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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Plehn, Anna L.: Die Zimmerausstattung auf den Ausstellungen in Berlin, München und Dresden im Sommer 1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0040

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DIE ZIMMERAUSSTATTUNG AUF DEN AUSSTELLUNGEN IM SOMMER 1899

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Hocker (Biriibaumholz), entworfen von H. SCHLICHT, Dresden,
ausgeführt von^den Dresdner Werkstätten'für .Handwerkskunst.

bürgerlich solid gestalteten Möbel im selben Zimmer
bald steife und dann wieder nach auswärts und end-
lich an dritter Stelle einwärts geschwungene Beine
haben. In demselben Zimmer es war von Bruno
Paul fand sich an dem Büffet noch eine Son-

derbarkeit. Der untere Kasten des Mahagonimöbels
wuchs aus einer Art Verbrämung von grauem Eichen-
holz hervor. Um nun oben eine Übereinstimmung
damit zu erzielen, waren die Säulen, die den Aufsatz
trugen, in unregelmässig abgerundete, vorn breiter als
hinten gestaltete Untersätze hineingestellt, in denen sie
steckten, wie in Filzschuhen, als sollte dadurch die
Politur der Standfläche geschont werden. Solch
Zusammenstellen der regelmässigen und willkürlich
wie zufallsmässig gebildeter Formen macht natürlich
einen unruhigen Eindruck.

Auch von der Bevorzugung glatter Flächen am
Möbel hatten wir uns Vorteile versprochen. Die
Gesamtwirkung sollte einfacher werden und die hier
ersparten Kosten einerseits einer gediegeneren Arbeit zu
gute kommen, und andererseits die weitere Verbreitung-
geschmackvoller Möbel erleichtern. Aber nun scheint
man auch der glatten Fläche schon wieder überdrüssig
zu sein. Sollten etwa die Schwierigkeiten abgeschreckt
haben? In der That verlangt es ein sicheres Form-
gefühl und mehr Erfindungsvermögen, um mit der
einfach ungeschmückten Fläche gefällig zu wirken,
als wenn durch irgend eine Verzierung die Aufmerk-
samkeit von der Hauptsache abgelenkt wird. So sah
man sich nach Bundesgenossen um: zuerst kam das
Xylektypon, mit seiner Musterung ohne Muster, der
durch Sandstrahlgebläse aus der weichen Holzmasse
herausgeschälten Maser, und wurde reichlich für Fül-
lungen verwendet. Auch das war noch nicht genug.

Das neue Material wurde durch Schablonenauflage
stellenweise gegen die Einwirkung des Sandstrahls ge-
schützt und so entstanden glatte Ornamente auf rauhem
Grunde, welche die vorhin noch ziemlich bescheidene
Flächenverzierung etwas unruhig machten. Auch die
schönfarbigen und gemaserten Holzarten genügen jede
für sich allein nicht mehr, es müssen mehrere zu-
sammengestellt werden. Endlich stellen die Metall-
beschläge sich ein, kleine Kunstwerke an sich, in
reicher Abwechslung über den ganzen Schrank ver-
teilt, womöglich an jedem Schub eine andere Form.
Ist die Schlüssellochumfassung in Messing ausgeführt,
so erhält die andere Seite der Thür einen Zinnbeschlag.
Im Münchener Glaspalast konnte man einen Schrank
sehen, der aus drei verschiedenen Holzarten bestand
und mit zweifarbigen Metallbeschlägen und überdies
mit Schnitzerei verziert war. Ein anderes Modell
zeigte ausser zweifarbigem Naturholz mit dunklen
Metallbeschlägen in drei lebhaften Farben bemalte
Schnitzerei. Wo ist da die vielbelobte Einfachheit
geblieben?

Selbst ein Künstler wie H. E. von Berlepsch wirkt
mit seinen Möbeln noch immer unruhig, besonders
durch die vielfache Gliederung, die er seinen Schränken
und Büffets zu geben liebt, und durch reichliche
Metallzugaben, wenn man ihm auch zugestehen muss,
dass er grade durch Verwendung des Xylektypon
seinem Stil viel von der Buntheit genommen hat, die
von seinem Schreibtisch vor zwei Jahren in München
her noch unvergessen ist. Damals ertränkte er die
Konstruktion förmlich durch die Überfülle höchst
geistreicher Verzierungen, von denen jede einzelne
dankbar begrüsst worden wäre.

Und wie die Farbenstimmung des einzelnen Möbels
häufig unruhig ist, so zuweilen auch die des ganzen
Raumes. Allerdings ist im allgemeinen die Forderung,
dass eine einheitliche Farbengebung den ganzen Raum
beherrschen soll, von allen Leitsätzen der neuen Be-
wegung am wenigsten Phrase geblieben. Und doch
kommen auch hier Entgleisungen vor. Was hilft es,
wenn die Farbenwahl für den ganzen Raum auf ganz
bestimmte, überall wiederkehrende Nuancen beschränkt
wird, dass auch Decke und Fussboden in die Einheit
hineingezogen werden, wenn diese Farben unter sich zu
fremd und gegensätzlich sind, als dass sie ruhig zu-
sammen klingen könnten. In einem Billardzimmer

Fussbank mit Garnknäuelbehälter von J. V. CISSARZ, Dresden, aus-
geführt von den Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst.
 
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