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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Kersten, Paul: Geschichte und Ästhetik des künstlerischen Bucheinbandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0114

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102

GESCHICHTE UND ÄSTHETIK DES KÜNSTLERISCHEN BUCHEINBANDES

Bucheinband von P. KERSTEN, Aschaffenburg.

bigem Leder ausgelegt In Italien war der bekannteste
Liebhaber dieser Einbände Thomas Majoli. Durch
ihn wahrscheinlich wurde der, zu dieser Zeit in Italien
weilende französische Bücherfreund Jean Orolier,
Vicomte d'Aiguisy, gest. 1565, mit solchen Entwürfen
bekannt, und Grolier wieder verdankt die französische
Buchbinderei jene prächtigen, heute mit Gold aufge-
wogenen Einbände, zu welchen er meistens die Vor-
lagen selbst geliefert haben soll. Aus derselben Zeit
ist auch Demetrio Canevari, der Leibarzt des Papstes
Urban VIII., als grosser Bücherfreund bekannt; seine
Einbände zeigen gewöhnlich in der Mitte des Deckels
ein von Linien und Ranken umgebenes kameenartiges
Relief, meistens Apollo am Fusse des Parnasses dar-
stellend, mit griechischer Umschrift.

Von den Majoli- und Grolierbänden weichen die
Einbände des Geoffroy Tory ab, der, ein Zeitgenosse
Groliers, mit diesem in geschäftlicher Beziehung stand;
er war Buchdrucker, Buchbinder, Verleger, Maler und
Formschneider zugleich. Seine Einbände zeigen meis-
tens ein von unten aufsteigendes, von der Mittellinie
sich nach den Seiten zu entwickelndes Ornament, das
gewöhnlich mit seinem Firmenzeichen, einem zer-
brochenen Krug, verbunden ist. Unter Heinrich III.
ist Jacques Auguste de Thou, gest. 1617, als hervor-
ragendster Bücherfreund zu nennen. Seine Einbände,
fast immer in rotem, grünem oder gelbem Maroquin
oder rotgelbem Kalbleder, lieferten ihm die Eves, eine
Buchhändlerfamilie, die von 1578 bis 1631 den Titel

Relieurs du Roi« führte. Ihre Einbände waren
mit Bandverschlingungen verziert, in dessen freien
Feldern teils Lorbeerzweige, teils spiralförmige
Ranken (fanfares) angebracht sind.

Aus jener Zeit stammen auch die ä la Filigran
verzierten Einbände, die bisher allgemein einem
gewissen Le Gascon zugeschrieben wurden und
unter diesem Namen bekannt geworden sind. Den
Forschungen Leon Gruels verdanken wir den
wirklichen Namen des Verfertigers; er hiess Flori-
mond Badier und lebte noch in den ersten Jahren
der Regierung Ludwigs XIV. Mit ihm und seinen
Nachfolgern ist die grosse Zeit des französischen
künstlerischen Einbandes vorüber. Als besonders
hervorragend sind nur noch die Buchbinderfamilien
Padeloup und Derome unter Ludwig XV. und
Pierre Paul Dubuisson und Thouvenin unter Lud-
wig XVI. anzuführen.

In England finden wir den künstlerischen Buch-
einband in unserem Sinne viel später als in
Frankreich. Auch hier war es ein französischer
Edelmann namens Louis de Saint-Maure Marquis
de Nesles, der 1559 als Geisel der Königin Elisa-
beth übergeben, die Engländer zuerst mit den
herrlichen Lederbänden eines Grolier etc. bekannt
machte. Vor dieser Zeit wurden die meisten
kostbaren Bücher Englands in Geweben, beson-
ders in farbigem Sammet gebunden und mit
Metallbeschlägen verziert. Die Einbände Eduards
IV, Heinrich VIII. und der Königin Elisabeth
waren alle in dieser Art gehalten. Jacob I.
führte zuerst das Maroquin zu allgemeinerem
Gebrauch für die Bücher der königlichen Bibliothek
ein. Als bedeutendster Bücherfreund damaliger Zeit
ist Thomas Bodley zu verzeichnen. Auch die so
charakteristischen sächsischen Einbände, die in grossen
Mengen mit der Ausbreitung der Reformation in Eng-
land Eingang fan-
den , verbreiteten
den Geschmack für
den künstlerischen

Ganzlederband.
Der hervorragend-
ste unter den eng-
lischen Bibliophi-
len des 18. Jahr-
hunderts war Har-
ley Earl of Oxford,
der die Entwürfe
ähnlich wie Gro-
lier meistens selbst
lieferte; dieselben
haben in der Regel
einen roten Maro-
quinüberzug, der
Deckel eine breite
Umrahmung und
ein Mittelornament
aus meistens pflanz-
lich stilisierten Mo-

. „ .. Bucheinband von P. KERSTEN,

tiveil in Spitzen- Aschaffeuburg.
 
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