DAS ARABISCHE KUNSTHANDWERK
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Vorhänge, den Webern, den Sattlern u. s. w. So ein
kairenischer Sattel ist kein Schablonenstück, wie sie
zu Hunderttausenden aus der Fabrik kommen, sondern
ein stolzes Kunstwerk, verziert mit unzähligen bunten
Fransen, Messingnägeln, Perlenschnüren, Olöckchen
und Gott weiss was sonst noch. Ebenso herausge-
putzt ist der Zaum des Esels, und auf diese Weise
schmückt der Nordafrikaner von Ägypten bis Marokko
auch das gewöhnlichste Hausgerät.
In der Art der Dekoration folgt das heutige
arabische Kunsthandwerk ganz genau den alten Vor-
bildern, und man kann ruhig sagen, dass sich in der
arabischen Kunst seit vier Jahrhunderten nicht das Ge-
ringste geändert hat. Denn wenn ein reicher Ägypter
oder die Regierung von einem europäischen Bau-
meister ein Gebäude errichten lässt, so ist das eben
keine arabische Kunst, und wenn irgend ein Bey oder
Pascha einem arabischen Schreiner nach europäischen
Vorbildern Möbel anfertigen lässt, so stehen wir
wiederum nicht vor Erzeugnissen des arabischen Kunst-
handwerkes. In neuerer Zeit bemühen sich nämlich
die oberen Zehntausend Nordafrikas Marokko allein
ausgenommen europäische Sitten nachzuäffen, und
besonders in Ägypten wird darin Erkleckliches ge-
leistet. Der reiche Ägypter kleidet sich nach Pariser
Mode, sein Haus ist
von einem deutschen
oder französischen
Architekten erbaut,
seinem Garten steht
ein europäischer Gärt-
ner, seinem Stalle ein
englischer Kutscher
vor, und in seinen
Zimmern sind nur
Wiener Möbel zu
sehen. Das geht so
weit, dass der reiche
Ägypter sogar die
herrlichen orientali-
schen Stoffe, die Vor-
hänge, Decken und
Teppiche aus seiner
Wohnung verbannt
hat, um dafür Chem-
nitzer, Krefelder und
Lyoner Erzeugnisse
anzuschaffen.
Nur die mittleren
und unteren Klassen
Ägyptens sind den
heimischen Trachten
und Sitten, dem hei-
mischen Hausrat und
der heimischen Kunst
treu geblieben, und
für diese Klassen ar-
beiten die Hand-
werker, die wie bei
uns im Mittelalter
nach den Gewerben
Tischlampe für elektrisches Licht, entworfen von A. RIEGL, München.
zusammenwohnen und den Strassen und Vier-
teln ihre Namen geben. Das ist an vielen Orten
Europas heute noch ein bisschen so: in Paris giebt
es immer noch ein paar Goldschmiede am Quai des
orfevres, und ich erinnere mich, dass ich einst in
Rom, um einen Koffer zu kaufen, die Strasse der
Koffermacher aufsuchte. In Nordafrika ist dieser alte
Brauch noch ganz im Schwang, und sowohl in
Marokko wie in Algier und in Ägypten habe ich be-
obachtet, dass ganze lange Strassen mit Schuster-
werkstätten angefüllt sind, während in einer anderen
Strasse die Schreiner, weiterhin die Schlosser, die
Bäcker, die Goldschmiede, die Büchsenmacher u. s. w.
ihre Kunst ausüben.
In Marokko, wo sich das Volk am reinsten er-
halten hat und am wenigsten von europäischer Tünche
bedeckt worden ist, bietet das Kunsthandwerk die
interessantesten Seiten. In Tetuan wird eine ganze
Breite des Marktes von den Büchsenschmieden ein-
genommen, die jene abenteuerlichen Flinten mit dem
zwei Meter langen Lauf, dem kühn geschwungenen
Kolben und den famosen Steinschlössern bauen. Alles
das wird von dem Meister mit seinen Gesellen vor
den Augen des Vorübergehenden gemacht: der
Büchsenschmied von Marokko ist kein Händler, der
im höchsten Falle
gerade noch im stände
ist, eine ihm von der
Fabrik zugeschickte
Flinte zu zerlegen
und wieder zusam-
menzusetzen, sondern
die ganze Arbeit geht
aus seinen Händen
hervor. Er hobelt
und schnitzt den
Kolben zurecht, er
schmückt ihn mit ein-
gelegtem Silber, Perl-
mutter und anderen
bunten oder glänzen-
den Dingen, erschmie-
det die einzelnenEisen-
teile und verziert sie
mit eingeritzten Figu-
ren und Inschriften,
die häufig durch ein-
gelegte Silberplättchen
deutlicher gemacht
werden, und wenn
er mit all der Arbeit
fertig ist und das
Werkstück zusam-
mengesetzt hat, geht
er damit hinaus vor
das Stadtthor und
feuert die ersten
Probeschüsse aus der
neuen Waffe. Be-
sonderes Vergnügen
machte es mir, in
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Vorhänge, den Webern, den Sattlern u. s. w. So ein
kairenischer Sattel ist kein Schablonenstück, wie sie
zu Hunderttausenden aus der Fabrik kommen, sondern
ein stolzes Kunstwerk, verziert mit unzähligen bunten
Fransen, Messingnägeln, Perlenschnüren, Olöckchen
und Gott weiss was sonst noch. Ebenso herausge-
putzt ist der Zaum des Esels, und auf diese Weise
schmückt der Nordafrikaner von Ägypten bis Marokko
auch das gewöhnlichste Hausgerät.
