Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

DOI Artikel:
Obrist, Hermann: Hat das Publikum ein Interesse daran, selber das Kunstgewerbe zu heben?, [2]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0106

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
94 HAT DAS PUBLIKUM EIN INTERESSE DARAN, SELBER DAS KUNSTGEWERBE ZU HEBEN?

werden. Selbstredend geht das nicht so rasch und
es gehört dazu Courage, Zähigkeit und Ausdauer.
Zuerst würde sie sich gewiss wohl an eine bewährte
Firma für Möbelschreinerei wenden mit dem ausdrück-
lichen Bedeuten, das Mobiliar müsse unbedingt anders
ausschauen als das, was man so wie so anfertigt. Zur
Erleichterung des Verständnisses würde es sich hierbei
empfehlen, als Richtschnur folgende Bedingungen zu
stellen: 1) Es darf nicht deutlich an eine der vorhan-
denen Stil-
arten, inklu-
sive des
Neueng-
lischen er-
innern, je-
denfalls
nicht be-
züglich der
Verzierun-
gen und
Farben. 2)
Jedes Mö-
bel muss in
erster Linie
seinem
Zwecke
entspre-

Postament und Stuhl im nordischen Stil, entworfen und ausgeführt in

Hofmöbelfabrik, Leipzig.

chend gebaut sein und alle Verzierung muss sich
der Konstruktion und der zweckmässigen Form
unterordnen, darf niemals, wie bei den Renaissance-,
Barockmöbeln üppig werden und nur als Selbstzweck
existieren. 3) Es darf und soll eigenartig wirken,
jedoch unter keinen Umständen bizarr oder lediglich
kurios sein. 4) Es soll einfach sein und massige
Kosten nicht übersteigen. Sollte eine Bestellung unter
solchen Bedingungen erfolgen,, so könnte es ja pas-
sieren, dass der kühnen Bestellerin gleich Entwürfe
vorgelegt würden, die apart und gelungen wären.
Wahrscheinlich aber ist es, dass die Firma, die auf
solche Überraschungen nicht vorbereitet ist und deren
Zeichner ganz auf Stile dressiert sind, wenig gelungene
Zeichnungen lieferte. Dann würde es sich empfehlen,
sich an einen Kunstgewerbeverein zu wenden, dem
Vorstand Wunsch und Bedingungen zu unterbreiten,
Zahl der Stücke sowie anzuwendende Summe zu
nennen und ihn zu veranlassen, innerhalb des Vereins
eine Umfrage zu veranstalten. »Mein Gott«, so wird
manche Frau hier sagen, »da müssen wir ja zu all den
Leuten gehen, zu Vorstandsmitgliedern, die wir gar
nicht kennen. Das ist alles sehr genant. < Darüber
kann man sich beruhigen. Ein Mensch, der die Initia-
tive hätte, solche Bedingungen zu stellen, würde wie
Manna vom Himmel begrüsst werden, und es würde
an Zuvorkommenheit und Eifer nicht fehlen. Bei ein-
fachen Aufträgen wür-
de es nunmehr sehr
wahrscheinlich gelin-
gen, aus den vielen
eingereichten Skizzen
ganz interessantes, an-
ziehendes herauszule-
sen. Sollte die Be-
stellung eine ernstere
Sache sein, handelte
es sich nun gar um
eine fürstliche Aus-
stattung, so würde
sich wohl herausstel-
len, dass man künstle-
rische Kräfte auch aus-
serhalb des Kreises
der Gewerbtreiben-

den heranziehen
müsste. Esmüssteeine
weitere Umfrage ver-
anstaltet werden mit
Preisen zur Anfeue-
rung auch Fernerste-
hender. Es werden
Architekten, Künstler
aller Art mit dem
Besteller in Verbin-
dung treten müssen.
Davor wird nun man-
che, auch reiche Frau
zuerst zurückschrek-
ken. Schreckt aber
eine mutige nicht

den Werkstätten von F. A. SCHÜTZ,
 
Annotationen