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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Obrist, Hermann: Hat das Publikum ein Interesse daran, selber das Kunstgewerbe zu heben?, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0084

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72 HAT DAS PUBLIKUM EIN INTERESSE DARAN, SELBER DAS KUNSTGEWERBE ZU HEBEN?

Fayencegefässe von Frau SCHMIDT- PECHT, Konstanz.

schon, es soll wohl auch künstlerisch vornehm sein,
aber sie wollen immerhin dabei sicher gehen; sie
trauen sich selber die Initiative, das Urteil nicht zu.
Sie haben es auch immer viel zu eilig, sich ihr Haus
zu bauen, ihr Mobiliar zu kaufen, ihre Tapeten und
Teppiche zu besitzen. So wenden sie sich denn, um
ihr Geld nicht zu riskieren, an solche Kräfte, Archi-
tekten, Lieferanten aller Art, die schon Bewährtes
geschaffen haben. Dieses Bewährte aber ist bis
jetzt noch immer das jahrhundertalte, meinetwe-
gen ausgereifte, aber immerhin das aufgewärmte
oder missverstanden verwendete, wie der neue eng-
lische Stil.

Wir haben eben dank diesem vorsichtigen und
bedenklichen Misstrauen vor etwas Eigenartigem noch
wenig bewährte Kräfte auf neuen Bahnen, und doch,
man bedenke, dass einstmals es alle diese Stilarten,
die aufzuwärmen wir so stolz sind, nicht gab. Die
Renaissance in Deutschland war doch auch einmal

neu, wenn
sie auch nach

guter deut-
scher Sitte

von aussen

eingeführt

worden ist.
Und diejeni-
gen, die in
der Chronik
jener Zeiten

bewandert
sind, wissen

von einem

herrlichen
Eifer zu be-
richten, mit
dem damals
die Bürger,
die Besteller,
mit den

Künstlern und den Kunsthandwerkern wetteiferten, um
die Gotik los zu werden, andere Häuser, andere
Möbel und allüberall andere Verzierungen zu schaf-
fen, zu besitzen. Welche Freude, welchen Stolz fühlte
ein reicher Kaufherr, wenn er seine Freunde nach dem
Mahle mit einer Kassette, einer Truhe, einem Pokale
überraschen konnte, der ganz neue Formen zeigte.

Wir haben das nur, wenn wir z. B. ein neues
Bild von Menzel erworben haben; das beleuchten wir
mit einem gewaltigen Reflektor. Aber wann kommt
es vor, dass uns ein Bankier in ein Speisezimmer
führt, wo die Möbel, das Tischzeug, das Porzellan,
das Glas, Formen, Farben, Anordnungen, Material
zeigen, die die unerwartete schöpferische Kraft mehrerer
individueller Künstler erkennen lassen, die notabene
eben nicht schon berühmte Maler und bekannte De-
korateure zu sein brauchen.

Und unter Neuem wollen wir ausdrücklich nicht
etwas Sonderbares, Bizarres verstanden wissen, was

das Publi-
kum in sei-
nem Miss-
trauen so oft
vermeint.
Ebensowe-
nig ist dar-
unter etwas
Kostbares
gemeint.
Nein, die
Grundele-
mente der
zweckmässi-
gen Kon-
struktion der

Gebäude-
teile, des Mo-
biliars, kön-
nen, dürfen

Fayencen von Frau SCHMIDT-PECHT, Konstanz. Und Sollen
 
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