HAT DAS PUBLIKUM EIN INTERESSE DARAN, SELBER DAS KUNSTGEWERBE ZU HEBEN? 63
sind ihrer schon genug gemacht worden, und es
geschah fast immer umsonst.
Was die Kunstgewerbetreibenden, insbesondere
die Kunsthandwerker anbetrifft, so ist auch für sie
die Herstellung von etwas wirklich Eigenartigem eine
sehr riskante Sache. Sie sind alle mehr oder minder
abhängig vom Geschmacke des Publikums, und erst
wenn das Verhältnis zwischen diesem und jenen ein
klareres, zuverlässigeres geworden ist, kann man von
ihnen Initiative verlangen. Vorher kann man den
Kunstgewerbetreibenden höchstens vorschlagen, Initia-
tive zu zeigen und sich freuen, wenn es ihnen ge-
lingt, den Geschmack des Publikums zu bessern.
Und eben dieses Verhältnis des Publikums zu den
Kunstgewerbetreibenden wollen wir jetzt etwas be-
leuchten.
Also das Publikum soll bei der Hebung des
Kunstgewerbes mitwirken, offenbar doch wohl, weil
dies noch nicht hoch genug steht?!
Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass gleich
von vornherein gegen diese Forderung Einspruch
erhoben wird. Ich höre Entgegnungen aller Art.
Man blicke doch um sich, wird man sagen, strotzen
nicht alle Läden von herrlichen kunstgewerblichen
Arbeiten, giebt es nicht Kaufhäuser genug, glänzende
Ausstellungen, wird nicht enorm produziert, erringt
das deutsche Kunstgewerbe nicht vielfach Triumphe
im Auslande? Und werden bei uns nicht auch
herrliche Einzelwerke geschaffen? Ist unser Kunst-
gewerbe nicht in der Lage, allen Anforderungen,
allen Bestellungen in jeglicher Stilart gerecht zu
werden ?
Kurz, es werden Gründe verlangt, weshalb denn
eigentlich das Kunstgewerbe noch mehr gehoben
werden soll. Nun gut: sehen wir uns einmal um,
was für Herrliches uns in unseren Läden geboten
wird. Um nicht ungerecht zu erscheinen, wollen
wir von vornherein zugeben, dass überall in be-
schränkter Anzahl ganz gute, sogar schöne Sachen
erstanden werden können. Wir müssen aber hier
einmal klar zu erkennen suchen, wie hoch der Durch-
schnitt der Ware künstlerisch steht.
Gehen wir z. B. in ein Warenlager von Möbeln
billigen Genres, so finden wir viele unbequeme
Sofas, Chaiselonguen, schwere Polstermöbel, Zimmer-
•?'■> --■-■■
l-J
-
\1B
w^
K& ' /SB
w *
;L'.
HHiP^1
Porträt, gemalt von HERM. GOHLER, Karlsruhe.
einrichtungen in jener entsetzlichen missverstandenen
Schreinerrenaissance mit aufgeleimten Ornamenten.
Gehen wir in ein besseres Möbelgeschäft, so finden
wir teuere Einrichtungen im schwersten Architektur-
Möbelstil oder von goldstrotzenden Barockmöbeln,
alles schwerfällige, unbewegliche, unbehagliche Stücke,
oder im Gegensatz dazu neu-englische Stühle, die so
dünn und leicht sind, dass ein Bürger, der sich
achtete, sich noch in den 70er Jahren nicht darauf
gesetzt hätte.
Unsere heimischen Tapeten sind nur zu oft kreidig
oder staubbraun im Tone und mit Blümchen oder
mit Mustern aus längstvergangenen Zeiten bedeckt
oder den Engländern nachgebildet. Das Linoleum
imitiert in materialwidriger Weise Holzparkett und
Fliesen, das Porzellan kommt aus den Formen des
Rokoko oder der geblümten Muster nicht heraus.
