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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Kersten, Paul: Geschichte und Ästhetik des künstlerischen Bucheinbandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0116

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GESCHICHTE UND ÄSTHETIK DES KÜNSTLERISCHEN BUCHEINBANDES

Bucheinband von P. KERSTEN, Aschaffenburg.

Künsten, so macht sich auch im Buchgewerbe eine neue,
auf naturalistischen Grundlagen beruhende sog. moderne
Richtung in derOrnamentation bemerkbar, dieauch natur-
gemäss einen mächtigen Einfluss auf die Verzierung
des Bucheinbandes ausübte. Englische Kunstbuch-
binder waren die ersten, die Dank den Anregungen
Walter Crane's und W. Morris' sich der neuen Rich-
tung in die Arme warfen und ganz hervorragende
Einbände lieferten. Ich nenne hier besonders Cobden-
Sanderson, Riviere, Roger de Coverly, Zähnsdorf jr.,
auch die Damen Prideaux, Birkenruth, Nichols und
Mac Coli zählen zu den besten der englischen Bin-
derinnen. Da will ich hier einschalten, dass im An-
fange dieses Jahres in London sich eine Gilde von
Buchbinderinnen konstituiert hat, die bereits 67 Mit-
glieder zählt und alljährlich eine Ausstellung veran-
staltet. Hervorragende Vertreter der neuen Stilrichtung
sind ferner die Dänen Flyge, Petersen und A. Kyster
in Kopenhagen; der Schwede G. Hedberg in Stock-
holm, der seine Ausbildung in Paris fand, und der
Belgier Ciaessens in Brüssel. In Frankreich finden
wir M. Michel jr., Mercier, Gruel, Lortic jr., Chambolle,
David, P. Ruban, Ch. Meunier in Paris als die be-
deutendsten lebenden Kunstbuchbinder, die sehr her-
vorragende Arbeiten geschaffen haben, aber in den
Geist der wirklich modernen Ornamentation sich nur
schwer hineinfinden können; ihre Landsleute Magnier
in Lyon und Rene Wiener in Nancy hingegen zählen
wieder zu den Vertretern der extremsten, symbolisieren-
den Richtung des neuen Stiles. In Amerika finden wir
zur Zeit (Matthews ist vor einigen Jahren gestorben)

nur einen Kunstbuchbinder von Bedeutung; es ist
unser Landsmann Otto Zahn in Memphis im Staate
Tennesee, jetzt Mitinhaber der Firma Toof & Co.,
stets künstlerisch entwerfend, die Dekoration der Buch-
deckel womöglich in Einklang mit dem Buchinhalte
bringend, ist er ein Virtuose in der Handhabung der
Vergolderwerkzeuge sowohl, als auch in der Behand-
lung des Maroquin ecrase. Seine Herstellung des
Buchblocks ist tadellos in des Wortes vollster Bedeu-
tung. Seine Handvergoldungen der letzten Jahre er-
innern stark an diejenigen Cobden-Sandersons und
sind doch wieder ganz eigenartig und anders in ihrer
Wirkung. Er bindet für die meisten New-Yorker
Millionäre.

So sehr wir nun auch die Fortschritte anerkennen
müssen, die die deutsche Kunstbuchbinderei in den
letzten Jahren genommen, so sehr zu bedauern ist es,
dass wir in Deutschland so wenig Bücherfreunde be-
sitzen, die Interesse für einen künstlerischen Einband
haben; dies ist auch die Ursache, dass wir so wenig
Kunstbuchbinder von- Bedeutung haben. Die älteren
deutschen Meister habe ich schon oben genannt, die
der Gegenwart, die im Geschmacke der modernen
Verzierungsweise arbeiten, sind besonders E. Ludwig,
Frankfurt a. M., Paul Adam, Düsseldorf, Hulbe in
Hamburg, Georg Collin, G. Böttger und Herrn.
Söchting in Berlin, Hans Bauer und F. Rudel in Gera,
Dannhorn in Berlin, F. Zichlarz in Wien u. a. -

Ich komme nun zur Ästhetik des künstlerischen
Bucheinbandes. Während sich in den früheren Jahr-
hunderten die Dekoration des Einbandes dem herr-
schenden Stil anpasste, begnügten sich die Kunst-
buchbinder der neueren Zeit im allgemeinen mit
sklavischen und schablonenhaften Nachahmungen

Bucheinband von P. KERSTEN, Asciiaffenburg.
 
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