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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Kersten, Paul: Geschichte und Ästhetik des künstlerischen Bucheinbandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0117

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GESCHICHTE UND ÄSTHETIK DES KÜNSTLERISCHEN BUCHEINBANDES

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Bucheinband von P. KERSTEN,
Aschaffenburg.

alter Vorbilder, der
Groliers, Majolis,
LeGasconsu. s.w.,
selten einmal durch
moderne Auffas-
sung von Lederver-
schlingungen,
Stempelzusam-
mensetzungen u. s.
w. einen selbstän-
digen, originellen
Gedanken verra-
tend. Dies mag
wohl zum gröss-
ten Teil seine Ur-
sache darin haben,
dass besonders in
Deutschland Archi-
tekten die Vorlagen
zu den Einbänden
lieferten, die sich
streng an ihre his-
torischen Stilarten
und ihren gewohnten architektonischen Aufbau hiel-
ten; da ihre Entwürfe gewöhnlich ohne Kenntnis der
Vergolde-Technik gefertigt waren, so mussten diese,
um sie ausführbar zu machen, meist erst umgezeichnet
und korrigiert werden. Dass dadurch mitunter die
Wirkung verloren ging, kann natürlich nicht Wunder
nehmen. Die Buchbinderei steht erst dann auf der Höhe
ihrer Kunst, wenn der Entwurf Hand in Hand mit der
Ausführung geht, und die Meisterschaft ist nur dann
bewundernswürdig, wenn sie glückliche, das ästhetische
Gefühl befriedigende Er-
findungen zum Ausdrucke
bringt. Ein Umschwung
zu Gunsten einer moder-
nen Bucheinbanddekora-
tion macht sich seit etwa
zehn Jahren energisch be-
merkbar. Von den Japa-
nern abgelauschte, natura-
listische Motive waren es
zuerst, die von den Kunst-
buchbindern mit mehr oder
weniger Geschick ver-
wandt wurden, bis die
moderne Geschmacksrich-
tung sich selbständigen,
edlen Verzierungsformen
zuwandte. Meister der
englischen Kunstbuchbin-
derei, die von jeher schon
ihre eigene charakteristi-
sche Bahn gewandelt, ver-
suchten als erste, mit den
alten Arten der Verzie-
rungsweise zu brechen,
und die Bahn, die nun
einmal beschritten war, be-
traten bald die hervor-

Kunstgewerbeblatt. N. F. XI. H. 6.

Bucheinband von P. KERSTEN,
Aschaffenburg.

Bucheinband von P. KERSTEN, Aschaffenburg.

ragendsten Fach-
leute aller Länder
und zwar meist mit
gutem Glück.
Die Ansichten
der ausübenden
Kunstbuchbinder
über die Art der

Einbandverzie-
rung sind natürlich
sehr verschieden.
Während die einen
das Buch nach ih-
rem eigenen oder
des Zeichners Gut-
dünken einfach ar-
chitektonisch aus-
schmücken undauf
den Inhalt des
Werkes gar keine
Rücksicht nehmen,
halten die anderen
sich streng daran,

den Buchdeckel mit dem Inhalt in Einklang zu
bringen; die ersteren verfallen dabei oft in Langweilig-
keit, die letzteren häufig in Extreme. Wieder andere
binden die Bücher im Geschmack und dem Stil der
Zeit, der dem Inhalt Stimmung giebt. Die Natura-
listen wenden mit Vorliebe Blumen, Zweige, Tierbilder,
Landschaften in möglichst getreuer Nachbildung und
unsymmetrischer Anordnung zur Verzierung an. Was
ist nun das richtige? — Die Antwort auf diese Frage
kann natürlich nur von dem Standpunkt aus erteilt

werden, den ich selbst in
dieser Sache einnehme; ich
kann also nur meine per-
sönliche Ansicht ausspre-
chen. Der Entwurf soll
in erster Linie wirken, be-
stechen, sich dem Auge
einschmeicheln, und das
ist jeder Zeichnung, die
im ganzen sowohl als auch
in den Einzelheiten dem
Auge wohlgefällig er-
scheint, die es immer von
neuem anzieht, nicht ab-
stösst, und die das Schön-
heitsgefühl anregt. Der
Entwurf soll auch modern
sein und sich in der herr-
schenden Geschmacksrich-
tung bewegen, die zur
jeweiligen Zeit die ge-
samte Kunstrichtung ein-
nimmt, und er soll schliess-
lich auch, wenn irgend
möglich, mit dem Inhalte
des Buches im Einklang
stehen.

Der Entwurf soll fer-

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