KLEINE MITTEILUNGEN
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niemals ignoriert werden einer Laune des Entwerfers
oder des Bauherrn zu Liebe. Eine Treppe ist und
bleibt eine Treppe und um stabil und bequem zu
sein, muss sie struktiv so gebaut werden, wie sie von
jeher gebaut worden ist. Das Geländer aber z. B.
muss denn das Renaissance, Barock oder neu englisch
sein, kann es nicht einmal anders geartete Stäbe, an-
dere Verzierungen, andere Verteilung, andere Holz-
arten, andere Farben haben? Man gebe uns einen
einzigen vernünftigen Grund an, warum man nicht
eine solche Treppe ausführen sollte.
Man stelle sich ein ganzes Haus vor, das gebaut
wäre mit dieser Lust, dieser Freude an etwas eigen-
artigem, das nicht jeder Nachbar, und wäre es der
Reichste, hat! Allgemein wird die Wirkung, die die
direkte tägliche Umgebung in der eigenen Wohnung
auf Gemüt und Stimmung hat, unterschätzt. Unbewusst
leben wir dahin; dass ein Zimmer nach dem Garten,
wo die Sonne hineinscheint, besser ist, als ein Zimmer
nach der Strasse zu, das ist uns allen klar. Auch die gute
Stube mit ihrer Symmetrie, ihren Sofas, ihren Photo-
graphien und ihren Araucarien wird jetzt schon vielfach
verhöhnt. Ein skulptiertes Renaissancekamin aber mit
Bronzelüstern links und rechts, wird, wenn es 4000 M.
gekostet hat, noch immer geschmackvoll gefunden und
ist doch bloss die gute Stube der Reichen.
Und wie rasch gewöhnt man sich an die Interieurs,
die man fix und fertig vom Architekten hergestellt
bezieht. Hat man aus Griechenland aber einen vor-
nehmen antiken Kopf, durch List und viel Geld
gewonnen, heimgebracht, wie anders hängt man an ihm.
Wie eifersüchtig stolz ist ein Sammler auf seine langsam
aufgespürten Schätze. Wie voll ist sein Leben mit Inter-
esse, Spannung, Zielbewusstsein. Wie gesteigert, ver-
schärft ist sein ästhetisches Wahrnehmungsvermögen.
Und alle diese Freude am selbst Entdeckten, selbst
Erworbenen auf kunstgewerblichem Gebiete lassen wir
uns entgehen aus Gleichgültigkeit, Misstrauen gegen
das Neue und vornehmlich aus Hast. Statt wie
Humboldt in unbekanntes Land zu dringen, mit aller
Spannung, Erregung und dem Hochgefühl des Ent-
deckers, ziehen wir es vor, mit 300 anderen per
Dampfschiff und Eisenbahn in Eile, müde und nur
etwas neugierig nach Chicago zu reisen. Jeder reiche
Mann aber, der sich wieder einmal ein Haus von Firmen
fix und fertig einrichten lässt, statt es nur für sich von
Künstlern ersinnen zu lassen, schlägt einen weiteren
Nagel ein in den Sarg des Kunstgewerbes.
(Schluss folgt.)
KLEINE
MITTEILUNGEN
VEREINE
BRESLAU. Kutistgewerbeverein. Am 2. Juni d. J.
hielt Herr Zeichenlehrer Sonnenkalb einen Vor-
trag über »moderne Reformvorschläge im Zeich-
nenunterricht , verbunden mit einer Ausstellung von
Kunstgewerbeblatt. N. F. XI. H. 4.
Ehrenpreis S. K. H. des Grossherzogs von Baden zum Iffezheimer
Rennen 1899. Entwurf von Direktor H. GÖTZ, Karlsruhe
Ausführung; von Prof. K. WEIBLEN, Pforzheim.
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niemals ignoriert werden einer Laune des Entwerfers
oder des Bauherrn zu Liebe. Eine Treppe ist und
bleibt eine Treppe und um stabil und bequem zu
sein, muss sie struktiv so gebaut werden, wie sie von
jeher gebaut worden ist. Das Geländer aber z. B.
muss denn das Renaissance, Barock oder neu englisch
sein, kann es nicht einmal anders geartete Stäbe, an-
dere Verzierungen, andere Verteilung, andere Holz-
arten, andere Farben haben? Man gebe uns einen
einzigen vernünftigen Grund an, warum man nicht
eine solche Treppe ausführen sollte.
Man stelle sich ein ganzes Haus vor, das gebaut
wäre mit dieser Lust, dieser Freude an etwas eigen-
artigem, das nicht jeder Nachbar, und wäre es der
Reichste, hat! Allgemein wird die Wirkung, die die
direkte tägliche Umgebung in der eigenen Wohnung
auf Gemüt und Stimmung hat, unterschätzt. Unbewusst
leben wir dahin; dass ein Zimmer nach dem Garten,
wo die Sonne hineinscheint, besser ist, als ein Zimmer
nach der Strasse zu, das ist uns allen klar. Auch die gute
Stube mit ihrer Symmetrie, ihren Sofas, ihren Photo-
graphien und ihren Araucarien wird jetzt schon vielfach
verhöhnt. Ein skulptiertes Renaissancekamin aber mit
Bronzelüstern links und rechts, wird, wenn es 4000 M.
gekostet hat, noch immer geschmackvoll gefunden und
ist doch bloss die gute Stube der Reichen.
Und wie rasch gewöhnt man sich an die Interieurs,
die man fix und fertig vom Architekten hergestellt
bezieht. Hat man aus Griechenland aber einen vor-
nehmen antiken Kopf, durch List und viel Geld
gewonnen, heimgebracht, wie anders hängt man an ihm.
Wie eifersüchtig stolz ist ein Sammler auf seine langsam
aufgespürten Schätze. Wie voll ist sein Leben mit Inter-
esse, Spannung, Zielbewusstsein. Wie gesteigert, ver-
schärft ist sein ästhetisches Wahrnehmungsvermögen.
Und alle diese Freude am selbst Entdeckten, selbst
Erworbenen auf kunstgewerblichem Gebiete lassen wir
uns entgehen aus Gleichgültigkeit, Misstrauen gegen
das Neue und vornehmlich aus Hast. Statt wie
Humboldt in unbekanntes Land zu dringen, mit aller
Spannung, Erregung und dem Hochgefühl des Ent-
deckers, ziehen wir es vor, mit 300 anderen per
Dampfschiff und Eisenbahn in Eile, müde und nur
etwas neugierig nach Chicago zu reisen. Jeder reiche
Mann aber, der sich wieder einmal ein Haus von Firmen
fix und fertig einrichten lässt, statt es nur für sich von
Künstlern ersinnen zu lassen, schlägt einen weiteren
Nagel ein in den Sarg des Kunstgewerbes.
(Schluss folgt.)
KLEINE
MITTEILUNGEN
VEREINE
BRESLAU. Kutistgewerbeverein. Am 2. Juni d. J.
hielt Herr Zeichenlehrer Sonnenkalb einen Vor-
trag über »moderne Reformvorschläge im Zeich-
nenunterricht , verbunden mit einer Ausstellung von
Kunstgewerbeblatt. N. F. XI. H. 4.
Ehrenpreis S. K. H. des Grossherzogs von Baden zum Iffezheimer
Rennen 1899. Entwurf von Direktor H. GÖTZ, Karlsruhe
Ausführung; von Prof. K. WEIBLEN, Pforzheim.
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