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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Schmidt, Karl Eugen: Das arabische Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0174

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DAS ARABISCHE KUNSTHANDWERK

von Karl Eugen Schmidt (Kairo).

IE arabische und im allgemeinen die ganze muslimische Kunst unter-
scheidet sich sehr wesentlich von allen abendländischen Kunstrichtungen
dadurch, dass hier niemals eine Trennung der Kunst vom Handwerke
stattgefunden hat. Der arabische Künstler war und ist heute noch zu-
gleich Handwerker, und der Handwerker ist Künstler. Diese Verbindung
ist so innig, dass man beim Schreiner, beim Schlosser, beim Gold-,
Silber- und Kupferschmied, beim Weber, beim Sticker und beim Leder-
arbeiter Nordafrikas nirgends die" Linie ziehen kann, wo das Handwerk
aufhört und die Kunst anfängt Zu keiner Zeit hat sich in den Ländern
mit arabischer Kultur das Bestreben gezeigt, die Kunst vom Handwerk zu
trennen und eine sogenannte reine Kunst zu schaffen, sondern wie in Europa
zur Zeit der höchsten Blüte des Kunsthandwerks hatte und hat bei dem
Araber und bei den von arabischem Geiste durchdrungenen Völkern die
Kunst stets nur den Zweck, das Schöne mit dem Nützlichen zu ver-
binden! Es gab und giebt keine arabische Kunst um ihrer selbst willen,
sondern alle arabischen Kunstwerke aus alter und neuer Zeit dienen einem
nützlichen Zwecke, und die Kunst wurde und wird einzig dazu ange-
wandt, um notwendige Gegenstände zu verschönern, handele es sich nun
um die Dekoration einer Moschee oder eines Wohnhauses oder um die
Verzierung einer Truhe oder eines Kochtopfes.

Dass die arabische Kunst auf diesem festen Boden unwandelbar stehen
geblieben ist, während sich überall im Abendlande Kunst und Handwerk
trennten, hat sie vielleicht grossenteils der strengen Auslegung jener Koran-
stelle zu verdanken, welche die Götzenbilder verdammt. Diese an sich ganz
unschuldige Stelle, die sich lange nicht so gut zu einer derartigen Deutung
schickt, wie das jüdische »Du sollst Dir kein Bildnis noch irgend ein
Gleichnis machen«, ist von den Kommentatoren zu einem Verbote der
Nachbildung aller lebenden Wesen und weitergehend aller existierenden
Dinge überhaupt verdreht worden. Obgleich nun das auf diese Weise
entstandene Verbot niemals allzugenau befolgt worden ist, so wurde doch
der arabischen Kunst gerade jene Stütze entzogen, die in allen Ländern und
bei allen Völkern von Anfang an der Haupthalt der aufblühenden Künste
gewesen ist. Während die höchsten Kunstbestrebungen des Urbewohners
von Australien, Afrika und Amerika der Herstellung und Ausschmückung
des Götzenbildes galten, und während in gleicher Weise die Bildhauer und
Maler Europas ihre schönsten Werke im Dienste der Kirche schufen,
blieben die arabischen Moscheen den Bildern des wirklichen Lebens ver-
schlossen, und im Gotteshause blieb die arabische Kunst eine angewandte,
dem Zwecke untergeordnete und rein dekorative Kunst, wenn auch mancher
Fürst die Säle seines Palastes mit Gemälden und Statuen ausschmücken mochte.

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