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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Plehn, Anna L.: Die Zimmerausstattung auf den Ausstellungen in Berlin, München und Dresden im Sommer 1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0038

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DIE ZIMMERAUSSTATTUNG AUF DEN AUSSTELLUNGEN IM SOMMER 1899

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Schwingungen we-
nig Raum für eine
Kleinigkeit übrig
lassen, die doch an
einem Tintenfass
Beachtung verdien-
te: Der Glasbehäl-
ter ist nämlich auch
hier nicht grösser
als an jenen für
abgethan erklärten

Miniaturschreib-
zeugen , in denen
die Tinte alle paar
Tage eingetrocknet
stand. Diese zu-
fällig herausgegrif-
fenen Beispiele wa-
ren französischen
Ursprungs, aber
dergleichen soll
auch bei uns vor-
kommen. So will
man z. B. am Mö-
bel jedem Wun-
sche nach Bequem-
lichkeit entgegen-
kommen. Ein Tisch
vor dem Sofa ver-
stellte oft störend
den Weg. Und
doch will man
dies oder das gerne
schnell aus der
Hand legen. Dar-
um ist aber noch
nicht jede Konsole
oder Etagere prak-
tisch, die sich neben, über oder -- was auch vor-
gekommen ist unter dem Polstersitz einschiebt.
Dies Zusammenschachtelsystem wird in dem Bestreben,
nur ja alles recht bequem einzurichten, oft zum direkten
Gegenteil. Manches in der Art war in den Ausstel-
lungen zu sehen. Den Triumph der grössten Findig-
keit im Umbauen eines Sitzmöbels mit solchen Auf-
bewahrungsgelegenheiten feierte aber ein Sofa von Jo-
seph Hoffmann in Wien, welches der »Artist« kürzlich
abbildete, ohne es auffällig zu finden, dass ein Baldachin
über dem Sofa mit seinen verschiedenen Stützen
die Bank nach vorne so absperrte, dass nicht mehr
als eine Person darauf Platz fand. Dafür durfte sie
ihren Kopf nach rückwärts gegen einen Spiegel lehnen!
Seitwärts davon war der Raum zu Bücherregalen
benutzt, welche über den ganzen Sitz reichten. Sollte
es nun jemand einfallen, trotz aller entgegenstehenden
Hindernisse in den verbauten Kasten hineinzusteigen,
um sich auf dem Ruhebett auszustrecken, so mag
man sich wohl hüten, dass man den Kopf nicht oben
an dem Regal stösst! Endlich fand sich noch ganz
oben ein Platz, welcher nach der Abbildung für die
Theemaschine bestimmt war!! Nach demselben Prinzip

Henkelvase auf Stander, in Kupfer entworfen
und getrieben von F. X. ABT, Mindelheim.

sah man in München ein Büffet, welches zwar eine
Menge offener Fächer aufwies, dieselben aber durch
eine Art Lattenzaunsystem, das heute vielfach beliebt
ist, so verbaute, dass man wohl thun wird, nichts
hineinzustellen, was man in jedem Augenblick ver-
wenden will.

Das aber nennt sich für den Gebrauch arbeiten!

Wir hörten auch viel von der Notwendigkeit, das
konstruktive Prinzip recht zu betonen. Statt dessen
macht sich häufig eine Willkürlichkeit in der Linien-
führung bemerkbar, welche die Möbel beinahe wie
freigewachsene Gebilde erscheinen lässt und nicht als
das planvolle Anpassen an den Zweck. Und hier ist
es notwendig einen Namen zu nennen, um die
betreffende Richtung deutlich zu charakterisieren. Bern-
hard Pankok hatte sowohl in München wie in Dresden
eine Zimmereinrichtung ausgestellt. Hier war es ein
Schlafzimmer, dort ein Vor- oder Warteraum. In
beiden sprach sich dies launenhafte Schalten deutlich
aus. Die Füsse und Stützen, die Rücken- und Seiten-
lehnen schwingen und biegen bald nach dieser, bald
nach jener Richtung, es wird ein phantastischer Ein-
druck angestrebt und dem Ungewöhnlichen das Ver-
nünftige geopfert. So entsteht z. B. ein Schrank mit
einer sehr schmalen Standfläche, der sich nach oben
zu ganz beträchtlich verbreitert, und bei dem man die

Lehnstuhl von BERNHARD PANKOK-München (Vereinigte Werkstätten).
(Gesetzl. geschützt.)
 
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