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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Muthesius, Hermann: Die sechste kunstgewerbliche Ausstellung (Arts and Crafts exhibition) in New Gallery, Regent Street, London
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0156

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144 DIE SECHSTE KUNSTGEWERBLICHE AUSSTELLUNG IN NEW GALLERY, LONDON

In Silber montiertes Tiifanyglas von Hofgoldsclimied
SCHAPER, Berlin.

Fällen auf Ausschiebehölzern von einer ganz auf-
fallenden Massigkeit. Aber ein Gutes Iässt sich
von beiden Schränken sagen, sie verkörpern den
wichtigen Gedanken, nicht nur das Äussere, sondern
auch das Innere gehörig auszubilden. Die ganze
bei geöffneten Thüren sichtbare Fläche des Innern
ist in feinem hellen Holze gearbeitet und zeigt die
kostbarste Ausbildung in eingelegtem, zum Teil
plastisch heraustretenden Holze. — Einige weitere
Stücke Ashbees zeigen ungefähr den gleichen Charakter,
man könnte sagen, sie taumeln zwischen Bauerntum
und Verfeinerung hin und her, nicht ohne dabei einen
starken Stich ins Affektierte zu zeigen.

Ganz anders treten Voysey's Möbel auf. Sie sind
klar und werkmässig gedacht, verkörpern ohne Um-
schweife ihren Zweck und atmen in der Erscheinung
der schlichten, ungeheizten Eichenholzflächen eine
gewisse saubere Bürgerlichkeit, aber sie streifen auch
stark ans Nüchterne. Sie sind kaum anders als in
einer Bauernstube denkbar. Das starke Unterstreichen
der Konstruktionsmotive, häufig, wie bei den Arm-
stühlen, auf Kosten der Bequemlichkeit, ist heute, wo
man wieder werkmässig zu arbeiten versteht, wohl
kaum mehr am Platze. Auch Voysey ist von Affektiert-
heiten nicht frei, wie die scharfen Spitzen an den
Rückenlehnen seiner Armstühle zeigen.

Wie weit indessen die Verirrung in dieser
Richtung gehen kann, zeigt ein Anrichteschrank von
H. Barnsley, ein in einer Art Zimmermannsarbeit roh zu-

sammengefügtes Eichenholzmöbel, das etwa unserm
Kulturzustande zur Zeit der Römereinfälle entsprechen
würde. Selbst der Gedanke der Rahmen und Füllungen
erscheint dem Verfasser zu kultiviert, er wählt Bretter-
thüren; statt Metallgriffen zeigt das Möbel mit Huf-
nägeln aufgenagelte Holzgriffe, die Zapfen der Pfosten
reichen bis zur Tischplatte durch und zeigen oben
die eingetriebenen Holzkeile. Das Möbel atmet
förmlich die Atmosphäre des Bauernhofes. Und
doch geniesst es die Bewunderung der »Arts- and-
Crafts- Clique« und ihres litterarischen Anhanges.

Neben einer guten Anzahl braver Leistungen, die
aber nichts besonders Bemerkenswertes bieten, bleiben
eigentlich an guten Möbeln der Ausstellung nur zwei
Stücke übrig, ein Schubfachschrank in Teakholz von
M. Macartney und ein Kleiderschrank von Heal. Der
letztere, einfach und vernünftig in der Form, hat
einen recht wirksamen Schmuck in einem Fries, der
in einem blau gebeizten Holzstreifen die Einlage von
Ornamenten und Zierschrift in Zink zeigt.

Auffallenderweise bemerkt man an vielen der
Möbel Mängel in der Ausführung, die in Deutschland
heute nicht mehr möglich sein würden. Nicht genau
eingepasste Holzteile, rohe Schrauben, zu grosse
Zapfenlöcher sind keine Seltenheit.

Die Möbel sind vielleicht die grösste Enttäuschung,
die die Ausstellung bietet. Weit entfernt, den guten
Eindruck derfrüheren Ausstellungen zu wiederholen oder
zu verstärken, scheint das dies Jahr Ausgestellte eher ge-
eignet, die Vermutung aufkommen zu lassen, dass es
mit dem mo-
dernen eng-
lischen Mö-
bel seinem
Ende entge-
gengeht.
Den ge-
wohnten
neuengli-
schen Stil
halten nur
noch Voy-
sey's Sachen
ein. Die an-
dern Aus-
steller ent-
gleisen mehr
oder weni-
ger auf Irr-
wegen. Lei-
der ist die
Glasgower
Künstler-
gruppe auf
der Ausstel-
lung gar
nicht vertre-
ten, ebenso-
wenig wie
der poetische

D .,.. c ,, In Silber montiertes Tiffanyglas von Hofgoldschmied
Baillie Scott SCHAPER7 Berlin.
 
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