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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Obrist, Hermann: Hat das Publikum ein Interesse daran, selber das Kunstgewerbe zu heben?, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0081

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HAT DAS PUBLIKUM EIN INTERESSE DARAN, SELBER DAS KUNSTGEWERBE ZU HEBEN? 6g

Weiblicher Studienkopf von Prof. K. KORNHAS, Karlsruhe.

Kürzlich fand ich in einem Zeitungsroman folgen-
den Passus: »Jetzt aber mit dem erwachenden Sommer
erwacht auch Schloss Petershagen. Handwerker, Tape-
zierer und Möbelhändler aus Berlin erschienen und
richteten das Schloss fast neu ein, nur die Zimmer
des verstorbenen Hans Joachim blieben unberührt in
ihrer schlichten altmodischen Einfachheit, alle andern
Räume wurden aufs Eleganteste hergerichtet, persische
und indische Teppiche, kostbare Bilder und Spiegel
mit goldenen venezianischen Rahmen, Möbel im Re-
naissaneegeschmack oder nach altdeutschem Muster,
kurz das alte Herrenhaus von Petershagen wurde zu
einem hochmodernen Schloss, das von Grund aus
neu hergerichtet war.«

Dabei kann man sich eines Lächelns kaum er-
wehren und doch ist die hier geschilderte Pracht
noch zu oft der Traum unseres Bürgers. Vielleicht
ist der Leser der Meinung, ich übertriebe hier wohl
ein wenig. Es ist ihm aber wohl nicht dabei auf-
gefallen, dass, wenn er in die Villa seines Nachbars
einen Blick wirft, er ganz ähnliche Möbel findet, wie
in der seinigen. Es dürften wohl auch dieselben
stilechten Möbel sein, die bei der Firma X im Schau-
fenster stehen, vielleicht auch dieselben englischen
Möbel, die auf der Veranda der Frau B. stehen, und
die Teppiche sind ja auch orientalische Tcppiche, wie
sie Herr A. gleichfalls besitzt; auch die Nippsachen
haben wir bereits in Berlin in der Leipziger Strasse
gesehen. Was würde man aber nun dazu sagen,
wenn man jemand zumutete, in seinem Salon dieselbe

Landschaft von Schönleber, dasselbe Bild von Böcklin
aufzuhängen, wie sie dieser und jener bereits im Be-
sitze haben, würde man das »Geniessen« nennen?
Das ist aber auch ein Kunstwerk, höre ich entgegnen.
Sollte denn ein Mobiliar im Werte von Tausenden
von Mark nicht auch ein Werk der Kunst sein dürfen,
das nur einer besitzt und das nicht ebenso in einem
beliebigen Laden erworben werden kann. Eine Hand-
zeiclmung eines alten Meisters, die man für 100, 80
oder 50 Mark erhalten kann, und die man mit Stolz
einrahmt, das ist doch sicher ein Kunstwerk; ein
Theekessel aber im Werte von 120 Mark braucht es
nicht zu sein; warum nicht? Wie seltsam mutet das
einen an, wenn man sieht, wie Tausende von reichen
Leuten nach alten echten Sachen fahnden, welchen
Spürsinn sie dabei entwickeln; und sie zählen das
Geld nicht, die Antiquare werden reich, und diese
Jäger nach dem Alten sind glücklich und stolz. Wir
haben auch Galerien-Mäcene, ja es giebt sogar schon
jene reichen Herren, die die jeweils neuesten raffi-
niertesten Sachen in Paris kaufen; ist aber schon
einer auf den göttlichen Einfall gekommen, bei uns
auf die Jagd nach erfinderischen Talenten zu gehen,
sich keine Mühe verdriessen zu lassen, schöne neue
Arbeiten des Kunsthandwerks zu erwerben — schwer-
lich! und doch, welch ein ernstes Gefühl überkommt
den Betrachter, wenn ersieht, wieviele Hunderttausende
in einer einzigen Stadt alljährlich ausgegeben werden
für kunstgewerbliche Gegenstände, ohne dass die
Käufer und Besteller ahnen, was ihnen entgeht, welche
Freudigkeit, welche Befriedigung des eigenen Ehr-
geizes, welche Steigerung des Genusses am eigenen
Heim sie erfahren könnten, wenn sie nur auf die
Idee kommen wollten, auf die eine erlösende Idee,
sich so einzurichten, wie das andre nicht thun.
Es ist ja doch neben vielem Reichtumsstolz und rein

Wappen von Prof. K. KORNHAS, Karlsruhe.
 
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