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DAS KUNSTGEWERBE AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG
Raum in der deutschen kunstgewerblichen Abteilung auf der Pariser Weltausstellung 1900
Entworfen von Professor PAUL PFAUN,
Schreinerarbeiten ausgeführt von WENZEL TILL, München.
von grauen, braunen, grünen, und gelben Tönen.
Unter den Künstlern stehen Le Comte und Senf
obenan. Der amüsanteste und originellste aber ist
Bodart, der auch ein paar reizende Tintenfässer ent-
worfen hat. Neu sind die Jakoba-Fayencen, bei
denen der Dekor vor dem ersten Brande eingraviert
und nach diesem mit Email- und Scharffeuerfarben
bedeckt wird; sie finden hauptsächlich bei grossen
Vasen, Jardinieren, Kacheln und Mosaikgemälden Ver-
wendung. Endlich stellt die Fabrik ganz neuerdings
Wanddekorationen in Steinzeug her, bei denen die
einzelnen Stücke nicht quadratisch sind, sondern sich
in der Form der Zeichnung anschmiegen. Hinter
Delft finden wir die Fabrik Rozenburg, die für die
Weltausstellung eine grosse Überraschung vorbereitet
hat. Ihr Direktor Kok hat nämlich im vorigen Jahre
nicht nur eine neue Porzellanmasse erfunden, in der
sich Gefässe von einer an die chinesische »coquille
d'oeuf« erinnernden Leichtigkeit und Transparenz her-
stellen lassen, sondern"für diese neuen
Gefässe auch neue Formen und neue
Ornamente entworfen. Grosse Blu-
men, besonders Disteln, Schmetter-
linge, ausländische Vögel, Pfauen,
Drachen herrschen vor, oft ist der
Dekor aber auch völlig frei. Immer
ist er mit der grössten Leichtigkeit
und ganz impressionistisch aufgetra-
gen. Unter den Farben spielen Schwarz,
Rubinrot, Lila (mauve) neben Grün
und Gelb eine grosse Rolle, also
Farben, die noch nie auf Porzellan
zur Verwendung gekommen sind. Die
gegenüber ausgestellten Rozenburger
Fayencen sind gut bekannt. Die üb-
rigen Fabriken haben geringere Be-
deutung. Neben der Keramik ist ein
echtes Hindelooper Zimmer mit sei-
nen bunten Möbeln aufgebaut worden.
Ausserdem sei auf das nach Zeich-
nungen des Architekten Berlage van
Hillen-Amsterdam ausgeführte Speise-
zimmer, auf die Schmiedearbeiten von
Braat in Delft, die Kirchenfenster
von Schouten, die Batik-Stoffe aus
dem Haag und die Möbel von
Tekstra hingewiesen. Von den Silber-
schmieden hat Begeer-Amsterdam ein
sehr anmutiges Kaffeeservice ausge-
stellt. Über die anschliessende portu-
giesische Abteilung auch nur ein Wort
zu verlieren, wäre schade.
Hinter der österreichischen und
unter der holländischen befindet sich
die reichhaltige japanische Sektion.
Sie bietet insofern eine Enttäuschung,
als sie kaum irgend etwas Neues und
Überraschendes bringt. Allein wenn
man im Grand Palais der Ausstellung
gesehen hat, zu welch unpersönlicher
und langweiliger Nachahmung euro-
päischer Kunstweisen die »modernen« japanischen Be-
strebungen auf dem Gebiete der Malerei geführt haben,
kann man dies nicht bedauern. Ebenso ist es im Inter-
esse des europäischen Gewerbes nur freudig zu be-
grüssen, dass die Japaner ihre Preise ganz gehörig in
die Höhe geschraubt haben. Von »blosser Marktware«
aber zu reden ist durchaus ungerecht, da die Technik
auf vielen Gebieten immer noch auf einer von den
Europäern noch längst nicht erreichten Höhe steht
und inbesondere eine ganze Reihe Prachtstücke im
Werte von Zehntausenden von Mark ausgestellt sind.
Jedenfalls macht sich die billige und schlechte
Ware, die, wie nicht geleugnet werden soll, auch
vorhanden ist, bei ihnen lange nicht in der Weise
breit wie in Italien, Spanien, Belgien, Ungarn
und selbst in ein oder zwei Räumen der deutschen
Abteilung, bei denen der für ein Machtwort geeignete
Augenblick leider verpasst worden war. Das äussere
Arrangement ist höchst dürftig, schmucklose braune
DAS KUNSTGEWERBE AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG
Raum in der deutschen kunstgewerblichen Abteilung auf der Pariser Weltausstellung 1900
Entworfen von Professor PAUL PFAUN,
Schreinerarbeiten ausgeführt von WENZEL TILL, München.
von grauen, braunen, grünen, und gelben Tönen.
