Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Universität Wien / Institut für Österreichische Geschichtsforschung [Editor]
Kunstgeschichtliche Anzeigen — 1912

DOI issue:
Kunstgeschichtliche Anzeigen. Beiblatt der „Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung" Redigiert von Max Dvořák, Nr. 3-4
DOI issue:
Anton Mayer, Der Gefühlsausdruck in der bildenden Kunst. Von Hans Tietze
DOI issue:
J. J. Tikannen, Die Beinstellungen in der Kunstgeschichte. Von E. Tietze-Conrat
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71655#0074

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
66 —

ferent kann nicht verpflichtet sein, den krausen Wegen des Verfassers
zu folgen, etwa an seiner Hand, „auf das Verhältnis der bildenden Kunst
zur Natur, zur Photographie und zum Schönen im besonderen näher
einzugehen" (S. 37).
Derartige Bücher werden gewöhnlich von Leuten geschrieben, die
autodidaktisch geschult und fern von den Zentren der wissenschaftlichen
Bildung lebend den Masstab für den Wert des mühsam selbst Erworbenen
verloren haben und der systematischen Schulweisheit trotzig ihr dilet-
tantisches Besserwissen entgegensetzen. Von dieser Art ist der Verfasser
durchaus nicht; er ist im Vollbesitz der Bildung, die das Feuilleton
unserer Zeit vermittelt, zitiert mehrere philosophische Bücher und hat
volkstümliche Vorträge über Ästhetik gehört, kurz ist so modern und
zeitgemäss wie irgend ein ständiger Leser von „Kunst und Künstler".
In diesem Erfülltsein mit Gedanken, die zu den mächtigsten Strömungen
der ästhetischen Gegenwartskultur zu gehören beginnen, liegt auch wohl
das einzige Interesse der lallenden Ausdrucksästhetik, die dieses Buch
bietet; denn es ist immer lehrreich zu sehen, wie weit solche Ideen be-
reits wirken, wie stark eine neue Kunstauffassung geworden sein muss,
wenn sie auch das nur mitlaufende Schrifttum schon so sehr durch-
dringt. Die Zeit hat dem Verfasser, der mit offenem Auge und Ohr
durch unser Kunstleben schreitet, eine Modernität geschenkt, an der sein
persönliches Verdienst gering ist; mit Lichtenberg könnte man über das
Positive seiner Leistung sagen: es denkt.
Hans Tietze.

J. J. Tikannen, Die Beinstellungen in der Kunst-
geschichte. Ein Beitrag zur Geschichte der künstlerischen
Motive. Tom. XLII Nr. 1 der Acta Societatis Scientiarum Fennicae
Helsingfors 1912.
Das Buch ist so einfach, so wohltuend ehrlich geschrieben, dass
man dem Autor für das Dokument seiner klaren Menschlichkeit auf-
richtig danken möchte; nirgends werden um der Konsequenz einer Kon-
struktion willen etwa widersprechende Tatsachen unterdrückt, immer die
dem Thema eignenden Unklarheiten offen dargelegt. Die Motive der
Beinstellungen in der bildenden Kunst sind nach charakteristischen
Gruppen gegliedert: 1. das Stehen mit gespreizten Beinen, der seitwärts
gestellte Fuss und der Tanzmeisterschritt; 2. das Stehen mit geschlossenen
Knieen; 3. das Stehen mit aufgestütztem Fusse und mit gekreuzten
Beinen; jede einzelne Gruppe ist in ihrer historischen Abfolge behandelt.
Das Stellungsmotiv kann Zweckmotiv sein, so spreizt der Scherge die
Beine breit auseinander, um mit aller Wucht den Streich zu führen;
oder es kann Ausdruckmotiv sein, so setzt der Satyrknabe das Spielbein
gekreuzt übers Standbein und drückt sein „dolce far niente", das ihn
das Köpfchen neigen lässt und den Körper weich an den Baumstamm
lehnt, auch in der inaktiven Beinstellung aus. Doch ist die scharfe
 
Annotationen