In der Art der Dekoration folgt das heutige
arabische Kunsthandwerk ganz genau den alten Vor-
bildern, und man kann ruhig sagen, dass sich in der
arabischen Kunst seit vier Jahrhunderten nicht das Ge-
ringste geändert hat. Denn wenn ein reicher Ägypter
oder die Regierung von einem europäischen Bau-
meister ein Gebäude errichten lässt, so ist das eben
keine arabische Kunst, und wenn irgend ein Bey oder
Pascha einem arabischen Schreiner nach europäischen
Vorbildern Möbel anfertigen lässt, so stehen wir
wiederum nicht vor Erzeugnissen des arabischen Kunst-
handwerkes. In neuerer Zeit bemühen sich nämlich
die oberen Zehntausend Nordafrikas Marokko allein
ausgenommen europäische Sitten nachzuäffen, und
besonders in Ägypten wird darin Erkleckliches ge-
leistet. Der reiche Ägypter kleidet sich nach Pariser
Mode, sein Haus ist
von einem deutschen
oder französischen
Architekten erbaut,
seinem Garten steht
ein europäischer Gärt-
ner, seinem Stalle ein
englischer Kutscher
vor, und in seinen
Zimmern sind nur
Wiener Möbel zu
sehen. Das geht so
weit, dass der reiche
Ägypter sogar die
herrlichen orientali-
schen Stoffe, die Vor-
hänge, Decken und
Teppiche aus seiner
Wohnung verbannt
hat, um dafür Chem-
nitzer, Krefelder und
Lyoner Erzeugnisse
anzuschaffen.
Nur die mittleren
und unteren Klassen
Ägyptens sind den
heimischen Trachten
und Sitten, dem hei-
mischen Hausrat und
der heimischen Kunst
treu geblieben, und
für diese Klassen ar-
beiten die Hand-
werker, die wie bei
uns im Mittelalter
nach den Gewerben
Tischlampe für elektrisches Licht, entworfen von A. RIEGL, München.
zusammenwohnen und den Strassen und Vier-
teln ihre Namen geben. Das ist an vielen Orten
Europas heute noch ein bisschen so: in Paris giebt
es immer noch ein paar Goldschmiede am Quai des
orfevres, und ich erinnere mich, dass ich einst in
Rom, um einen Koffer zu kaufen, die Strasse der
Koffermacher aufsuchte. In Nordafrika ist dieser alte
Brauch noch ganz im Schwang, und sowohl in
Marokko wie in Algier und in Ägypten habe ich be-
obachtet, dass ganze lange Strassen mit Schuster-
werkstätten angefüllt sind, während in einer anderen
Strasse die Schreiner, weiterhin die Schlosser, die
Bäcker, die Goldschmiede, die Büchsenmacher u. s. w.
ihre Kunst ausüben.
In Marokko, wo sich das Volk am reinsten er-
halten hat und am wenigsten von europäischer Tünche
bedeckt worden ist, bietet das Kunsthandwerk die
interessantesten Seiten. In Tetuan wird eine ganze
Breite des Marktes von den Büchsenschmieden ein-
genommen, die jene abenteuerlichen Flinten mit dem
zwei Meter langen Lauf, dem kühn geschwungenen
Kolben und den famosen Steinschlössern bauen. Alles
das wird von dem Meister mit seinen Gesellen vor
den Augen des Vorübergehenden gemacht: der
Büchsenschmied von Marokko ist kein Händler, der
im höchsten Falle
gerade noch im stände
ist, eine ihm von der
Fabrik zugeschickte
Flinte zu zerlegen
und wieder zusam-
menzusetzen, sondern
die ganze Arbeit geht
aus seinen Händen
hervor. Er hobelt
und schnitzt den
Kolben zurecht, er
schmückt ihn mit ein-
gelegtem Silber, Perl-
mutter und anderen
bunten oder glänzen-
den Dingen, erschmie-
det die einzelnenEisen-
teile und verziert sie
mit eingeritzten Figu-
ren und Inschriften,
die häufig durch ein-
gelegte Silberplättchen
deutlicher gemacht
werden, und wenn
er mit all der Arbeit
fertig ist und das
Werkstück zusam-
mengesetzt hat, geht
er damit hinaus vor
das Stadtthor und
feuert die ersten
Probeschüsse aus der
neuen Waffe. Be-
sonderes Vergnügen
machte es mir, in