Unter den Künstlern stehen Le Comte und Senf
obenan. Der amüsanteste und originellste aber ist
Bodart, der auch ein paar reizende Tintenfässer ent-
worfen hat. Neu sind die Jakoba-Fayencen, bei
denen der Dekor vor dem ersten Brande eingraviert
und nach diesem mit Email- und Scharffeuerfarben
bedeckt wird; sie finden hauptsächlich bei grossen
Vasen, Jardinieren, Kacheln und Mosaikgemälden Ver-
wendung. Endlich stellt die Fabrik ganz neuerdings
Wanddekorationen in Steinzeug her, bei denen die
einzelnen Stücke nicht quadratisch sind, sondern sich
in der Form der Zeichnung anschmiegen. Hinter
Delft finden wir die Fabrik Rozenburg, die für die
Weltausstellung eine grosse Überraschung vorbereitet
hat. Ihr Direktor Kok hat nämlich im vorigen Jahre
nicht nur eine neue Porzellanmasse erfunden, in der
sich Gefässe von einer an die chinesische »coquille
d'oeuf« erinnernden Leichtigkeit und Transparenz her-
stellen lassen, sondern"für diese neuen
Gefässe auch neue Formen und neue
Ornamente entworfen. Grosse Blu-
men, besonders Disteln, Schmetter-
linge, ausländische Vögel, Pfauen,
Drachen herrschen vor, oft ist der
Dekor aber auch völlig frei. Immer
ist er mit der grössten Leichtigkeit
und ganz impressionistisch aufgetra-
gen. Unter den Farben spielen Schwarz,
Rubinrot, Lila (mauve) neben Grün
und Gelb eine grosse Rolle, also
Farben, die noch nie auf Porzellan
zur Verwendung gekommen sind. Die
gegenüber ausgestellten Rozenburger
Fayencen sind gut bekannt. Die üb-
rigen Fabriken haben geringere Be-
deutung. Neben der Keramik ist ein
echtes Hindelooper Zimmer mit sei-
nen bunten Möbeln aufgebaut worden.
Ausserdem sei auf das nach Zeich-
nungen des Architekten Berlage van
Hillen-Amsterdam ausgeführte Speise-
zimmer, auf die Schmiedearbeiten von
Braat in Delft, die Kirchenfenster
von Schouten, die Batik-Stoffe aus
dem Haag und die Möbel von
Tekstra hingewiesen. Von den Silber-
schmieden hat Begeer-Amsterdam ein
sehr anmutiges Kaffeeservice ausge-
stellt. Über die anschliessende portu-
giesische Abteilung auch nur ein Wort
zu verlieren, wäre schade.
Hinter der österreichischen und
unter der holländischen befindet sich
die reichhaltige japanische Sektion.
Sie bietet insofern eine Enttäuschung,
als sie kaum irgend etwas Neues und
Überraschendes bringt. Allein wenn
man im Grand Palais der Ausstellung
gesehen hat, zu welch unpersönlicher
und langweiliger Nachahmung euro-
päischer Kunstweisen die »modernen« japanischen Be-
strebungen auf dem Gebiete der Malerei geführt haben,
kann man dies nicht bedauern. Ebenso ist es im Inter-
esse des europäischen Gewerbes nur freudig zu be-
grüssen, dass die Japaner ihre Preise ganz gehörig in
die Höhe geschraubt haben. Von »blosser Marktware«
aber zu reden ist durchaus ungerecht, da die Technik
auf vielen Gebieten immer noch auf einer von den
Europäern noch längst nicht erreichten Höhe steht
und inbesondere eine ganze Reihe Prachtstücke im
Werte von Zehntausenden von Mark ausgestellt sind.
Jedenfalls macht sich die billige und schlechte
Ware, die, wie nicht geleugnet werden soll, auch
vorhanden ist, bei ihnen lange nicht in der Weise
breit wie in Italien, Spanien, Belgien, Ungarn
und selbst in ein oder zwei Räumen der deutschen
Abteilung, bei denen der für ein Machtwort geeignete
Augenblick leider verpasst worden war. Das äussere
Arrangement ist höchst dürftig, schmucklose braune