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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Minkus, Fritz: K. k. österreichisches Museum für Kunst und Industrie in Wien: die dritte Winterausstellung und die Konkurrenz aus dem Hoftiteltaxfond
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0142

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K. K. ÖSTERREICHISCHES MUSEUM FÜR KUNST UND INDUSTRIE IN WIEN

unten, was den künstlerischen Wert betrifft, auf die
noblen Silhouetten der einzelnen Gefässe und auf den
einfachen, der Technik des Gusses so • entsprechenden
und die Brillanz so wesentlich erhöhenden Dekor durch
stellenweise, scheibenförmige Abplattungen hindeuten.

Das weitaus lebhafteste Interesse aber nimmt nahe-
liegender Weise das Ergebnis der vierten Preisaufgabe
in Anspruch, welche die in praktischer und ästhetischer
Hinsicht befriedigendste Einrichtung des Wohnzimmers
eines verheirateten Arbeiters zum Gegenstande hatte.
Der Höchstbetrag der Kosten dieser Einrichtung war
mit 300 Kronen präliminiert, — nach einstimmigen
Urteil der Fachkreise der Minimalpreis einer wirklich
gediegenen Einrichtung ■— und, um etwaige in Wahrheit
teurere Reklamearbeiten fernzuhalten, hatte die Preis-
ausschreibung die Bedingung aufgestellt, dass die
Bewerber sich verpflichten mussten, gegebenenfalls
binnen Jahresfrist zwanzig solcher Einrichtungen zum
gleichen Preise anfertigen zu können. Trotz dieser
strengen Bestimmungen war die Beteiligung an der
Konkurrenz eine sehr rege: es liefen 33 Entwürfe
und 12 vollständig ausgeführte Mobiliare ein, und
unter den Konkurrenten waren nahezu alle bedeuten-
den Möbelfirmen Wiens vertreten, — erfreuliche Beweise
für die richtige Würdigung, die die schöne Tendenz
der Preisausschreibung in den Fachkreisen gefunden.

Unter den Konkurrenzarbeiten befinden sich einzelne
sehr hervorragende Leistungen. Der Hofmann-Schüler
C. Sumetzbcrger (Kunstgewerbeschule Wien) hat den
ersten Preis mit einem vorzüglichen Entwurf davon-
getragen, in dem die einzelnen Möbel sich ebenso
durch ihre grosse Zweckmässigkeit - keine staub-
fangenden und leicht zu beschädigenden Ornamente,
glatte, gut reinzuhaltende Flächen, praktische Formen
- als durch ihre sehr ansprechende Zeichnung er-
freuen. In dem zweitprämiierten Jaray'schtn Interieur

(vgl. die Abbildung) steckt viel Gutes, doch scheinen
mir die eingelassenen Flachschnitzereien, abgesehen
davon, dass sie den Preis auf Kosten mancher wich-
tigerer Dinge unnötig erhöhen, zu fein und zart für den
derberen Geschmack des Arbeiters zu sein, während
andererseits die unpraktischen Strohpolsterungen der
Stühle ein höchst überflüssiges Kokettieren mit der
sehr zweifelhaften, sentimentalen Idylle der »glücklichen
Armut« darstellen dürften. Sehr tüchtig ist eine
behagliche Eichen-EitirichttmgSchönthaler's ausgefallen,
desgleichen ein prächtiges Rusten-Mobiliar Pospischills
und eine sehr zweckmässige Zimmereinrichtung
Niedermoser's, die freilich einen etwas gar zu ernsten,
unfreundlichen Eindruck macht.

Es ist eben sehr schwierig, hier die richtige Mitte
zwischen unsolidem Scheinluxus und nüchterner Ge-
diegenheit, den Ausgleich zwischen dem naiven, rohen
Geschmack des Arbeiters und den geschulten und oft
blasierten Schönheitsideen der gebildeteren und wohl-
habenderen Kreise zu finden! Vielleicht müsste man,
um die gewiss nicht leichte Frage der zweckmässigsten
und gefälligsten Arbeiterzimmer-Ausstattung endgültig
und durchaus befriedigend zu lösen, weitergehen und
das Arbeiterhaus zum Ausgangspunkt nehmen.

Jedenfalls ist die ganze weittragende und seit Jahr-
zehnten verruderte Angelegenheit nunmehr im besten
Fahrwasser, da das Österreichische Museum ihr Steuer
in seine glückliche Hand genommen: das Museum
hat damit zum mindesten eine ebenso gute That
gethan, wie mit der durchgreifenden Reform unseres
in der Winterausstellung in so glänzender Vollkommen-
heit repräsentierten Luxus-Kunsthandwerks, an deren
Spitze es sich seinerzeit gestellt, und deren Leitung
es zielbewusst und unbeirrt in seinen Händen zu
behalten verstanden hat!

Wien, im Dezember 1899. DR. FRITZ MINKUS.

Alt-Meissner Porzellan. Bunt bemalte Figuren, 14,5 cm hoch (TH. BEHRENS, Hamburg).
 
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