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rein ästhetischen Besinnung auf einmal geprägte Maximen leicht kommen?
kann, das eine Mal mit dem Scheine der Währung allergrösster Unpersön-
lichkeit, das andere Mal in der Überzeugung von der unumstösslichen
Richtigkeit und Allgemeingültigkeit des scheidenden Urteils u. s. w."..
(p. 232): „Und doch konnten wir schliesslich feststellen, dass den Italienern
— wie den gotischen Barbaren -— ■ Raumgestalten das Wesentliche
in der Baukunst war. Um schliesslich doch dieses künstlerische Aus-
drucksmittel unter die unnachsichtig sinnliche Theorie zu meistern, kann
man sich mit so phantastischen Vorstellungen — in, man möchte sagen,,
studentischem Jargon — wie „Seelenachse" für Höhenentwicklungen im
Zentralkuppelbau, zuhilfe; und Grosse der Kunstforschung haben sich,
tief in' solch Spekulationen versenkt, u. s. w."
Oskar Pollak.
Henry Rousseau, La Sculpture aux XVIIe et XVIII6
siecles. Collection des grands artistes des Pays-Bas. G. van
Oest & Cie. Bruxelles-Paris 1911.
Mehr noch als in Italien hat in den Niederlanden das Odium, wel-
ches so lange dem Barock anhaftete, von allen Künsten die Malerei
eigentlich verschont. Der doktrinäre Vorwurf des Verstosses gegen den
„guten Geschmack", der von zwei Jahrhunderten gegen die Architekten
und Bildhauer jener Epoche erhoben wurde, verstummt fast ganz vor
den Werken des Rubens.
Unus Plato pro centum milibus. Allerdings wiegt der eine Rubens,
die wenigen bekannten und die Scharen unbekannter Künstler auf, wel-
che die Grabmäler seiner Zeitgenossen schufen, ihre Kirchen mit gewal-
tigen Altären schmückten und die Pfeiler mit Marmorstatuen be-
völkerten. Aber eine der dogmatischen Kunstbetrachtung entwachsene
Zeit wird doch wohl hier wie dort ein einheitliches künstlerisches Wollen
sehen; es sei denn, dass gerade hier das historische Grundgesetz der
Einheitlichkeit und Analogie in der Entwicklung der bildenden Künste
durchbrochen wäre. Gleichviel nun, ob man diese merkwürdige In-
konsequenz des künstlerischen Urteils von Generationen aus der kunst-
historischen Stellung der übermächtigen Persönlichkeit Rubens oder der
führenden Stellung der Malerei im 17. Jahrhundert überhaupt erklären
will, oder die Ursachen tiefer in der intransigenten klassizistischen Kunst-
theorie von den Aufgaben der Plastik liegen sieht, soviel steht fest, dass
in ihr der Hauptgrund für die bisherige Vernachlässigung einer Kunst-
gruppe liegt, die eben dem Bannstrahl des Klassizismus ausgeliefert war.
Die Art, wie Rousseau diese Vernachlässigung gut machen will, ist.
eine typische, wie man sie vor einem Jahrzehnt auf dem analogen Ge-
biet der italienischen Kunst erlebt hat, als Fraschetti sein Jubiläumsbuch,
über Bernini schrieb. Hier wie dort spricht das nationale Gefühl, wel-
rein ästhetischen Besinnung auf einmal geprägte Maximen leicht kommen?
kann, das eine Mal mit dem Scheine der Währung allergrösster Unpersön-
lichkeit, das andere Mal in der Überzeugung von der unumstösslichen
Richtigkeit und Allgemeingültigkeit des scheidenden Urteils u. s. w."..
(p. 232): „Und doch konnten wir schliesslich feststellen, dass den Italienern
— wie den gotischen Barbaren -— ■ Raumgestalten das Wesentliche
in der Baukunst war. Um schliesslich doch dieses künstlerische Aus-
drucksmittel unter die unnachsichtig sinnliche Theorie zu meistern, kann
man sich mit so phantastischen Vorstellungen — in, man möchte sagen,,
studentischem Jargon — wie „Seelenachse" für Höhenentwicklungen im
Zentralkuppelbau, zuhilfe; und Grosse der Kunstforschung haben sich,
tief in' solch Spekulationen versenkt, u. s. w."
Oskar Pollak.
Henry Rousseau, La Sculpture aux XVIIe et XVIII6
siecles. Collection des grands artistes des Pays-Bas. G. van
Oest & Cie. Bruxelles-Paris 1911.
Mehr noch als in Italien hat in den Niederlanden das Odium, wel-
ches so lange dem Barock anhaftete, von allen Künsten die Malerei
eigentlich verschont. Der doktrinäre Vorwurf des Verstosses gegen den
„guten Geschmack", der von zwei Jahrhunderten gegen die Architekten
und Bildhauer jener Epoche erhoben wurde, verstummt fast ganz vor
den Werken des Rubens.
Unus Plato pro centum milibus. Allerdings wiegt der eine Rubens,
die wenigen bekannten und die Scharen unbekannter Künstler auf, wel-
che die Grabmäler seiner Zeitgenossen schufen, ihre Kirchen mit gewal-
tigen Altären schmückten und die Pfeiler mit Marmorstatuen be-
völkerten. Aber eine der dogmatischen Kunstbetrachtung entwachsene
Zeit wird doch wohl hier wie dort ein einheitliches künstlerisches Wollen
sehen; es sei denn, dass gerade hier das historische Grundgesetz der
Einheitlichkeit und Analogie in der Entwicklung der bildenden Künste
durchbrochen wäre. Gleichviel nun, ob man diese merkwürdige In-
konsequenz des künstlerischen Urteils von Generationen aus der kunst-
historischen Stellung der übermächtigen Persönlichkeit Rubens oder der
führenden Stellung der Malerei im 17. Jahrhundert überhaupt erklären
will, oder die Ursachen tiefer in der intransigenten klassizistischen Kunst-
theorie von den Aufgaben der Plastik liegen sieht, soviel steht fest, dass
in ihr der Hauptgrund für die bisherige Vernachlässigung einer Kunst-
gruppe liegt, die eben dem Bannstrahl des Klassizismus ausgeliefert war.
Die Art, wie Rousseau diese Vernachlässigung gut machen will, ist.
eine typische, wie man sie vor einem Jahrzehnt auf dem analogen Ge-
biet der italienischen Kunst erlebt hat, als Fraschetti sein Jubiläumsbuch,
über Bernini schrieb. Hier wie dort spricht das nationale Gefühl, wel-