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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Hagen, L.: Die deutsche Smyrnateppich-Industrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0213

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DIE DEUTSCHE SMYRNATEPPICH-INDUSTRIE

dienen diejenigen Teile der Wolle, die
vom Wolf, von dem Kämmer und Sel-
factor zur Anfertigung des scharfge-
drehten, aus vielen feinen Einzelfäden
bestehenden Knüpffadens nicht nach-
giebig genug befunden werden. Die
Erfahrung hat die deutschen Teppich-
fabrikanten gelehrt, dass man am besten
thut, den Faden an Ort und Stelle zu-
zubereiten und ihn in einer eigenen
Färberei ganz nach Bedarf zu färben.
Alle neuesten Vervollkommnungen des
Färbesystems werden in den Dienst der
deutschen Teppichweberei gestellt. Seit-
dem die Anilinfarben ihren Weg in das
Morgenland gefunden haben, ist es be-
kanntlich um die Farbenechtheit der
orientalischen Teppiche nicht sonderlich
gut bestellt. Um so mehr Veranlassung
liegt vor, bei der Herstellung der deut-
schen Teppiche das Beste zu benutzen,
dessen man habhaft werden kann. In
der Anwendung der Gärungsmethode,
die beim Indigo längst üblich war, hat
man ein Mittel gefunden, die Farben
wesentlich dauerhafter zu machen als
bisher. Ihre Leuchtkraft wird durch
Oxydation, d. h. durch Einwirkung der
Luft hervorgerufen. Eben diese Einwir-
kung der Luft ist es freilich auch, die
mit der Zeit wieder wegnimmt, was sie
gab. Immerhin ist der Vorgang, im
Vergleich zu dem, was mit den eigent-
lichen Anilinfarben zu geschehen pflegt,
um sehr vieles verlangsamt. Wichtiger
noch ist es, dass die durch das neuere
Verfahren gewonnenen Farben, genau
wie die alten Pflanzenfarben, gleich-
massig verblassen, während die Anilin-
farben sich derart verändern, dass alle
Farbenharmonie aufgelöst wird. Der

eigentliche Glanz der Farben tritt erst
hervor, nachdem der fertiggeknüpftc
Teppich von der Scherwalze bearbeitet
wurde. Diese Walze ist nach der Ana-
ogie der Rasenscheren hergestellt und
giebt jene sammetweiche Ebenheit des
Schnittes, die auf den Teppichliebhaber
eine besondere Anziehungskraft ausübt.
Nachdem der Teppich geschoren ist,
vermag man erst endgültig darüber zu
entscheiden, ob die Arbeit wirklich ge-
lang. Hat es sich nämlich während des
Knüpfens herausgestellt, dass von einer
Farbe oder Schattierung nicht genug
Wolle vorhanden war, so muss nach-
gefärbt werden. Es ist aber nahezu un-
möglich , genau denselben Ton im
Durchschnitt der Wolle zu liefern,
wenn auch die Aussenseiten beider
Fäden gar nicht voneinander zu unter-
scheiden sind. Kapitalkräftige Fabrikan-
ten lassen daher immer mehr Wolle
färben, als sie voraussichtlich brauchen
werden. Selbstverständlich entsteht da-
durch ein beträchtlicher Verlust an
Material.

Der Besitz einer eigenen Färberei
ist auch deshalb für den Teppichfabri-
kanten unentbehrlich, weil sehr häufig
Dekorateure oder Hausbesitzer die An-
fertigung von Teppichen in ganz be-
stimmten Farbentönen verlangen. Eben-
so werden bestimmte Grössenverhält-
nisse vorgeschrieben und auch über
den »Stil« der Ornamentation werden
bestimmte Anweisungen gegeben. Die
Möglichkeit, Teppiche in jeder belie-
bigen Grösse (bis zu 11X13 m) herzu-
stellen, wird dem Knüpfteppich immer
einen bestimmten Vorsprung vor den
Maschinenteppichen sichern. Man kann

Zierleiste von A. BRUNNER, Bad Aibling.
 
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