DIE ZIMMERAUSSTATTUNG AUF DEN AUSSTELLUNGEN IM SOMMER 1899 23
Aber nun die Blütenstiele. Ihnen wäre zwischen den
weitläufig gestellten Blumen die wichtige Aufgabe
zugefallen, als stimmunggebende Linien zu wirken.
Sie mussten konsequent und gefällig geführt sein und
hätten dann verraten, inwiefern die Fähigkeit zu wirk-
lichem Stilisieren der Naturform vorhanden war. Das
will denn doch etwas anderes heissen, als das blosse
Auslassen der charakteristischen Einzelheiten, womit
es manchmal verwechselt wird. Hier jedenfalls war
dieser Teil der Zeichnung recht oberflächlich zufalls-
mässig ausgeführt. Solche Dinge können natürlich
nicht vorbildlich wirken.
Dann wird gesagt, der Künstler solle für den
praktischen Gebrauch statt für den Luxus arbeiten.
Trotzdem sind in den Ausstellungen die Prunkgeräte,
die Schmucksachen und Vasen noch immer unbe-
dingter befriedigend als die Möbel und Hausgeräte.
Immerhin ist es mit Genug-
thuungfestzustellen, dass heute
mit Vorliebe für den Gebrauch
gearbeitet wird. Die Geräte
sollen dann gern so schlicht
und schmucklos auftreten, dass
man gewiss keine andere Ab-
sicht argwöhnen könne, als
die der praktischen Verwen-
dung zu dienen. Das gilt auch
von den Tassen und Bechern
aus Steingut. Ob man sie
gerne benutzen wird? Warum
denn nicht, sie sind kostbar
und das versöhnt vielleicht
manche verwöhnte Dame mit
der derben Form und mit der
Rauheit des Materials. Sie
gönnt den grauen und so os-
tentativ anspruchslosen Tassen
wohl einen Platz auf ihrem
Frühstückstisch und verbannt
dafür Silber und Porzellan.
Aber so lange die Tasse leer
dasteht, kann man doch ein
gewisses Unbehagen nicht los
werden, wenn man die dick
auf dem Boden zusammen-
gelaufene Glasur bemerkt,
welche die Vorstellung er-
weckt, als sei sie noch nicht
erhärtet und eben erst an dem
Rande des Gefässes herab-
gesickert. Dies Überfliessen
der Glasur, diese durch den
technischen Vorgang entste-
hende Zufälligkeit der Deko-
ration, ist eine Eigenheit, auf
welche die moderne Keramik
sich etwas zu gute thut. Auf
Schmuck- und Schaustücken
bewundert man sie willig, aber
hier sollen praktische Geräte
geschaffen werden und ohne
Rücksicht darauf, ob die Eigentümlichkeit des Materials
sich dafür eignet, musste es sich dem Eigenwillen des
Künstlers fügen.
Ein weiteres Beispiel: Man hat die Vorliebe für
die kleinen Linien, die unpraktischen Winzigkeiten
des Rokoko satt bekommen. Grosse, ehrliche Formen,
die ihren Zweck offen eingestehen, sind die Losung.
Die kleinen Schreibzeuge auf Damentischen z. B.,
deren zierliches Gestell wenig Sicherheit gegen das
Umstossen bot, betrachtet man heute nur voll mit-
leidiger Geringschätzung. Stellen wir eine grosse
Schale hin mit fester Basis, verzichten wir selbst auf
die plastischen Figuren, die eine Zeit lang an den
Geräten der Du Bois und Carabin unvermeidlich
waren, wenn sie auch mit dem Tintenbehälter-eigent-
lich nichts zu schaffen hatten. Aber nun kommen
doch einige'einfache Ornamente, die mit ihren grossen
Gaskamin von Prof. MAX LÄUOER, Karlsruhe; Oasapparat von FR. SIEMENS, Dresden.
(Gesetzl. geschützt.)
Aber nun die Blütenstiele. Ihnen wäre zwischen den
weitläufig gestellten Blumen die wichtige Aufgabe
zugefallen, als stimmunggebende Linien zu wirken.
Sie mussten konsequent und gefällig geführt sein und
hätten dann verraten, inwiefern die Fähigkeit zu wirk-
lichem Stilisieren der Naturform vorhanden war. Das
will denn doch etwas anderes heissen, als das blosse
Auslassen der charakteristischen Einzelheiten, womit
es manchmal verwechselt wird. Hier jedenfalls war
dieser Teil der Zeichnung recht oberflächlich zufalls-
mässig ausgeführt. Solche Dinge können natürlich
nicht vorbildlich wirken.
Dann wird gesagt, der Künstler solle für den
praktischen Gebrauch statt für den Luxus arbeiten.
Trotzdem sind in den Ausstellungen die Prunkgeräte,
die Schmucksachen und Vasen noch immer unbe-
dingter befriedigend als die Möbel und Hausgeräte.
Immerhin ist es mit Genug-
thuungfestzustellen, dass heute
mit Vorliebe für den Gebrauch
gearbeitet wird. Die Geräte
sollen dann gern so schlicht
und schmucklos auftreten, dass
man gewiss keine andere Ab-
sicht argwöhnen könne, als
die der praktischen Verwen-
dung zu dienen. Das gilt auch
von den Tassen und Bechern
aus Steingut. Ob man sie
gerne benutzen wird? Warum
denn nicht, sie sind kostbar
und das versöhnt vielleicht
manche verwöhnte Dame mit
der derben Form und mit der
Rauheit des Materials. Sie
gönnt den grauen und so os-
tentativ anspruchslosen Tassen
wohl einen Platz auf ihrem
Frühstückstisch und verbannt
dafür Silber und Porzellan.
Aber so lange die Tasse leer
dasteht, kann man doch ein
gewisses Unbehagen nicht los
werden, wenn man die dick
auf dem Boden zusammen-
gelaufene Glasur bemerkt,
welche die Vorstellung er-
weckt, als sei sie noch nicht
erhärtet und eben erst an dem
Rande des Gefässes herab-
gesickert. Dies Überfliessen
der Glasur, diese durch den
technischen Vorgang entste-
hende Zufälligkeit der Deko-
ration, ist eine Eigenheit, auf
welche die moderne Keramik
sich etwas zu gute thut. Auf
Schmuck- und Schaustücken
bewundert man sie willig, aber
hier sollen praktische Geräte
geschaffen werden und ohne
Rücksicht darauf, ob die Eigentümlichkeit des Materials
sich dafür eignet, musste es sich dem Eigenwillen des
Künstlers fügen.
Ein weiteres Beispiel: Man hat die Vorliebe für
die kleinen Linien, die unpraktischen Winzigkeiten
des Rokoko satt bekommen. Grosse, ehrliche Formen,
die ihren Zweck offen eingestehen, sind die Losung.
Die kleinen Schreibzeuge auf Damentischen z. B.,
deren zierliches Gestell wenig Sicherheit gegen das
Umstossen bot, betrachtet man heute nur voll mit-
leidiger Geringschätzung. Stellen wir eine grosse
Schale hin mit fester Basis, verzichten wir selbst auf
die plastischen Figuren, die eine Zeit lang an den
Geräten der Du Bois und Carabin unvermeidlich
waren, wenn sie auch mit dem Tintenbehälter-eigent-
lich nichts zu schaffen hatten. Aber nun kommen
doch einige'einfache Ornamente, die mit ihren grossen
Gaskamin von Prof. MAX LÄUOER, Karlsruhe; Oasapparat von FR. SIEMENS, Dresden.
(Gesetzl. geschützt.)