^~
m
-4U
Moderner Fries (Reihermotiv;, gemalt von HERM. OÖHLER, Karlsruhe.
sind ihrer schon genug gemacht worden, und es
geschah fast immer umsonst.
Was die Kunstgewerbetreibenden, insbesondere
die Kunsthandwerker anbetrifft, so ist auch für sie
die Herstellung von etwas wirklich Eigenartigem eine
sehr riskante Sache. Sie sind alle mehr oder minder
abhängig vom Geschmacke des Publikums, und erst
wenn das Verhältnis zwischen diesem und jenen ein
klareres, zuverlässigeres geworden ist, kann man von
ihnen Initiative verlangen. Vorher kann man den
Kunstgewerbetreibenden höchstens vorschlagen, Initia-
tive zu zeigen und sich freuen, wenn es ihnen ge-
lingt, den Geschmack des Publikums zu bessern.
Und eben dieses Verhältnis des Publikums zu den
Kunstgewerbetreibenden wollen wir jetzt etwas be-
leuchten.
Also das Publikum soll bei der Hebung des
Kunstgewerbes mitwirken, offenbar doch wohl, weil
dies noch nicht hoch genug steht?!
Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass gleich
von vornherein gegen diese Forderung Einspruch
erhoben wird. Ich höre Entgegnungen aller Art.
Man blicke doch um sich, wird man sagen, strotzen
nicht alle Läden von herrlichen kunstgewerblichen
Arbeiten, giebt es nicht Kaufhäuser genug, glänzende
Ausstellungen, wird nicht enorm produziert, erringt
das deutsche Kunstgewerbe nicht vielfach Triumphe
im Auslande? Und werden bei uns nicht auch
herrliche Einzelwerke geschaffen? Ist unser Kunst-
gewerbe nicht in der Lage, allen Anforderungen,
allen Bestellungen in jeglicher Stilart gerecht zu
werden ?
Kurz, es werden Gründe verlangt, weshalb denn
eigentlich das Kunstgewerbe noch mehr gehoben
werden soll. Nun gut: sehen wir uns einmal um,
was für Herrliches uns in unseren Läden geboten
wird. Um nicht ungerecht zu erscheinen, wollen
wir von vornherein zugeben, dass überall in be-
schränkter Anzahl ganz gute, sogar schöne Sachen
erstanden werden können. Wir müssen aber hier
einmal klar zu erkennen suchen, wie hoch der Durch-
schnitt der Ware künstlerisch steht.
Gehen wir z. B. in ein Warenlager von Möbeln
billigen Genres, so finden wir viele unbequeme
Sofas, Chaiselonguen, schwere Polstermöbel, Zimmer-
•?'■> --■-■■
l-J
-
\1B
w^
K& ' /SB
w *
;L'.
HHiP^1
Porträt, gemalt von HERM. GOHLER, Karlsruhe.
einrichtungen in jener entsetzlichen missverstandenen
Schreinerrenaissance mit aufgeleimten Ornamenten.
Gehen wir in ein besseres Möbelgeschäft, so finden
wir teuere Einrichtungen im schwersten Architektur-
Möbelstil oder von goldstrotzenden Barockmöbeln,
alles schwerfällige, unbewegliche, unbehagliche Stücke,
oder im Gegensatz dazu neu-englische Stühle, die so
dünn und leicht sind, dass ein Bürger, der sich
achtete, sich noch in den 70er Jahren nicht darauf
gesetzt hätte.
Unsere heimischen Tapeten sind nur zu oft kreidig
oder staubbraun im Tone und mit Blümchen oder
mit Mustern aus längstvergangenen Zeiten bedeckt
oder den Engländern nachgebildet. Das Linoleum
imitiert in materialwidriger Weise Holzparkett und
Fliesen, das Porzellan kommt aus den Formen des
Rokoko oder der geblümten Muster nicht heraus.
^~
m
-4U
Moderner Fries (Reihermotiv;, gemalt von HERM. OÖHLER, Karlsruhe.