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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Schwindrazheim, Oskar: Vierländer Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0091

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Dieleninterieur aus Neuengamme. Aufgenommen von H. Haase, Hamburg.

VIERLÄNDER KUNST

UNTER den vielen Zweigen, welche dem ge-
meinsamen Stamme der deutschen Kunst ent-
sprossen sind, ist einer, dem man bis heute
ausserordentlich wenig Beachtung geschenkt hat: die
deutsche Bauernkunst. Die Beschauer, welche uns
unsere deutsche Kunst bisher schilderten, haben sich
immer so gestellt, dass dieser eine Zweig ihnen un-
sichtbar blieb, weil er bescheiden sich unter den
vielen ihn überragenden anderen versteckte. Erst in
letzter Zeit ist man auch auf ihn aufmerksam ge-
worden, indem man die Sache einmal von anderem
Standpunkte aus betrachtete.

Die Bauernkunst unterscheidet sich in mancherlei
Beziehung äusserst auffallend von ihrer prunkenden
Schwester, der städtischen.

Zunächst dadurch, dass es keine eigentlichen Be-
rufskünstler oder -Kunsthandwerker sind, die sie aus-
üben, sondern Leute, die entweder halb Bauern, halb
Handwerker sind, oder die, von Beruf Bauern, nur
aus Liebhaberei für den Schmuck des eigenen Heims

diese oder jene Technik pflegen, es spielt also bei ihr
die Liebhaberkunst eine recht grosse Rolle.

Der zweite Unterschied liegt darin, dass die
Bauernkunst kein Kunstwerk kennt, das sich Selbst-
zweck ist. Sie ist lediglich praktisch angewandte
Kunst, sie stellt nichts dar, sondern stellt stets etwas
her. Es giebt in ihr nicht das, was wir im höchsten
Sinne Malerei und Bildhauerkunst nennen. Architektur
und Kunsthandwerk sind ihre beiden einzigen Zweige,
ein altertümlicher Zug, in dem sie der ältesten deut-
schen Kunst, die auch keine Staffeleigemälde u. dgl.
kannte, entspricht.

Zum dritten zeigt sie eine Eigentümlichkeit, die
zwar früher auch unserer städtischen Kunst eigen
war, von der wir heute aber so gut wie keine Spuren
mehr in der letztgenannten finden können: sie zeigt
einen ausserordentlich grossen Reichtum an landschaft-
lich begrenzten Sonderstilen, die bisweilen von Dorf
zu Dorf wechseln.

Wenn man eine Karte von Deutschland entwerfen

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