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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Muthesius, Hermann: Die sechste kunstgewerbliche Ausstellung (Arts and Crafts exhibition) in New Gallery, Regent Street, London
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0162

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150 DIE SECHSTE KUNSTGEWERBLICHE AUSSTELLUNG IN NEW GALLERY, LONDON

Tapetenmuster, entworfen von Architekt G. SIEDLE, Berlin.

vollständig ausgestorben war wie bei uns, so hat doch
auch hier mit dem Wiederaufblühen der Kleinkünste
eine äussere Umgestaltung des Buches stattgefunden,
wie sie einschneidender nicht gedacht werden kann.
Bekanntlich wies auch hier Morris die Wege, nicht
sowohl, indem er den Stil des Buches feststellte, als
indem er durch die unantastbare künstlerische wie
technische Qualität seiner Leistungen eine Höhenmarke
vorzeichnete, die sich von seinen Nachfolgern im
besten Falle wieder erreichen, aber keineswegs über-
schreiten Hess. Von der Höhe dieser Leistungen
strahlt ein Wiederschein auch auf das gewöhnliche
Marktbuch zurück, der auch hier nur einen Ein-
fluss bester Art ausüben kann. Aber auch im
Luxusbuch und hier erst recht, ist Morris' Einfluss
heute der massgebende. Schon seit 1896 trat neben
Morris ein neuer Name auf mit eigenartigen, wenn
auch etwas excentrischen Arbeiten, es war Charles
Ricketts. Auf der diesjährigen Ausstellung hat er
eine ganze Reihe vorzüglich ausgestatteter Bücher
ausgestellt, die in der Vale Press gedruckt und von
ihm mit Borten und Abbildungen geschmückt sind.
Diese herzerfreuenden Leistungen erheben sich durch-
aus wieder auf die Höhe der besten Erzeugnisse der
frühen Buchdruckerkunst. Einige nicht minder guten
Bücher stellen Luden und Esther Pissaro aus. Neben
der Vale Press liefert die Chiswick Press Erzeugnisse
ersten Ranges und stellt eine Reihe davon aus. Zu
den von früher her bekannten Buchgewerbe-Künstlern
tritt endlich diesmal noch ein neuer Name: der

Ashbee's, welcher in seiner Guild of Handicraft eine
Druckerei eingerichtet und einen künstlerischen Verlag
mit einer typographisch vorzüglich ausgestatteten
Übersetzung von Benvenuto Cellini's Abhandlung
über die Emaillierkunst eröffnet hat.

Der Bucheinband ist wie auf den vorigen Aus-
stellungen, durch Cobden Sanderson in der allbekannten
musterhaften Weise vertreten. Veränderungen gegen
früher sind nicht bemerkbar, dieselbe ganz tadellose
technische Behandlung, dasselbe vorzügliche Material,
dieselbe stilistische Ausgestaltung, derselbe tiefe Ernst
in der künstlerischen Auffassung. Neben ihm treten
noch die bekannten Kunstbuchbinder Cockerell und
Zähnsdorf mit Arbeiten auf. Ricketts hat eine ganze
Sammlung von nach seinen Entwürfen gebundenen
Büchern ausgestellt, die eigenartigen, ebenfalls von
früher bekannten Arbeiten von Miss Maccoll sind
ebenfalls vertreten. Schliesslich sind noch die Buch-
binder-Erzeugnisse der zwei hervorragendsten eng-
lischen Kunstgewerbeschulen von heute, der von
Birmingham und der Central School of Arts and Crafts
in London zu erwähnen, die beide dem künstlerischen
Bucheinband ein hohes Mass von Aufmerksamkeit
widmen. Gepflegt wird vor allem der Lederband
mit Goldpressung durch Teilstempel; auch das Leder-
mosaik und überhaupt alle Arbeiten der besseren
Technik finden Beachtung. Dabei wird, was den
Entwurf anbetrifft, auf möglichste Selbständigkeit in
der Eifindung das grösste Gewicht gelegt, die Schüler
werden von Anbeginn vor die Aufgabe gestellt, selbst
einen Dekorationsgedanken auszudenken und seine
Darstellung mit den gegebenen Mitteln zu versuchen.
Was in dieser Beziehung aus den Schulen hervor-
geht, verdient unsere höchste Bewunderung, die vor-

Tapetenmuster, entworfen von Architekt O. SIEDLE, Berlin.
 
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