selbst glaubt oder glauben
machen will, nach dem Original, sondern augenscheinlich nach einer
der schon von Karl Justi mit Recht als mittelmässig bezeichneten Litho-
graphien in Carderera y Solanos Iconograha Espahola II, Est. LXIII, re-
produziert. Die immer wieder erneute Reproduktion vorhandener Ab-
bildungen mag ja vom rein kaufmännisch-buchhändlerischen Standpunkte
ebenso bequem als vorteilhaft sein — darüber masst sich Ref. kein Urteil
an. Dem wissenschaftlichen Rufe einer ernsten Verlagsfirma aber kann
solch fabriksmässiges Vorgehen eher schaden als nützen und die
Kunstgeschichte wird durch derartige Publikationen in keiner Weise ge-
fördert.
Wie wäre es daher, wenn Van Oest & Cie. es einmal zur Ab-
wechslung mit dem Grundsatz „Non multa sed multum" versuchen
wollten?
H. Zimmermann.
Edmond Pilon: Watteau et son ecole. Bibliotheque
de 1' art du XVIII. siecle. van Oest. 1912.
Die Lektüre dieses Buches ist eine Qual, denn das Pathos des Fest-
redners tönt dem Leser auf jeder Seite entgegen, ohne dass es dem
Autor gelänge, uns angenehm zu unterhalten. Diese kritiklose Begei-
sterung ist der Todfeind jedes wahren Kunstverständnisses und trägt die
Hauptschuld an dem gegenwärtigen Tiefstände der Watteauforschung in
Frankreich, der dahin führte, dass man das Hauptwerk des Künstlers -—
Gersaints Firmenschild — als eine trockene Kopie „entdeckte".
Es nimmt daher nicht weiter Wunder, in dem vorliegenden Buche,
das unsere Kenntnis in keiner Weise bereichert, alle alten Irrtümer wieder-
zufinden. So werden die Bilder in Lille, Dublin, Glasgow, die „Rast
im Walde" in Dulwich und die „Cascade" in der Wallace-Kollektion
unter den eigenhändigen Werken aufgeführt. Noch ärger ist es, dass
der Autor uns zumutet, in dem Bilde bei Mme. Groult (Abb. Klassiker
der Kunst 177) ein Porträt Juliennes von Watteau zu sehen. Es stellt
weder Julienne dar, den wir durch den Stich nach dem Gemälde kennen,
noch hat es — wie das zweite Porträt im gleichen Besitze (Abb. Klas-
siker der Kunst 176) — die geringste Verwandtschaft mit den Bildern
des Künstlers. Nicht zu diskutieren ist ferner das 1910 in Berlin aus-
gestellte weibliche Porträt, das als das Pendant zu Paters Vater im Museum
zu Valenciennes ausgegeben wurde. Der Autor enthält sich eines ab-
Darum mag es zum Schlüsse gestattet sein, an die „rührige" Ver-
lagsfirma die Mahnung zu richten, in der Auswahl der Autoren, deren
Werke sie herausgibt, etwas vorsichtiger zu sein. Und noch eines:
Nicht weniger als 16 Abbildungen dieses Buches sind aus früheren, zum
Teil erst vor kurzem erschienenen Verlagswerken derselben Firma ein-
fach herübergenommen und das Bildnis Johanna der Wahnsinnigen
(Abb. 6) ist keineswegs, wie die Verf. entweder selbst glaubt oder glauben
machen will, nach dem Original, sondern augenscheinlich nach einer
der schon von Karl Justi mit Recht als mittelmässig bezeichneten Litho-
graphien in Carderera y Solanos Iconograha Espahola II, Est. LXIII, re-
produziert. Die immer wieder erneute Reproduktion vorhandener Ab-
bildungen mag ja vom rein kaufmännisch-buchhändlerischen Standpunkte
ebenso bequem als vorteilhaft sein — darüber masst sich Ref. kein Urteil
an. Dem wissenschaftlichen Rufe einer ernsten Verlagsfirma aber kann
solch fabriksmässiges Vorgehen eher schaden als nützen und die
Kunstgeschichte wird durch derartige Publikationen in keiner Weise ge-
fördert.
Wie wäre es daher, wenn Van Oest & Cie. es einmal zur Ab-
wechslung mit dem Grundsatz „Non multa sed multum" versuchen
wollten?
H. Zimmermann.
Edmond Pilon: Watteau et son ecole. Bibliotheque
de 1' art du XVIII. siecle. van Oest. 1912.
Die Lektüre dieses Buches ist eine Qual, denn das Pathos des Fest-
redners tönt dem Leser auf jeder Seite entgegen, ohne dass es dem
Autor gelänge, uns angenehm zu unterhalten. Diese kritiklose Begei-
sterung ist der Todfeind jedes wahren Kunstverständnisses und trägt die
Hauptschuld an dem gegenwärtigen Tiefstände der Watteauforschung in
Frankreich, der dahin führte, dass man das Hauptwerk des Künstlers -—
Gersaints Firmenschild — als eine trockene Kopie „entdeckte".
Es nimmt daher nicht weiter Wunder, in dem vorliegenden Buche,
das unsere Kenntnis in keiner Weise bereichert, alle alten Irrtümer wieder-
zufinden. So werden die Bilder in Lille, Dublin, Glasgow, die „Rast
im Walde" in Dulwich und die „Cascade" in der Wallace-Kollektion
unter den eigenhändigen Werken aufgeführt. Noch ärger ist es, dass
der Autor uns zumutet, in dem Bilde bei Mme. Groult (Abb. Klassiker
der Kunst 177) ein Porträt Juliennes von Watteau zu sehen. Es stellt
weder Julienne dar, den wir durch den Stich nach dem Gemälde kennen,
noch hat es — wie das zweite Porträt im gleichen Besitze (Abb. Klas-
siker der Kunst 176) — die geringste Verwandtschaft mit den Bildern
des Künstlers. Nicht zu diskutieren ist ferner das 1910 in Berlin aus-
gestellte weibliche Porträt, das als das Pendant zu Paters Vater im Museum
zu Valenciennes ausgegeben wurde. Der Autor enthält sich eines ab-